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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 21. April 2009; 17:24
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Das Letzte:

> "Ich darf nicht hinein"

Das muessen sich die Verkaeufer des "Augustin" jetzt denken, wenn sie
vor dem Café Prueckel stehen. Das Traditionslokal duerfte damit
endgueltig als Treffpunkt der Boheme ausgedient haben. Robert Sommer
schrieb dazu im Augustin, Maerz 2009:

*

"Das Prueckel" zaehlt zur Crème de la Crème der Wiener
Traditionscafés. Zugleich gilt es als jenes Kaffeehaus, in dem vom
Geist der Gelassenheit, Weltoffenheit und Liberalitaet, die in der
Boheme der "Zwischenkriegszeit" seine angemessenste Verkoerperung
fand, am wenigsten zu spueren ist. Der Hinauswurf eines homosexuellen,
beim Kuessen ertappten Paares hatte vor Jahren zu einer Kuss-Demo im
Prueckel gefuehrt. Und seit kurzem ist beim Eingang zu lesen: "Aus
gegebenem Anlass duerfen keine Augustin- und andere Warenverkaeufer in
diesem Lokal ihre Waren verkaufen."

"Aus gegebenen Anlass verlege ich meinen heutigen Termin im Prueckel
ins Sperl", kommentierte ein irritierter Gast im "Online-Standard",
und er war nicht allein in seiner Kritik an der diskriminierenden
Vorgangsweise der Prueckel-Chefin Christl Sedlar. Immerhin ist das
zitierte Plakat das erste sichtbare Dokument der Ausgrenzung von
StrassenzeitungskolporteurInnnen, das der Redaktion bekannt ist. Der
Vorfall entbehrt nicht bitterer Ironie: Die Kaffeehaus-Institution am
Stubenring weist stolz auf seine Vergangenheit als Café des "Lieben
Augustin" hin. Unter diesem Namen eroeffnete Stella Kadmon im Jahr
1931 ihr literarisches Cabaret im Prueckel, das sich ab 1933
politisierte und 1938 von den Nationalsozialisten geschlossen wurde.

Vom "Standard" befragt, stellte die Prueckel-Chefin fest: In ihrem
Lokal entscheide sie nach eigenem Gutduenken, wer hereindarf und wer
nicht. Das sei ihr gutes Recht: "Ich habe gegenueber meinen Gaesten
eine Verantwortung. Diese fuehlten sich von Verkaeufern der
Obdachlosenzeitung Augustin gestoert." Jede halbe Stunde schneie ein
anderer, "zumeist angeheiterter" Obdachloser herein und versuche "auf
recht aufdringliche Weise", den Augustin unter die Leute zu bringen.

In der Internet-Diskussion melden sich auch Menschen zu Wort, die der
Prueckel-Chefin zustimmen. An sie adressiert ein Statement von Riki
Parzer im Namen der Augustin-VerkaeuferInnen und des
Sozialarbeits-Teams: "Rund 450 Kolporteurinnen und Kolporteure sind
mit dem Augustin unterwegs. Jede und jeder von ihnen erfaehrt beim
obligatorischen Antrittsgespraech, dass in Lokalen nur im
Einverstaendnis mit den Wirten bzw. Betreibern verkauft werden darf.
Inzwischen duerfte allgemein bekannt sein, dass die Zahl der nicht
registrierten Augustin-VerkaeuferInnen - ohne Ausweis oder mit
gefaelschtem - rapid steigt. Von unserem Vertriebsbuero kriegen sie
die Zeitungen jedenfalls nicht. Der Niedergang der Oekonomien mancher
osteuropaeischer Staaten wird das Problem wohl verschaerfen: Wir haben
Verstaendnis fuer den Ueberlebenskampf der ‚Armutspendler', auch wenn
ihre Taktik zum Anlass vieler Beschwerden geworden sind, die eine
Image-Krise des Augustin nach sich ziehen koennen. Wenn wir aber von
der Wirtin hoeren, nur jede halbe Stunde schneie ein Verkaeufer
herein, moechte ich dazu bemerken: Die immer noch reiche Stadt Wien,
die Wirtinnen, die Polizei und die Kaffeehausgaeste werden sich an die
zunehmende Sichtbarkeit des Skandals der Verarmung breiter Schichten
gewoehnen muessen ..."

Im Aushang werde nur der Augustin namentlich als unerwuenschte Ware
erwaehnt. Das weise auf Luecken des Antidiskriminierungsrechts hin:
Strassenzeitungsleute, Bettler und Obdachlose fehlten darin als
Subjekte des gleichen Rechtsanspruchs.

***

Anm.: Im zuletzt erschienen Augustin wurden weitere Proteste von
Stamm- resp. nunmehrigen Ex-Stammgaesten gesammelt. Ob dieses Schild
wirklich so eine gute Idee fuer die Kaffeesiederin war oder ob sich
jetzt dafuer die Touristen in einem "echten Wiener Kaffeehaus" wohler
fuehlen werden, bleibt abzuwarten.


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