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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 7. April 2009; 17:59
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Glosse:
> Die Freiheit, die ich kaufe
Seit Freitag ist es amtlich: Freiheit kann man kaufen im "Rechtsstaat" 
Oesterreich. Julius Meinl hat eine Kaution von 100 Millionen Euro 
hinterlegt und darf gehen. Unter angeblich scharfen Auflagen. Ein 
mutmasslicher Aber-Millionen-Dieb wird besser behandelt als jeder 
mutmassliche Ladendieb. Klassenjustiz pur.
Innerhalb weniger Stunden 100 Millionen Euro fluessig machen und aus 
dem Ausland ueberweisen lassen - laut oesterreichischer Justiz 
offenbar ein Beweis, dass ein Verdaechtiger nicht imstande sein wird, 
zu fluechten. Man koennte es auch anders sehen: Wer eine solche 
finanzielle Meisterleistung vollbringt, wer ueber derartig hohe 
liquide Mittel verfuegt, koennte problemlos eine Flucht in eine der 
zahlreichen Bananenrepubliken, Operettenstaaten oder Despotien 
organisieren, von wo aus er garantiert nicht ausgeliefert wird. Und 
dort ein im Vergleich zu Oesterreich kostenguenstiges Luxusleben 
fuehren. Dass er seinen Reisepass abgeben musste, duerfte angesichts 
eines problemlosen Zugangs zu Privatjets eine leicht ueberwindbare 
Huerde sein. Nebenbei: Welchen Pass hat das Gericht kassiert? Seinen 
oesterreichischen oder seinen britischen? Angesichts der 
Moeglichkeiten, die Geschaeftsleuten meist offenstehen, ist auch nicht 
auszuschliessen, dass ihm mehrere Exemplare ausgestellt wurden. Aus 
den Informationen, die von Amts wegen an die Oeffentlichkeit gingen, 
geht nicht hervor, dass diese Moeglichkeit in Betracht gezogen wurde. 
Das groesste Hindernis fuer eine unauffaellige Flucht ist Meinls 
Frisur. Mit der wuerde er ueberall auffallen. Andererseits: Ein Mensch 
der bereit ist, 100 Millionen fuer seine Freiheit zu opfern wuerde 
vermutlich auch zum Friseur gehen, wenn das notwendig waere. Unter der 
Voraussetzung, dass Meinl fliehen will. Will er nicht. Sagt er 
zumindest.
Auch Alfons Mensdorff-Pouilly ist aus der U-Haft entlassen worden. 
Gleich wie im Fall Meinl ist das angesichts der sonstigen Praxis in 
Oesterreich hoeflich formuliert skandaloes. Oesterreichische Gerichte, 
zumal das Wiener Landesgericht, konstruieren im Allgemeinen aus den 
absurdesten Voraussetzungen Fluchtgefahr, die einer der moeglichen 
Gruende fuer U-Haft ist. Mensdorff-Pouilly besitzt Anwesen und 
Grundstuecke in mehreren Laendern und verfuegt ueber hervorragende 
Kontakte in die halbe Welt. Und, geht man davon aus, dass die 
Korruptions- und Geldwaeschevorwuerfe stimmen, wird unter den 
Kontakten wohl der eine oder andere Mensch sein, der den Verdaechtigen 
schon aus Eigennutz beherbergen wuerde. Mensdorff-Pouilly und Meinl 
verfuegen ueber eine Vielzahl von Moeglichkeiten, sich abzusetzen, 
sofern sie das wollen. Als Fluchtgefahr kann man das allemal sehen.
Bei Menschen, die ueber keine Fluchtmoeglichkeiten verfuegen, urteilt 
gerade das Landesgericht Wien wesentlich strenger. Ein Asylwerber, der 
eines Ladendiebstahls verdaechtigt wird, wandert schnell ein paar 
Monate in U-Haft. Selbst wenn der inkriminierte Schaden nicht einmal 
50 Euro betraegt. Alles schon da gewesen. Das der Mensch vielleicht 
aus Geldnot gestohlen hat, dass es ihm diese Geldnot unmoeglich machen 
koennte, auch nur bis Linz oder Budapest zu kommen, kommt einem 
U-Richter nicht in den Sinn. Fluchtgefahr und ab in den Bau.
