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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. Juni 2009; 17:19
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Initiativen:
> Internationaler Hurentag
2009 auch in Linz und Wien
Am 2. Juni 2009 kam es weltweit zu Protesten fuer die Rechte von
Sexarbeiter Innen. Im folgenden Informationen zu Hintergruenden,
aktuellen Entwicklungen sowie neuen und alten Gesetzen.
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Die Aktionen zum Internationalen Hurentag in Linz und Wien standen im
Zeichen zunehmender Repressionen gegenueber SexarbeiterInnen:
willkuerliche Anzeigen, unverhaeltnismaessige Pauschalbesteuerungen,
Abschiebungen und Freierbestrafungen verstaerkten die prekaeren
Arbeits- und Lebensbedingungen von SexarbeiterInnen und verdeutlichten
die staendige Abwertung, mit der ihnen und ihrer Arbeit begegnet wird.
Gesetzesaenderung in OOe
Mehrere Organisationen, darunter maiz (Linzer Migrantinnen-Zentrum),
kritisieren die geplanten Aenderungen des Prostitutionsgesetzes in
Oberoesterreich. Ihnen zufolge wird dieses Gewerbe immer noch
kriminalisiert. Am 2. Juni gab es eine Protestaktion mit
Infomittagstisch in der Linzer Altstadt. In einem Bericht in Die
Standard wird die geplante Gesetzesaenderung in Oberoesterreich als
"negatives Beispiel" genannt. Der vorliegende Entwurf uebt sich einmal
mehr in Beschraenkung und Kontrolle. "Anstatt zu entstigmatisieren und
klare positive Orientierungspunkte anzubieten, ergeht sich das Gesetz
in unuebersichtlichen Verbotsbestimmungen, die den Behoerden,
Gemeinden und sogar BordellbetreiberInnen einen zu weiten
Interpretationsspielraum eroeffnen", meint maiz und fordert einen
sachlichen Umgang mit dem Thema: "Der Gesetzgeber muss hier seine
Verantwortung wahrnehmen. Es ist an der Zeit, Sexarbeit zu
entstigmatisieren und zu entkriminalisieren sowie die Beschaeftigten
in der Sexarbeit als DienstleisterInnen anzuerkennen, um gegen die
extreme Prekarisierung und Diskriminierung in diesem Bereich
vorzugehen."
Die Organisationen betonen anlaesslich des Hurentags ihre
langjaehrigen Forderungen, von der Entkoppelung des Regelungsbereichs
der Prostitution aus den Sitten- bzw. Anstandsnormen bis zur
Legalisierung der Sexarbeit als Erwerbstaetigkeit und entsprechenden
fremdenrechtlichen Aenderungen."
Sex = Arbeit
Eines der wichtigsten Themen ist die Abschaffung der gesetzlich
festgelegte "Sittenwidrigkeit" sowie die Abschaffung der
Zwangsuntersuchungen. Zahlreichen Organisationen kaempfen seit Jahren
fuer eine Streichung der entsprechenden Paragraphen aus den
Prostitutionsgesetzen - die in Oesterreich auf Landesebene geregelt
werden. Im AIDS-Gesetz und Geschlechtskrankheitengesetz sind
amtsaerztliche Untersuchungen fuer SexarbeiterInnen vorgeschrieben:
Sie muessen sich woechentlich einer Gesundenuntersuchung unterziehen
und mindestens alle drei Monate einen Aidstest machen. In Wien erfolgt
diese Untersuchung durch das STD-Ambulatorium (MA 15).
Die Ausuebung von Sexarbeit ist jedoch nicht nur mit einer
entwuerdigenden zwangsweisen Untersuchung verbunden. Die
Prostitutionsgesetze, die in Oesterreich auf Landesebene geregelt
werden, schreiben zahlreiche Restriktionen vor. Darueber hinaus
kaempfen zahlreichen Organisationen seit Jahren fuer eine Abschaffung
der "Sittenwidrigkeit". Vor einem Jahr wurde von PolitikerInnen und
Parteien so getan, als seien sie bereit, entsprechendes zu
veranlassen. Im Juni 2008 wurde ein Bericht des "ExpertInnenkreis
'Prostitution' im Rahmen der Task Force Menschenhandel"
veroeffentlicht, in dem zu lesen ist:
"Im Zivilrecht gibt es keine ausdruecklich die Prostitution
betreffende Regelung. Die Aussagen der Rechtsprechung ergeben sich
vielmehr aus allgemein gehaltenen Regelungen. In seiner zu
Entgeltforderungen von Prostituierten und des Betreibers eines
"Etablissements" ergangenen Entscheidung 3 Ob 516/89 hat der Oberste
Gerichtshof (OGH) Vertraege, die sexuelle Dienstleistungen gegen
Entgelt zum Inhalt haben, als sittenwidrig qualifiziert." Diese
Judikatur kann "als Entwuerdigung der Sexdienstleisterin verstanden
werden und blendet die Rolle des Kunden als "Nachfrager" dieser
Dienstleistungen und dessen Verantwortung aus."
