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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. Juni 2009; 17:40
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Europaeische Union / Kommentar:
> Erfolge fuer linke Unabhaengigkeitsbewegungen
Nachfolgenden Text erhielten wir von einer Gruppe, die die irische
Republican Sinn Fein (RSF) im deutschsprachigen Raum vertritt. Die RSF
ist nicht zu verwechseln mit der Provisional Sinn Fein, die meistens
gemeint ist, wenn von "Sinn Fein" die Rede ist. In diesem Artikel ist
von "progressiven nationalistischen Parteien" die Rede. Ob es so etwas
geben kann, ist in der Redaktion allerdings umstritten. Immerhin
schliessen sich die meisten EU-Parlamentsabgeordneten der hier so
titulierten Parteien bei der Konstitution des EP wahrscheinlich wieder
den Fraktionen der Linken oder der Gruenen/EFA an -- und wurden zum
Teil bei der Veroeffentlichung der Endergebnisse der Wahlen zu diesen
Fraktionen gezaehlt. Daher ist ein Blick auf diese kleinen
Kandidaturen auf alle Faelle interessant und wir publizieren diesen
Text der RSF, haben allerdings ideologisch gefaerbte und daher etwas
umstaendliche Bezeichnungen fuer die beiden Irlands zum Zwecke der
Verstaendlichkeit vereinfacht:
***
Die EU-Wahlen 2009 brachten in Schottland, Wales, Bretagne und
Cornwall Erfolge fuer linke Unabhaengigkeitsbewegungen und progressive
nationalistische Parteien. Den Bevoelkerungen dieser vier Laender wird
vom englischen und franzoesischen Staat weder ihr nationales
Selbstbestimmungsrecht, noch essentielle Minderheitenrechte gewaehrt.
In diesem Artikel bringen wir einen Ueberblick der Wahlergebnisse in
diesen Laendern.
Cornwall, Schottland, Nordirland und Wales waehlten am 4. Juni, die
Republik Irland am 5. Juni und die Bretagne am 7. Juni. Mit der
Ausnahme der Bretagne gab es ueberall hohe Verluste fuer die
regierenden Parteien.
Schottland/Alba
Die Scottish Nationalist Party (SNP) konnte von den zur Wahl
angetretenen Parteien der keltischen Laender das beste Ergebnis
erzielen. Sie errang ihr bestes EU-Wahlergebnis ueberhaupt und wurde
noch vor Labour zur staerksten Kraft in Schottland gewaehlt. Es war
dies das erste Mal, dass die SNP die meisten Stimmen bei einer EU-Wahl
erhielt.
Regierungschef Alex Salmond erklaerte, der Sieg der SNP bei den
EU-Wahlen sei noch ein groesserer Erfolg als jener bei den
Parlamentswahlen 2007 gewesen. Die SNP konnte ihren Stimmenanteil
gegenueber 2004 um ueber 10% verbessern.
Das Ergebnis bedeutet, dass sowohl SNP, als auch Labour je zwei Sitz
im EU-Parlament erhielten. Die Wahlbeteiligung sank auf 28,6%.
Bretagne/Breizh
In der Bretagne traten sowohl die Union Démocratique Bretone (UDB),
als auch die Parti Breton (PB) zur Wahl an, jedoch hatte nur die PB
ihre eigene Liste. Die UDB beteiligte sich dagegen an einer Liste, auf
der auch Kandidatinnen und Kandidaten der Gruenen Partei und von
mehreren nationalistischen Parteien, die Teil der Fédération Régions
and Peuples Solidaires (RPS) sind, standen. Der Name der gemeinsamen
Wahlliste war Europe Ecologie.
Im Wahlabkommen wurde beschlossen, wuerde ein Abgeordneter gewaehlt
werden, sollte er/sie alle nationalistischen Parteien, die Teil von
RPS sind, vertreten. Und tatsaechlich wurde François Alfonsi von der
Nationalistischen Partei Korsikas (PNC) ins Europaeische Parlament
gewaehlt. Die Liste konnte im Endergebnis den zweiten Platz hinter
Sarkozys UMP erringen.
