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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 19. Mai 2009; 18:19
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Glosse/Kapitalismus:
> Die gemachte Krise
Das Gerede von der Finanzkrise ist der Versuch, von der permanenten 
Krisenhaftigkeit des kapitalistischen Wirtschaftssystems abzulenken. 
Statt unnuetze, allein auf Disziplinierung ausgerichtete Jobprogramme: 
Her mit mit dem bedingungslosen Grundeinkommen fuer alle!
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Die wirtschaftliche Realitaet zeigt: die Finanzkrise schlaegt immer 
staerker auf die Realwirtschaft durch und wird mehr und mehr zu einer 
grossen, langfristigen Wirtschafts- und in deren Folge zu einer fuer 
das System und die Menschen bedrohlichen Gesellschaftskrise. 
Arbeitslosigkeit, Lohnverlust, Kurzarbeit, tiefe Einschnitte in die 
Sozialsysteme sind aus Sicht der um ihre Profite fuerchtenden 
Unternehmen die alternativlosen, quasi natur-notwendigen Folgen. 
Beschraenkt auf die Finanzkrise sind die Erklaerungen einfach: die 
korrupten und gierigen ManagerInnen, die ueberforderten 
PolitikerInnen, das Bankensystem etc. sind schuld an der Krise.
Das alles ist aber nur Teil der Wahrheit, die Erscheinungsform wird 
als Ursache genommen. Wie waere es, wenn wir das einmal umgekehrt 
sehen wuerden: die realwirtschaftliche Verfassung des Systems: der 
gesellschaftliche Charakter der Produktion und die private Form der 
Aneignung der geschaffenen Werte sind die Ursachen, die Finanzkrise 
die logische Folgen einer realwirtschaftlichen 
(Ueberproduktions-)Krise, die ja dann nichts anderes waere als die 
typische Krise eines chaotischen Systems. Dann wuerden die angebotenen 
Konzepte zur Krisenueberwindung als das erkannt, was sie in 
Wirklichkeit sind: untaugliche Mittel, PR-Massnahmen zur 
Verschleierung des systemischen Ursachen, Vorbereitungen auf die 
naechste, noch groessere Krise durch weitere Verschaerfung des 
weltweiten Konkurrenzkampfes.
Nehmen wir es einmal klassisch: Krise als Widerspruch zwischen 
Produktion und Konsumtion, also Ausdehnung der Produktion im 
Profitinteresse und relativer Begrenztheit der zahlungsfaehigen 
Nachfrage, sowie als Widerspruch zwischen der planvollen Organisation 
der Produktion in den einzelnen Unternehmen und der Anarchie der 
Produktion in der gesamten Gesellschaft (national, international). 
Nach Marx draengen diese Krisen zu einer neuen geschichtlichen Gestalt 
der Produktion.
Um das zu vertuschen, lehrt uns die buergerlichen Oekonomie, die 
Politik und der Rattenschwanz der diensteifrigen JournalistInnen, dass 
eigentlich die KonsumentInnen schuld an der Krise seien, denn sie 
haetten "ueber ihre Verhaeltnisse" gelebt, haetten sich ueber Kredite 
immens verschuldet und koennten die Zinsen und Rueckzahlungenraten 
nicht mehr bedienen.
Nehmen wir den amerikanischen Haeusermarkt, der das alles ausgeloest 
haben soll: in den USA gibt es keinen sozialen Wohnbau sondern die 
Ideologie des privaten Eigentums erfordert auch das entsprechende 
Wohnungs- bzw. Hauseigentum. Wer nur mieten kann, der ist 
gesellschaftlich arm dran. Auf Grundlage eines derartigen 
gesellschaftlichen Zwangs zum Eigentum an Wohnraum und weil es kaum 
Alternativen dazu gibt, muessen sich Menschen und Familien gerade auch 
mit niedrigem Einkommen hoch verschulden. Gleichzeitig braucht die der 
kapitalistischen Produktionsweise geschuldete regelmaessig aufkommende 
Ueberproduktion eine alle oekonomische Vernunft verschlingende 
Absatzfinanzierung (-kreditierung). Nur so ist es erklaerbar, dass - 
wie allseits berichtet wird - trotz voellig mangelnder Sicherheiten 
KonsumentInnen kaufen koennen, weil sie auch kaufen muessen. Das 
Finanzkapital, der Zusammenschluss von Industrie-, Handels-, Banken- 
und Versicherungskapitals ermoeglicht/erzwingt das bei Strafe des 
eigenen Untergangs. Wenn jetzt von 2 - 3 Millionen Familien die Rede 
ist, die ihre Haeuser und Eigentumswohnungen verlieren (das wuerde zum 
Vergleich die gesamte oesterreichische Bevoelkerung betreffen) und 
wenn - angenommen - ein Haus einen Wert von $ 200.000 hat, dann 
bedeutet das allein auf dem Wohnungssektor uneinbringliche Kredite in 
Hoehe von $ 400 - $ 600 Milliarden. Welches Land koennte sich 
derartige Kreditierungen zur zwanghaften Ankurbelung der Produktion 
leisten, also zum Abbau von Ueberproduktion?
