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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 19. Mai 2009; 18:26
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Peru:

> Armee verteidigt Oelkonzerne

Nach Protesten indigener Gruppen wurde im Norden des Landes der
Ausnahmezustand verhaengt.
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Soziale Proteste indigener Gruppen in Peru haben in den letzten Tagen
deutlich an Staerke gewonnen, nachdem die Regierung in vier
noerdlichen Provinzen den Ausnahmezustand erklaert hat. Praesident
Alan García reagierte damit auf Massenkundgebungen gegen die
Ausbeutung der Erdoel und Erdgas-Vorkommen durch auslaendische
Konzerne. Die Nachkommen der Ureinwohner verweigern den Unternehmen
den Zugang zu ihren angestammten Gebieten. In Peru leben rund 370.000
Angehoerige indigener Gruppen.

Nach einem Monat permanenter Proteste hatte García am 9.Mai per Dekret
den Ausnahmezustand fuer die noerdlichen Provinzen Amazonas, Loreto,
Ucayali und Cusco erklaert. In den vier Regionen wurden damit fuer
zunaechst 60 Tage zahlreiche Grund- und Buergerrechte wie das
Versammlungsrecht, die Reisefreiheit oder die Unverletzbarkeit der
Wohnung ausser Kraft gesetzt. Kurz zuvor hatte die Armee eine Blockade
zweier Fluesse gewaltsam aufgeloest, um einen Oeltanker des
franzoesisch-britischen Unternehmens Perenco passieren zu lassen.

Tausende Mitglieder indigener Gruppen demonstrieren nicht nur fuer ein
Ende des Ausnahmezustandes, der mit einer Mobilisierung der Armee
einherging. Ihr Protest zielt in erster Linie auf eine Ruecknahme
mehrerer Gesetze ab, die ihrer Meinung nach die Nutzungsrechte am
Boden verletzten. Einer der Dachverbaende, die AIDESEP, verwies in den
vergangenen Wochen wiederholt auf eine Resolution der Internationalen
Arbeitsorganisation ILO. Das Uebereinkommen Nummer 169 aus dem Jahr
1989 raeumt indigenen Gruppen bei der Ausbeutung natuerlicher
Ressourcen in ihren Gebieten Mitbestimmungsrechte ein. Peru hatte die
Konvention im Jahr 1994 ratifiziert.

Die Regierung spricht den indigenen Einwohnern ihre Rechte dennoch ab.
"Nach der Verfassung gehoert der Boden allen Peruanern", wird
Umweltminister Antonio Brack Egg von der deutschen Nachrichtenagentur
dpa zitiert. Im Gegensatz zu anderen Staaten der Region garantiere die
Konstitution den Nachkommen der Ureinwohner in Peru keine besonderen
Befugnisse. Ein interessantes Argument, denn gerade die Aufnahme
dieser Ansprueche in die reformierten Verfassungen Boliviens,
Venezuelas und Ecuadors wird in der Region gemeinhin als Fortschritt
im Kampf gegen die ungehemmte Ausbeutung der Bodenschaetze gesehen.
Auch eine weitere Erklaerung der Regierung gegen die Proteste ist
fragwuerdig. Sie seien "politisiert", so der Umweltminister, weil die
Indigenenorganisationen Kontakt zu oppositionellen Politikern gehabt
haetten. Eine erstaunliche Erkenntnis.

Der Konflikt weist auf ein hintergruendiges Problem hin. Neben
Kolumbien und Mexiko ist Peru das letzte Refugium des Neoliberalismus
in Lateinamerika. In anderen Staaten der Region wurde die ungebremste
Ausbeutung der natuerlichen Ressourcen zugunsten der Entwicklung der
eigenen Wirtschaft gestoppt. Peru aber gehoert trotz eines immensen
Energieproblems nach letzten bekannten Daten zu den
Erdoel-Exportstaaten. Dass dies - und die repressive Politik der
Regierung García - im europaeischen Ausland nicht thematisiert wird,
hat ideologische Gruende. So erklaerte der deutsche
FDP-Bundestagsabgeordnete Florian Toncar noch zwei Tage vor der
Ausrufung des Ausnahmezustandes und der Entsendung der Armee gegen
Demonstranten in dem suedamerikanischen Land: "Die Regierung Perus
versucht, auf relativ pragmatische Weise die Herausforderungen des
Landes zu bewaeltigen."

Knapp eine Woche nach dem Aussetzen der Verfassungsrechte im Norden
des Landes hat sich die Lage nun deutlich verschaerft. Vor allem die
Mitglieder der Awajún-Gruppe gehen massiv gegen Polizei- und
Armeekraefte vor. Zuvor waren drei ihrer Mitglieder waehrend
Auseinandersetzungen verschwunden. Man erwarte, dass sie lebend wieder
auftauchen, sagte der Vorsitzende des Indigenen-Dachverbandes AIDESEP,
Alberto Pizango: "Wenn sie ermordet wurden, sind die Folgen nicht
abzusehen."
(Harald Neuber, 16.05., www.haraldneuber.de / bearb.)


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