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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 26. Mai 2009; 17:26
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Kapitalismus:
> IKEA: Keine Gewerkschaften!
"Arbeitest du noch oder schuftest du schon?"
Das schwedische Moebelhaus ist wieder einmal wegen seiner unmoeglichen 
Arbeitsbedingungen im Gerede.
Billig, praktisch, modern! Bei IKEA sind alle gleich: Hier duzen wir 
uns. Die Schattenseiten des Billig-Einkauf-Vergnuegens tauchen aber 
immer wieder in den Medien auf: 2003 liess eine niederlaendischen 
Gewerkschaft die Arbeitsbedingungen bei Ikea-Zulieferbetrieben in 
Indien, Bulgarien und Vietnam pruefen -- Ergebnis: 7-Tage-Woche, 
Hungerloehne, Gewerkschaftsverbot. 2006 bestaetigten Reporter von Le 
Monde Diplomatique, dass sich in den Betrieben seither nichts 
geaendert hat. Der IKEA-eigene Verhaltenskodex fuer Zulieferbetriebe 
namens "Iway" war dort immer noch nicht das Papier wert, auf dem er 
geschrieben steht. 2008 berichtete das ZDF von katastrophalen 
Zustaenden auch in deutschen Verkaufsfilialen -- natuerlich wurde dort 
nicht das Niveau von Billiglohnlaendern erreicht, aber immerhin sind 
die Methoden, wie man Betriebsraete entsorgt, auch in Mitteleuropa 
schon recht ausgefeilt.
Der schwedische Moebelriese kontert bei solchen Vorwuerfen meist 
damit, dass alles uebertrieben sei, man aber der Sache nachgehen werde 
oder -- wenns ganz dick kommt --, dass man sich bessern werde. Man 
signalisiert auch die totale Offenheit und laedt beispielsweise am 
5.Juni "alle interessierten Besucher" in die deutschen Filialen ein, 
"einen Blick hinter die Kulissen zu werfen." Allerdings sind das dann 
offensichtlich nur die Kulissen vor den anderen Kulissen: "Auf einem 
Hausrundgang erfaehrst du alles ueber die IKEA-Umweltarbeit, unser 
Entsorgungsmanagement und unsere Produkte, mit denen Du Energie und 
wertvolle Ressourcen sparen kannst."
Tuerkische Bettwaesche zum Wohlfuehlen
Was man auf diesen Rundgaengen nicht wird sehen koennen, sind z.B. 
auch die Arbeitsbedingungen in einem tuerkischen Zulieferbetrieb, 
ueber die jetzt die Clean Clothes Kampagne (CCK) berichtet. Denn in 
den letzten Jahren starben vier ArbeiterInnen bei arbeitsbedingten 
Unfaellen in der Menderes-Fabrik in der Suedost-Tuerkei. Hier laesst 
IKEA Bettwaesche produzieren.
Am 20. November 2008 verunglueckte ein Arbeiter toedlich, als er in 
den Lueftungsschacht einer Kohleheizung fiel. ArbeitskollegInnen 
berichten: "Der Unfall haette verhindert werden koennen - wenn die 
vorgeschriebenen Sicherheitsmassnahmen eingehalten worden waeren." 
Doch damit nicht genug: Die Geschaeftsfuehrung von Menderes Tekstil 
wies drei Arbeitskollegen daraufhin an, den Koerper des Unfallopfers 
aus dem Schacht zu holen -- wieder ohne jegliche 
Sicherheitsvorkehrungen. Die drei erlitten Vergiftungen und mussten 
sofort ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Bereits im Maerz 2008 schlossen sich ArbeiterInnen der tuerkischen 
Textilgewerkschaft TEKSIF an: Sie wollten sich gegen die schlechten 
Arbeitsbedingungen wehren. Doch bei dem Wort "Gewerkschaft" sieht IKEA 
bekanntlich rot: Die Menderes-Geschaeftsfuehrung drohte den 
GewerkschafterInnen mit Versetzungen und Entlassungen. Nicht nur 
moralisch, sondern auch juristisch gesehen kriminell, denn in der 
Tuerkei ist gewerkschaftliche Organisation erlaubt und Drohungen gegen 
Gewerkschaftsmitglieder sind strafbar. Doch der IKEA-Zulieferbetrieb 
liess weitere Taten sprechen. Zahlreiche Gewerkschaftsmitglieder, die 
der Gewerkschaft treu blieben, verloren ihre Arbeit. Sie legten 
Beschwerden beim tuerkischen Arbeitsgericht ein - daraufhin entliess 
die Menderes-Geschaeftsfuehrung deren Familienangehoerigen.