Die Buendelung und dann der internationale Verkauf dieser "faulen 
Kredite" war offenbar von Anfang an geplant, konnte aber laengere Zeit 
durch immer undurchsichtigere Finanzprodukte verschleiert werden. Dass 
die internationale Bankenwelt sich derartige Finanzprodukte andrehen 
liess, laesst die Vermutung zu, dass sie sehr genau Bescheid wusste. 
Sie wusste aber auch, wie sie aus der fuer sie laengst sichtbaren 
Krise nochmals ordentliches Kapital schlagen konnte und sie wollte das 
auch. Die banken haengten die horrenden Schulden den oeffentlichen 
Haushalten um. Erst ab hier, meine ich, spielt systembedingte Gier, 
Macht, Korruption und Bereicherung eine entscheidende Rolle. Die 
Verlagerung und Konzentration der Diskussion auf diesen Bereich und 
die Hervorhebung der Managereinkommen ist ein Ablenkungsmanoever. Ein 
System, das zum barbarischen Konkurrenzkampf jeder gegen jeden zwingt, 
braucht sich ueber derartige "Auswuechse" nicht zu wundern, sie sind 
Ergebnis und nicht Ursache.
Beschaeftigungsprogramme -- wofuer?
Wenn wir aber den Hauptgrund der Krise in der Realwirtschaft sehen, 
die dann ueber ein "faules" Finanzsystem wiederum die Ueberproduktion 
verstaerkte, dann fragt sich, ob die millardenschweren 
Stuetzungsmassnahmen fuer diejenigen, die das ganze zu verantworten 
haben -- Finanzmarkt und Industrie, zu rechtfertigen sind. Eigentlich 
ist gerade das das Bedrohliche in dieser sich noch ausweitenden Krise. 
Es ist doch offensichtlich, dass Politik, Wirtschaft und Medien, die 
das ganze als Massnahmen zur Stuetzung und Belebung der Konjunktur und 
damit zur Sicherung der Arbeitsplaetze verkaufen, Teil des Problems 
sind und sicherlich nicht dessen Loesung. Angesichts der riesigen 
Lagerbestaende an Autos, unverkaufbaren Haeusern und Waren, etc. von 
Konjunkturprogrammen zu sprechen, gleichzeitig aber nicht einen 
Gedanken fuer ausreichende materielle Grundsicherung der Menschen als 
die eigentlichen KonsumentInnen zu verschwenden, das muesste doch 
selbst fuer die glaeubigsten Anhaenger des System als ein unloesbarer 
Widerspruch erscheinen. Diese Wirtschaft und in ihrem Schlepptau die 
Politik wollen nur eines, diese Krise fuer eine bessere Positionierung 
im weltweiten Konkurrenzkampf nutzen, insbesonders durch massive 
Verbilligung der Ware Arbeitskraft.
Die einzigen Massnahmen zur Eindaemmung der Krise koennte doch nur 
sein, dem spekulativen Finanzkapital alle Mittel zu entziehen, das 
hiesse groesstmoegliche Besteuerung der Unternehmensgewinne, das 
hiesse, die Ausgaben fuer die Bevoelkerung in Bildung, Gesundheit, 
Wohnen, Kommunikation und Mobilitaet auf Kosten der 
Unternehmensgewinne zu steigern und das hiesse vor allem: Nachdenken 
ueber die Staerkung und Erneuerung des gemeinwirtschaftlichen Sektors. 
Wuerde die Politik in diese Richtung Massnahmen setzen, statt Banken 
und Unternehmen milliardenschwer zu beschenken, dann wuerden auch dem 
Finanzkapital die Mittel zur Spekulation entzogen. Jetzt spaetestens 
waere auch der Zeitpunkt gekommen, sich Gedanken ueber eine 
bedingungsloses Grundeinkommen fuer alle zu machen.
Das hiesse, ueber unsere Produktionsverhaeltnisse und ueber die 
Verteilung des Reichtums an Waren und Geld nachzudenken. Aber das 
hiesse auch, die Krise tatsaechlich als Chance fuer einen neuen 
geschichtlichen Ansatz fuer Produktion, Finanzierung und Verteilung zu 
begreifen. Es ist doch absurd, wenn bei einem derartigen Reichtum an 
Produktionsmitteln, an Kenntnissen und Fertigkeiten alle Faehigkeiten 
der heutigen Gesellschaften staendig abgewertet und stillgelegt 
werden, nur weil ein letztlich menschenunwuerdiges und untaugliches 
System lieber alles in den Abgrund mitreissen will, bevor es endlich 
von der historischen Buehne abtritt.
*Josef Iraschko*
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