Dass Klassenjustiz vorliegt, laesst sich auch mit einem vermeintlich 
aehnlichen Fall beweisen. Helmut Elsner sitzt nach wie vor in U-Haft. 
Das Arbeiterkind gilt auch nach einer schweren Herzoperation, nach der 
eines seiner Beine anschwillt, als hoechst fluchtwillig. Er wurde 
aufgrund politischen Drucks und nach einer Hetzkampagne in den Medien 
verhaftet. Elsner wurde von seiner Richterin, der heutigen 
Justizministerin, Claudia Bandion-Ortner, juristisch de facto 
hingerichtet. Der Prozess gegen ihn war gemessen an den Strafen seiner 
Komplizen eine Farce. Zwischen Strafmass und sozialer Herkunft laesst 
sich eine eindeutige Relation herstellen. Meinl und Mensdorff-Pouilly, 
beide nicht (mehr) die Sympathietraeger der Nation, haben 
hervorragende Kontakte in die "feine" Gesellschaft und in die Politik. 
Sie werden mit Samthandschuhen behandelt. Begruendet wird das auch 
damit, dass die Erhebungen kompliziert seien und sich laenger ziehen 
werden. Das traf auch auf Elsner zu. Gekuemmert hat das damals 
niemanden. Auch, dass Meinl und Mensdorff-Pouilly seit Beginn der 
Ermittlungen nicht immer in Oesterreich waren, spielt keine Rolle. Bei 
Elsner wurde das zum Skandal der Republik schlechthin hochstilisiert.
Nicht, dass man Elsner sympathisch finden muss, nicht, dass man davon 
ausgehen muss, er muesste nicht sitzen (wiewohl man das aktuelle 
Straf-Konzept diskutieren kann und muss). Aber dass er wesentlich 
schlechter behandelt wird, ist unbestreitbar. Und ebenso erwiesen ist, 
dass bei wesentlich geringeren gerichtlichen Vorwuerfen die U-Haft 
wesentlich schneller bei der Hand ist.
Dass die Innenministerin Maria Fekter (OeVP) das bei vergleichbar 
kleinen Eigentumsdelikten mit wirren Ideen noch mehr Verdaechtige in 
U-Haft schicken will, dass sie die Schubhaft als U-Haft missbrauchen 
will, komplettiert dieses hoechst eigenartige und widerliche Bild, das 
diese Justiz in diesen Tagen von sich erzeugt. Von Rechtsstaat zu 
sprechen, gar von gleichem Recht fuer alle, waere eine Verspottung 
aller, die unter fadenscheinigen Gruenden in U-Haft sitzen, seien es 
Migranten oder Tierschuetzer. Oder in Schubhaft, die fallweise als 
Ersatz fuer die Untersuchungshaft missbraucht wird. Da muss es nicht 
einmal die Kaerntner Saualm sein. Und der nicht ganz lupenreine 
Prozess gegen Josef F. oder der "Terrorprozess" sind auch nicht gerade 
angetan, das Vertrauen in die heimische Justiz zu staerken. Von den 
Farcen, die Prozesse beziehungsweise Strafen gegen die Winters waren 
und sind, ganz zu schweigen. Gegen die zwei wurde nicht gerade die 
volle Haerte des Gesetzes bemueht.
Gegen Mensdorff-Pouilly und Meinl auch nicht, wenn man die sonstige 
Vorgangsweise heranzieht. Manche Menschen sind offenbar gleicher vor 
dem Gesetz. Ob das den Respekt vor selbigem auch bei denen staerken 
wird, die nicht so gleich sind, darf bezweifelt werden.
*Viktor Englisch*
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