Die Parti Breton erhielt knapp 3% der Stimmen in der Bretagne und das
obwohl sie im Wahlkampf bei weitem mehr in den Medien vertreten war,
als die Liste Europe Ecologie. Die Partei sah ihr Ergebnis dennoch als
Erfolg. In einer Presseaussendung erklaerte die Partei: "Die EU-Wahlen
waren fuer die Parti Breton eine wichtige Moeglichkeit, die Frage der
Bretagne in ein internationales Licht zu stellen."
Wales/Cymru
Plaid Cymru konnte seine Stimmen um 1,1% vermehren, trotzdem fehlten
19.000 Stimmen auf den ersten Platz. Der dritte Rang im Endergebnis
hinter den Konservativen und Labour ist fuer die Partei eine kleine
Enttaeuschung. Umfragen nach dem Wahlgang zeigten die Partei naemlich
an erster Stelle liegend. Nichtsdestotrotz bekam die Partei genauso
wie Labour, die Konservativen und die EU-Gegner von der Partei UK
Independent (UK-IP) einen Abgeordneten im Europaeischen Parlament.
Dieser wird abermals der langjaehrige Plaid MdEP Jill Evans sein.
Plaid konnte in den letzten Jahren bei allen Wahlen Zugewinne von
Seiten von Labour erzielen.
Nachdenklich stimmt der Wahlerfolg fuer die rechte UK-IP, die die
Rechte der walisischen Bevoelkerung beschneiden moechte. Eine weitere
bedenkliche Entwicklung ist das Wachstum der neo-faschistischen
British Nationalist Party (BNP), vor allem in Wales. Die BNP
konzentrierte ihren Wahlkampf sehr stark auf den Westen der Insel. In
Wales hatte sie auch ihr Wahlkampfbuero eingerichtet. So errang die
Partei 5,4% der Stimmen, doppelt so viele wie in Cornwall und
Schottland.
Die Gruenen schnitten in Wales sehr schlecht ab und bekamen nur knapp
1.000 Stimmen mehr als die BNP. Das ist bei ihrer Politik nicht
verwunderlich, so sind sie bis heute nicht in der Lage ihre Homepage
auf Walisisch zu machen.
Cornwall/Kernow
In Cornwall kandidierte Mebyon Kernow zum ersten Mal seit 1994. Die
Wahl eines Abgeordneten war daher verstaendlicherweise nahezu
ausgeschlossen, doch die Partei versuchte ihre Stellung in der
kornischen Bevoelkerung durch eine intensive Wahlkampagne zu staerken.
Die Partei erhielt 14.000 Stimmen, was 4.000 Stimmen mehr als bei
ihrem derzeitig besten Wahlergebnis im Jahr 1979 sind. In Cornwall
alleine erhielt die Partei rund 11.500 Stimmen, der gesamte Wahlkreis
Sued-West-England (zu dem auch Gibraltar gehoert) ist allerdings
groesser als das eigentliche Cornwall. Die Partei beschrieb ihr
Ergebnis als "fantastisch".
Irland
Die Zahl der EU-Abgeordneten der Republik Irland wurde von dreizehn
auf zwoelf reduziert. Fuer Provisional Sinn Féin war die EU-Wahl eine
grosse Enttaeuschung, da Vizepraesidentin Mary Lou McDonald ihren
Platz im Europaeischen Parlament verlor. Statt ihr bekam Joe Higgins,
Chef der kleinen trotzkistischen Dubliner Sozialistischen Partei (SP),
den Platz.
Die SP hatte alle ihre Ressourcen in den EU-Wahlkampf investiert, da
Joe Higgins vor wenigen Jahren seinen Platz im Dubliner
Abgeordnetenhaus verloren hatte. In der Republik Irland erhielt die SP
allerdings gesamt nur rund 2,5% der Stimmen.