SexarbeiterInnen muessen sich einer regelmaessigen Zwangsuntersuchung
unterziehen, ihre Arbeit ist aber nicht als Erwerbsarbeit mit den
entsprechenden Rechten anerkannt. Der Abschluss von rechtswirksamen
Vertraegen ueber sexuelle Dienstleistungen mit Koerperkontakt ist
nicht zulaessig und somit koennen keine Rechtsansprueche bei Entgang
des vereinbarten Honorares gesetzt werden. In Oesterreich besteht
keine Moeglichkeit, als Sexarbeiter_in in einem freien
Dienstverhaeltnis (als "freieR DienstnehmerIn") oder einem
Angestelltenverhaeltnis zu arbeiten. Dies wird als "sittenwidrig" bzw.
als "Zuhaelterei" betrachtet, welche strafbar ist. SexarbeiterInnen
gelten als "Neue Selbstaendige" und muessen dementsprechend Steuern
bezahlen. Eine schikanoese Massnahme der Behoerden ist eine
Pauschalbesteuerung, die mit dem realen Einkommen vieler
SexarbeiterInnen in keiner Relation steht. Die Situation von
SexarbeiterInnen ist gezeichnet von prekaeren Arbeitsbedingungen.
Aufgrund der von einer Doppelmoral gepraegten Regelungen verfuegen
viele SexarbeiterInnen ueber keine entsprechende soziale und
gesundheitliche Absicherung.
Der MinisterInnenrat hat oben genannten Bericht, in dem eine Aenderung
der gesetzlichen Bestimmungen empfohlen wird, zwar im Maerz 2009
angenommen, doch ist von einer baldigen Streichung der
Sittenwidrigkeit keine Rede mehr. Stattdessen wurde eine Arbeitsgruppe
eingerichtet, die sich bis 2011 mit dem Thema beschaeftigen und neue
Vorschlaege erwarbeiten soll. Waehrend die PolitikerInnen die
rechtliche Gleichstellung auf die lange Bank schieben, verschaerfen
die Behoerden das Vorgehen gegen die als "unmoralisch" angesehene
Taetigkeit.
Die KIAB (amtliche "Kontrolle Illegaler Auslaenderbeschaeftigung")
fuehrt regelmaessig Kontrollen in Zusammenarbeit mit der Polizei
durch. Dabei werden LokalbetreiberInnen - obwohl sie gar keine
SexarbeiterInnen beschaeftigen duerfen - wegen Verstosses gegen das
AuslaenderInnenbeschaeftigungsgesetz angezeigt. Vor allem Angehoerigen
aus den neuen EU-Laendern wird unterstellt, es liege ein
Angestelltenverhaeltnis vor. Hintergrund ist, dass in Oesterreich nach
wie vor StaatsbuergerInnen der "neuen EU-Laender" vom Zugang zum
Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind die Behoerden hier eine Moeglichkeit
gefunden haben, SexarbeiterInnen zu schikanieren, obwohl diese ihre
Taetigkeit den geltenden Gesetzen entsprechend ausueben. Denn die
selbstaendige Taetigkeit ist von der rassistischen Ausgrenzung vom
Zugang zum Arbeitsmarkt nicht betroffen.
In letzter Zeit werden auch zunehmend Freier kriminalisiert. So wurden
im Zuge von Razzien im Stuwerviertel, die sich laut Polizeiangaben und
Medienberichten meist "gegen illegale Prostitution" richten, schon
mehrere Freier wegen "Anbahnung in Verbotszonen" angezeigt. Das Wiener
Prostitutionsgesetz schreibt vor, dass Ausuebung und Anbahnung von
Sexarbeit in der Oeffentlichkeit innerhalb eines mit 150 Metern
festgelegten Umkreises von "besonders schuetzenswerten Personen"
verboten sind. Lokale, die sich an einem "schuetzenswerten Ort"
befinden, werden behoerdlich geschlossen.
Aktionstag in Wien
An der Kundgebung in Wien beteiligten sich mehrere Organisationen.
Neben LEFOe und sexworker.at waren auch die Gruenen mit einem
Infotisch anwesend. Die Aktionen von LEFOe zum internationalen
Hurentag werden bereits seit sieben Jahren organisiert. Die ersten
beiden Jahre fanden Kundgebungen beim Westbahnhof statt, seither am
nicht weit davon entfernten Urban Loritz Platz vor der staedtischen
Hauptbuecherei.
Das Interesse der PassantInnen fuer die Anliegen von SexarbeiterInnen
hat sich der Wahrnehmung einer der Beteiligten zufolge in diesem Jahr
verringert. Trotzdem wurde die Aktion als gelungen bezeichnet. Die
Botschaft kam bei den im Laufe des Nachmittages vorbeikommenden
Personen an. Zahlreiche Flugblaetter wurden verteilt und mehrere
PassantInnen diskutierten mit AktivistInnen. Ausserdem gab es
Redebeitraege und ein Live-Konzert von msCHRA & msMUTT*.
Am Abend wurde vom Stuwerkomitee ein Open Air Kino im Stuwerviertel
organisiert. Gezeigt wurde der Dokumentarfilm "Frauen am Strich" (A
1980, Projektgruppe Videoschluchten).
Die Proteste in Linz und Wien waren nur einige von vielen Aktionen,
die jedes Jahr am 2. Juni stattfinden.
(no-racism.net/bearb.)
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Quelle: http://no-racism.net/article/2971
Organisationsplattform von SexarbeiterInnen: http://sexworker.at/
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