190 Tage Demonstrationen
In Oesterreich gilt es bereits als Erfolg, wenn an einem Tag im Mai 
Menschen fuer ihre Arbeitsrechte auf die Strasse gehen. In der Tuerkei 
demonstrierten die ArbeiterInnen der Menderes-Textil-Fabrik ab August 
2008 ganze 190 Tage lang vor ihrem (teils ehemaligen) Arbeitsplatz. 
Sie forderten die Anerkennung der Gewerkschaft und Verhandlungen mit 
der Fabriksleitung. Die Geschaeftsfuehrung von Menderes-Tekstil 
weigerte sich. Ihre Taktik setzt weiterhin auf Diskriminierung der 
GewerkschafterInnen.
IKEA weiss seit Monaten von den Verstoessen in der Fabrik. Weitere 
Einkaeufer in der Menderes Fabrik sind u.a. der deutsche Textilversand 
Otto sowie die franzoesische Gruppe Carrefour und das amerikanische 
Unternehmen Wal-Mart. "Die CCK hat alle Einkaeufer kontaktiert, um die 
Konflikte in einem Dialog zu loesen", berichtet Michaela Krimmer von 
der CCK Oesterreich. "Allerdings haben sie die Verstoesse entweder 
abgestritten oder weitere Untersuchungen gefordert, aber keine 
konkreten Schritte zur Beendigung der Arbeitsrechtsverletzungen 
eingeleitet. Deshalb muessen wir nun die Oeffentlichkeit zum Protest 
aufrufen."
Denn mit anderen Mittel ist sobald kein Fortschritt zu erzielen: Acht 
illegal entlassene ArbeiterInnen haben ihren Fall bereits vor das 
tuerkische Arbeitsgericht gebracht. Ergebnisse koennen sich jedoch 
ueber Jahre hinauszoegern. Die Muehlen der Justiz mahlen langsam.
Eine Untersuchung, die IKEA auf internationalen Druck hin in Auftrag 
gegeben hatte, habe ergeben, so die Konzernleitung, dass bei Menderes 
keine systematischen Arbeitsrechtverletzungen vorlaegen. Allerdings 
hat IKEA den Bericht bisher nicht veroeffentlicht. Die CCK zweifelt an 
der Glaubwuerdigkeit dieser Untersuchung und fordert IKEA auf, gegen 
die Gewerkschaftsdiskriminierung vorzugehen. Die Situation bei 
Menderes verstosse eindeutig gegen Iway.
Unter dem verfremdeten Werbeslogan "Arbeitest du noch oder schuftest 
du schon?" will die CCK jetzt mit Protesten von Privatpersonen IKEA 
zum Handeln draengen.
(CCK/akin)
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Da Protest-Emails mittlerweile nicht mehr zugestellt werden, ruft die 
CCK jetzt zum Protest mittels gutem alten Papierbrief oder Fax auf. 
Einen Briefvortschlag gibt es unter 
http://www.cleanclothes.at/start.asp?ID=228035
Adresse: PR Ikea Oesterreich, Barbara Riedl c/o IKEA 
Vermoegensverwaltung GmbH, SCS Buerocenter B4, 2334 Voesendorf; FAX: 
01/69000 - 16581
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