Aus Sicht der Anti-Lissabon-Kampagne ist der Wahlsieg von Higgins
erfreulich. Es wird nun moeglich sein ihm als Gesicht der
Nein-Kampagne anstelle des konservativen Millionaers Declan Ganley zu
positionieren.
Ganley, der fuer die Nein-Kampagne im Fruehjahr eine Gruppierung
namens Libertas gruendet hat, war in einem Spendenskandal verwickelt
und verfolgte mit "seiner" Nein-Gruppierung reaktionaere,
grossbuergerliche Interessen. Dadurch wurde die gesamte
fortschrittliche Nein-Kampagne von den Medien in ein rechtes,
konservatives Bild gestellt.
Bei Joe Higgins wird das nun nicht der Fall sein koennen. Irland
muss - voraussichtlich Ende Oktober - neuerlich ueber den
Lissabon-Vertrag abstimmen, obwohl im Juni 2008 die Bevoelkerung sich
bereits gegen den Vertrag entschieden hat.
Ganley und seine Partei Libertas war neben den Provies der zweite
grosse Verlierer der EU-Wahl. Die Partei erhielt keinen einzigen
Abgeordneten in Irland. Ganley erklaerte nun, sich aus der Politik
zurueckziehen zu wollen. Insgesamt erhielt Fine Gael vier Sitze,
Fianna Fáil und Labour je drei. Die regierende Gruene Partei bekam
lediglich 2,5% der Stimmen.
In Nordirland konnte Provisional Sinn Féin den Sitz von Barbara DeBrún
im Europaeischen Parlament verteidigen.
Fazit
Rhisiart Tal-e-bot, der Generalsekretaer der Celtic League (Keltische
Liga) betonte, dass es bemerkenswert sei, dass in zwei der drei
Staaten, wo keltische Laender Teile sind, die regierenden Parteien
hohe Verluste einstecken mussten. Nur in Frankreich gab es
Stimmengewinne fuer Sarkozys regierende UMP.
"Die progressiven Nationalisten in den keltischen Laendern koennen im
grossen und ganzen mit ihrem Ergebnis zufrieden sein", so Tal-e-bot.
Doch es muesse auch gesehen werden, dass die extreme Recht im
britischen Staat grosse Gewinne machen konnte. In Frankreich verlor
die Front Nationale von Le Pen an die UMP von Praesident Sarkozy, die
selbst aber eine weit rechte konservative Politik macht.
Fuer die grossen Parteien SNP und Plaid Cymru gaebe es gute
Moeglichkeiten, falls es aufgrund der Krise von Labour zu Neuwahlen
komme. Auch Mebyon Kernow koenne bei baldigen Neuwahlen vor allem auf
Stimmen der Liberaldemokraten hoffen, glaubt Tal-e-bot.
Er erklaerte weiter: "In der Bretagne zeigte die UDB, dass sie faehig
ist, das franzoesische System herauszufordern und so kann sie von
einer weiteren engen Zusammenarbeit mit den Buendnispartner in Zukunft
sehr profitieren. Auch die Parti Breton hat gezeigt, dass sie auf
allen Ebenen Wahlen schlagen kann und erhielt im Wahlkampf europaweite
Beachtung. Es gibt wenige Zweifel, dass auch sie noch staerker werden
wird."
Republican Sinn Féin lehnt seit 1973, dem Jahr des irischen
EU-Beitritts, die EU als Ganzes ab. Die Partei sieht darin ein
undemokratisches Projekt, das einzig dem Ziel dient, Europa als
imperialistische Macht auf Kosten der Bevoelkerung zu staerken.
Demnach tritt RSF auch nicht zu EU-Wahlen an. (gek.)
Originaltext:
http://irish-solidarity-vienna.blogspot.com/2009/06/ergebnisse-der-eu-wahlen-2009.html
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