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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 23. Juni 2009; 16:44
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Debatten:
> Lichterkette - eine kritische Bilanz
Viele tausend grossteils junge Menschen haben am Donnerstag vor dem 
Parlament gegen die rassistische Hetze demonstriert. Ein grossartiger 
Erfolg, der uns Hoffnung gibt. Es war ein starkes Zeichen gegen das 
Wiederaufkommen des Faschismus in diesem Land. Trotzdem muessen auch 
kritische Bemerkungen gestattet sein. Die Lichterkette hat naemlich 
leider manche Fehler des alten Lichtermeeres wiederholt.
Das Lichtermeer 1993 (getragen von grossen Verbaenden wie Kirchen und 
Gewerkschaft) richtete sich nur gegen Haider. Kritik an der 
Antiasylpolitik des Innenministers Loeschnak und seines furchtbaren 
Juristen Matzka war nicht erlaubt. Unmittelbar nachher trat Loeschnaks 
Aufenthaltsgesetz in Kraft, das tausende fleissige, tuechtige Arbeiter 
zu Illegalen machte. "Gastarbeiter raeumen" nannte man das. Ueberall 
in Wien hingen die zynischen SPOe-Plakate: "Gesetze statt Hetze".
An der Vorbereitung der jetzigen Lichterkette habe ich teilgenommen, 
dabei immer wieder von den seinerzeitigen Fehlern erzaehlt und vor 
ihrer Wiederholung gewarnt. Darueber bestand auch urspruenglich 
Konsens. Umso erstaunter war ich, als ich einige Tage vor der 
Kundgebung die (nach Themen gegliederte) Rednerliste erhielt. Das 
Thema Asyl kam ueberhaupt nicht vor! Dies obwohl gerade jetzt die 
Polizeiministerin Fekter (mit Unterstuetzung der SPOe!) einen 
Gesetzentwurf vorgelegt hat, der eine neue Menschenhatz zur Folge 
haben wird. Ich habe daher der Vorbereitungsgruppe angeboten, dass ich 
eine Rede zu diesem Thema halte. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt, mit 
der formalen Begruendung, das Programm sei schon voll, fuer eine 
solche Rede gaebe es nicht mehr genug Zeit.
Nun, eben das war ja meine Kritik, dass das Programm schon voll war 
und man dabei die Schwaechsten unter den Opfern des herrschenden 
Rassismus, die Fluechtlinge, "vergessen" hatte. Das war eine 
politische und keine technische Entscheidung.
Das ist jetzt, wohlgemerkt, keine Kritik an den beiden Studentinnen 
Romy und Maria, die mit ungeheurem Engagement in kaum drei Wochen eine 
gewaltige Mobilisierung zustande gebracht haben. Sie verdienen 
Bewunderung und Lob. Es scheint mir aber, dass sie hinter den Kulissen 
nicht gut beraten waren. Dabei waere es auch wuenschenswert, 
wenigstens jetzt offen zu legen, wer eigentlich die "20 groesseren 
Organisationen" sind, die die Aktion im Hintergrund unterstuetzten, 
aber bisher anonym geblieben sind.
Asyl in Not (keine "groessere", sondern eine ganz kleine NGO) hat sich 
zur Unterstuetzung fuer die Lichterkette immer bekannt; wir haben auch 
unsere politischen Ziele in jeder unserer Aussendungen offen 
dargelegt. Dass andere, Groessere, im Verborgenen agieren, 
hinterlaesst angesichts der vorhin dargelegten politischen Divergenzen 
einen merkwuerdigen Beigeschmack. Die Menschen, die bei der 
Lichterkette waren, hoffen wohl alle, dass es auch nach diesem Abend 
weitergeht. Sie haben ein Recht darauf darauf, dass man sie nicht 
enttaeuscht.
*Michael Genner, Obmann von Asyl in Not (gek.)*
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Anmerkung: Ganz ungeschoren blieben die Regierungsparteien allerdings 
in den Reden bei der Lichterkette auch nicht. So meinte etwa Robert 
Menasse in seiner Stellungnahme vor dem Parlament:
"Wir koennten die Rechten rechts liegen lassen, wenn sie bloss rechts 
liegen wuerden. Aber sie stehen in der Mitte herum, haben in der Mitte 
ihre Strohmaenner und Strohkoepfe, in einer christlichsozialen Partei, 
die in ihrer eigentuemlichen Verachtung der Menschen ausserhalb ihrer 
Salons, ihrem Zynismus gegenueber der Menschenwuerde all jener, die 
keine schwarzen Wuerdentraeger sind, sich immer wieder verbuendet mit 
dem, was Heimito von Doderer den 'Ruass' genannt hat, sie halten den 
'Ruass' fuer einen 'nuetzlichen Idioten' -- der sie erst so richtig 
anschwaerzt. Und sie haben ihre Strohkoepfe in einer 
sozialdemokratischen Partei, die im Ernst glaubt, dass die voellige 
Preisgabe aller Prinzipien ein Synonym fuer politischen Kompromiss 
sei. Das Problem ist die 'Mitte', das Problem liegt mitten auf unserem 
Weg." ###
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