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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. Juni 2009; 17:18
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Polizei/Justiz:
> §278a und kein Ende
Polizei und Staatsanwaltschaft wollen die oesterreichische 
Tierrechtsszene zerschlagen -- bislang duerften sie aber immer noch 
nicht genug Beweise haben, um sich ein gerichtliches Hauptverfahren zu 
trauen. Deswegen wird munter weiter unter- und durchsucht.
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Zweieinhalb Jahre Ermittlungsmassnahmen mit 26 Hausdurchsuchungen sind 
offenbar noch nicht genug. Nun initiierte die Staatsanwaltschaft Wr. 
Neustadt 3 weitere Hausdurchsuchungen. Betroffen waren ein 
Tierschuetzer, dessen selbe Wohnung bereits im Mai 2008 durchsucht 
worden war, sowie seine Mutter und sein Vater -- der kuerzlich 
Selbstmord begangen hatte. In der Wohnung des Toten wurde nach Angaben 
einer Aussendung des "Vereins gegen Tierfabriken" (VgT) allerdings 
nichts beschlagnahmt. Das meiste Inventar sei sowieso bereits als 
Erbmasse entfernt worden. Laut VgT nahm die Polizei aus den beiden 
anderen Wohnungen 5 Film-DVDs, 3 externe Computerfestplatten, 4 alte 
Computer, ein Handy und eine Speicherkarte mit.
Aus Protest gegen diese Aktion der "SOKO Pelztier" und der 
Staatsanwaltschaft hatten sich, noch bevor die Polizei eindringen 
konnte, spontan 60 TierschuetzerInnen vor der Wohnung des Betroffenen 
eingefunden und den Eingang durch Niedersetzen blockiert. Nach einigen 
Stunden entfernte die Polizei die TierschuetzerInnen, indem sie sie 
wegtrug. Anschliessend wurde eine Tierschuetzerin kurzfristig 
festgenommen und auf die Polizeistation gebracht, weil sie sich nicht 
ausweisen konnte.
VgT-Obmann Martin Balluch reagierte per Aussendung ziemlich fuchtig: 
"Das schlaegt wirklich dem Fass den Boden aus! Was passiert hier 
eigentlich? In welchem Land leben wir? Es reicht! Man hat keine 
Beweise fuer Straftaten, man moechte aber allen TierschuetzerInnen 
klar vor Augen fuehren, dass jederzeit ueberall Hausdurchsuchungen 
stattfinden koennen. Der Tierschutz soll permanent in Angst gehalten 
werden. Normalerweise nennt man so etwas Terror!"
Vorgeworfen wird dem Tierschuetzer, dessen Wohnung durchsucht worden 
war, im vergangenen Dezember einen Saeureanschlag auf ein 
Lederwarengeschaeft in Passau veruebt zu haben. Nach Angaben der 
Polizei haette man deswegen auch nach entsprechenden Chemikalien 
gesucht.
Die Durchsuchungen fand am 10.Juni statt, genau an dem Tag, fuer den 
ein internationaler Solidaritaetsprotesttag gegen die Verfiolgung der 
Tierrechtler angesetzt war -- bei mindestens 16 oesterreichischen 
Auslandvertretungen soll es Kundgebungen gegeben haben.
40 Verdaechtige
Tatsaechlich weiten sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft immer 
mehr aus: Insgesamt 40 Personen stehen jetzt angeblich im Verdacht, im 
Sinne des umstrittenen Paragrafen 278a StGB eine mafiaaehnliche Gruppe 
gegruendet zu haben. Die bislang oeffentlich bekannten Beweise sind 
eher duerftig und man verlegt sich auf das Konstruieren von 
Tatbestaenden -- so hatte die Polizei sogar eine Ankuendung an eine 
Baeckereikette, man werde ihren Namen unruehmlich bekannt machen, wenn 
sie nicht aufhoere, Eier aus Kaefighaltung zu verwenden, als 
"Erpressung" qualifiziert.
Einer der verdaechtigen Gruppen wurde auch vorgeworfen, sie 
"ueberfielen" Tiertransporte -- was die Polizei selbst zu 278a-Taetern 
machen wuerde, denn die Gruppe arbeitet mit Anzeigen, um die 
zustaendigen Kontrollore dazu anzuhalten, die Transporte zu 
ueberpruefen -- und manchmal schreiten die Beamten sogar wirklich ein.
Ansonsten ist in den Polizeiberichten hauptsaechlich davon die Rede, 
wer wen gekannt habe oder haben soll -- fuer den 
"Organisationsparagraphen" 278a erscheint das schon ausreichend. Auch 
das Sammeln von Medienberichten ueber illegale Aktionen wuerde darauf 
hinweisen, dass die Delinquenten an diesen Aktionen beteiligt gewesen 
waeren. Gallionsfigur Martin Balluch waere ausserdem in 
Grossbritannien wegen einer Tierschutzaktion zu 2 Jahren Haft auf 
Bewaehrung verurteilt worden -- da waers halt gut, wenn man Englisch 
koennt: Die Strafregisterbescheinigung aus dem Vereinigten Koenigreich 
bescheinigt eine Verurteilung Balluchs zu einer geringen Geldstrafe, 
bedingt nachgelassen auf 2 Jahre. Die Polizei uebersetzte, er waere zu 
2 Jahren Haft auf Bewaehrung verurteilt worden...
Letztlich haette Balluch Beschuldigten Tips gegeben, im Falle der 
Einvernahme durch die Polizei die Aussage zu verweigern oder zu 
luegen -- das entspricht zwar den Tatsachen, ist aber keine strafbare 
Handlung, sondern das verbriefte Recht eines jeden Beschuldigten.
Vereine in Bedraengnis
Neben der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft interessiert sich 
ploetzlich auch die Finanz fuer den VgT. Denn der VgT hat sich dafuer 
bezahlen lassen, Eierlieferanten auf ihre Hennenfreundlichkeit zu 
ueberpruefen und ihnen einen Guetesiegel zu geben -- das stuende so 
nicht als Vereinszweck in den Statuten und deswegen wuerde jetzt 
geprueft, so die Finanz. Auch die Aberkennung des Status als 
gemeinnuetziger Verein steht damit im Raum. Laut "Standard" daechte 
man beim VgT ueber Liquidierung und Neugruendung des Vereins nach.
Auch andere Vereine aus diesem Bereich waeren durch die staatlichen 
Massnahmen schwer geschaedigt, schreibt der "Standard": "Die 
Basisgruppe Tierrechte (BaT), jener Verein, dem sich fuenf der 
Aktivisten zugehoerig fuehlten, ist mittlerweile nicht mehr aktiv." 
Das allerdings will die BaT auf sich nicht sitzen lassen. Auf Anfrage 
der akin meinte ein Sprecher: "Erst im Mai haben wir z.B. die 
Liberation Days veranstaltet. Auch sonst machen wir noch immer 
Infotische." Ende Juni werde wie fast jeden Monat das "Antispe Cafe" 
veranstaltet und erst dieses Wochenende waere wieder eine Sendung der 
BaT auf Radio Orange gelaufen: "Also eh einiges, fuer eine Gruppe, die 
nicht mehr aktiv sein soll."
-br-
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