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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. Mai 2009; 15:33
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  Wahlen/EU/Glosse:
  
  > Eine gescheiterte Recherche
  
  In der letzten Ausgabe der akin brachten wir eine Meldung ueber die 
  ueberwaeltigende Zustimmung des Europaeischen Parlaments zu einer 
  Entschliessung zur weiteren Militarisierung der EU. Ein Leser schrieb 
  uns daraufhin "Die `grosse Mehrheit` (Konservative, Sozialisten, 
  Pseudo-Liberale) ist mir voellig wurscht, was fuer mich zaehlt, sind 
  die ´gutmenschlichen Minderheiten`. Wie haben diese abgestimmt, z.B. 
  Gruene, andere Linke und derartiges? Gehe ich zur EU-Wahl, oder besser 
  doch nicht, weil's die selbe Scheisse ist?"
  
  Gute Frage! Denn genau das ist das Problem: Wenn ein Buerger wissen 
  will, wie die Abgeordneten seines Landes abgestimmt haben, kann er 
  sterben gehen. Waehrend das oesterreichische Parlament via 
  Parlamentskorrespondenz einigermassen transparent ist (wobei da auch 
  nur die Klubs beruecksichtigt werden, abweichende Voten einzelner 
  Abgeordneter -- bspw bei den Gruenen -- werden ueblicherweise nicht 
  verzeichnet), gibt es so etwas im EP nicht (oder so gut versteckt, 
  dass es der Verfasser nicht finden konnte). Im EP geht es nur um 
  Mehrheiten. Sind diese gegeben durch das gemeinsame geschlossene 
  Abstimmen der grossen Fraktionen, laeuft das Verhalten der anderen 
  unter "ferner liefen".
  
  Was man im Internet finden kann, sind manchmal einzelne 
  Kurzstatements, aber wenn die Abgeordneten, die einen interessieren, 
  kein Statement geliefert haben, kann man es vergessen. Eventuell, wenn 
  es einer Fraktion ganz wichtig ist, gibt es ein Extra-Statement, eine 
  dokumentierte Minderheitenansicht. Eine solche war im konkreten Fall 
  der Militarisierungsentschliessung von der GUE/NGL (Linke / Nordische 
  Gruene Linke) zu finden, die den Text klar verurteilte. Von der 
  Fraktion Gruene/EFA (das ist die Fraktion, in der die 
  oesterreichischen Gruenen organisiert sind) gibt es dazu nichts auf 
  den EU-Servern zu finden.
  
  Dann bleibt einem noch die Moeglichkeit, bei den jeweiligen Fraktionen 
  selbst nachzusehen -- auch da gilt: wenn die dazu kein Statement 
  abliefern, erfaehrt man nichts. Wie im konkreten Fall: Statements der 
  Gruenen/EFA zum Thema Militarisierung sind auf deren Internetsite eine 
  ziemliche Nullnummer.
Zuletzt waere dann noch das Mittel, die Abgeordneten konkret und 
  persoenlich selbst zu fragen -- das aber ist erstens recht aufwendig, 
  und zweitens sind die Antworten nicht sehr verlaesslich, da man auf 
  das Erinnerungsvermoegen resp. Sich-erinnern-Wollen der Abgeordneten 
  angewiesen ist.
  
  Ich schaetze mal, das ist -- neben den immer noch eher geringen 
  Entscheidungsmoeglichkeiten des Gremiums -- mit einer der Gruende, 
  warum die Berichterstattung ueber das EP auch in den grossen Medien 
  derart duerftig ist. Und dann jammern immer kurz vor den Wahlen die 
  Abgeordneten, niemand wuerde dem Parlament Aufmerksamkeit schenken...
  
  Und doch ist wenigstens ungefaehr die generelle Gretchenfrage: "Wie 
  haeltst du es mit dem Militaer?" beantwortbar. Von Herrn Voggenhuber 
  wissen wir, dass er stolz auf seine Mitautorenschaft bei der 
  EU-Verfassung ist. Und die beinhaltet nunmal die Militarisierung -- 
  linke Kritik daran bezeichnete er schon 2004 als "pseudoreligioese 
  Haltung". Peter Pilz erlaeuterte uns erst kuerzlich, dass wir uns 
  darueber freuen sollten, dass das oesterreichischen Bundesheer nun 
  wohl doch bald abgeschafft wuerde, weil es in der EU-Armee aufgeht. 
  Und das EU-Wahlprogramm der Gruenen kritisiert zwar bestimmte Teile 
  der Militaerpolitik, spricht sich aber auch nicht gegen das Konzept 
  der Battle Groups aus.
  
  Hans Peter Martin indes kritisiert zwar heftig alle 
  Militarisierungsplaene, aber ihm geht es dabei immer nur darum, dass 
  sich Oesterreich aus Neutralitaetsgruenden aus allem heraushalten 
  sollte -- dass die anderen EU-Staaten ueberall auf der Welt die 
  europaeischen Interessen mit Waffengewalt sichern wollen, scheint ihm 
  weniger ein Thema zu sein.
  
  Die KPOe ist wohl eindeutig gegen die Battle Groups und aehnliche 
  Konzepte -- aber diese Partei war im Europaparlament bisher nicht 
  vertreten, also kann man auch ueber deren realpolitisches Verhalten 
  noch weniger Aussagen als bei den anderen Fraktionen machen.
  
  Am 7.Juni werden wir zu den Urnen gerufen. Was wir dann wirklich 
  gewaehlt haben werden, wenn wir was gewaehlt haben, werden wir 
  vielleicht nie so ganz konkret erfahren.
  *Bernhard Redl*
  
  
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