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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 7. April 2009; 17:55
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Demonachlese/Glosse:
> Die Nachhaltigkeit des Widerstands
"Super DEMO!!!! Super organisiert, super durchgefuehrt, super Wetter, 
super. Jedoch sollten wir jetzt nicht aufhoeren, sondern wie geplant 
den Start fuer weitere Demos organisieren." So ein 
Diskussionsteilnehmer auf labournetaustria.at. Wie recht er doch hat: 
Es war wirklich ein wunderschoener Fruehlingstag und eine gelungene 
Demo -- doch was ist jetzt?
Es ist ein altes Phaenomen: Egal, ob es um Grossdemos oder 
Wahlprojekte geht: Irgendwann kommt der grosse Tag -- sei es jetzt zum 
Demonstrieren oder Waehlengehen. Nachher sind dann alle, die sich 
engagiert haben, irgendwie vom Ergebnis beglueckt. Weil -- selbst wenn 
es gar nicht so toll war -- frustriert sein machts auch nicht besser, 
also ist man lieber beglueckt. Dann schreibt noch ein jeder fuer seine 
Lieblingspostille auf Papier oder im Netz, wie toll das doch alles 
war. Nach Demos gibt es auch noch ein paar huebsche Bildergalerien im 
Netz zu bestaunen -- und was ist dann?
Hat sich das zu Kritisierende, das zu Aendernde, das zu Verbessernde 
auch nur um ein Jota geaendert oder gar gebessert? Naja, 
ueblicherweise ist die Kritik immer noch genauso berechtigt wie 
vorher.
Es hat ein bisserl was von Vorspiel und Orgasmus -- nachher ist man 
schlapp, aber gluecklich. Nur der Unterschied ist der: Ein guter 
Orgasmus ist der Zweck eines gediegenen Vorspiels. Eine Demo will aber 
ein Mittel zum Zweck sein. Und der Zweck selbst wird damit meistens 
verfehlt. So wohl auch hier: "Eure Krise zahlen wir nicht!" Schnecken! 
Wir zahlen sie schon!
Nein, ich will jetzt Niemandem ans Bein pinkeln, der oder die sich 
fuer diese grosse Demo wochenlang engagiert hat. Im Gegenteil, mir 
wuerde das keinen Spass machen und ich bin froh, wenn sich andere 
Leute um Mobilisierung und Organisation kuemmern. Fuer mich ist es 
schon eine Leistung, wenn ich dann ueberhaupt zur Demo komme -- und 
die Demo habe ich wirklich genossen.
Fuer mich stellt sich aber eine Frage. Und zwar eine Frage, die nicht 
rhethorisch gemeint ist, sondern tatsaechlich auf ihre Antwort wartet: 
Ist unsere Demokultur nicht doch einfach nur ein Ventil? Ist es nicht 
einfach so, dass wir nur deswegen demonstrieren, weil alle anderen 
Widerstandsformen entweder verboten sind oder mangels Beteiligung von 
vornherein zum Scheitern verurteilt?
Denn was gaebs denn da noch im Angebot? Streik? Ohne eine 
glaubwuerdige Organisation und mit einem Gewerkschaftsbund, der pleite 
ist, aber auch schon in den fetten Jahren einen rechten Ekel vor der 
Idee der Arbeitsniederlegung hatte? Von der Vorstellung eines 
politischen Streiks reden wir ja gar nicht, das ist doch der reine 
Viktoradlerseibeiuns -- ist sowas nicht illegal? Und ueberhaupt: Wozu 
haben wird denn die Sozialpartnerschaft?
Boykott? Funktioniert hoechstens dann, wenn die Kronenzeitung und der 
Kardinal gemeinsam dazu aufrufen.
Und: Wen oder was bestreikt oder boykottiert man? Wem schadet man 
damit -- sind das wirklich die richtigen Adressaten? Waren aus 
Suedafrika konnte man noch boykottieren. Da gab es breite Massen, die 
man dafuer gewinnen konnte, weil die Unterdrueckung so offensichtlich 
war und der Anteil suedafrikanischer Waren auch nicht so immens in den 
Regalen. Die Boykottierenden konnten sich auch so richtig gut fuehlen 
bei ihrer Aktion -- weil es sie nichts kostete. Aber was sollen wir 
heute boykottieren? Die Waren aus der westlichen Wertegemeinschaft? Ab 
sofort saufen wir nur mehr "Havanna Club"? Oder wie?
Dann gibt es noch diese "phantasievollen Aktionen" -- ja, die sind 
lustig. Und es ist schoen, wenn Widerstand lustvoll sein kann und man 
sich vom Spass an der Freud ein bisserl verbrauchte Energie 
zurueckgeben laesst. Wir sind ja schliesslich alle keine Uebermenschen 
und brauchen das auch. Aber wen jucken solche Aktionen wirklich?
Das ist der Punkt: Es muss wieder jucken.
In den Tagen der Umweltbewegung konnte man wenigstens noch Baustellen 
besetzen und damit reale Projekte blockieren -- und manchmal hat es 
sogar was gebracht. Aber dann kamen die Zivilklagen und die 
mittlerweile arrivierten Umweltorganisation setzten sich mit den 
jeweiligen Ministern an einen Tisch und machten ihre Politik nur noch 
mit Presseaussendungen. Es stellt sich die Frage: Kann man heute noch 
etwas besetzen und damit real etwas bewegen? Vielleicht muessen wir 
uns an den Wiener Hyttnpankas orientieren. Die haben fast zwei Jahre 
lang in schoener Regelmaessigkeit Haeuser besetzt, bis sie eines 
bekommen haben. Auch wenn das Wiener Rathaus verzweifelt versucht, die 
Punx zu betreuen, und staendig die Raeumung des Projekts zu drohen 
scheint: Die Pankahyttn ist jetzt erstmal Realitaet.
Beim Schreiben dieser Zeilen faellt mir ein, dass ich einen aehnlichen 
Text wie diesen schonmal geschrieben hatte -- vor mittlerweile 9 
Jahren. In akin 20/2000 titelte ich: "Macht braucht Mittel". Beim 
Lesen des Artikels von damals wird mir klar -- es hat sich in diesen 9 
Jahren in unserer Widerstandskultur kaum etwas geaendert. Ja, schon, 
im Internet hat sich damals noch weniger abgespielt, aber 
realpolitisch gesehen ist das auch nur eine Spielwiese.
Nur eben diese zaehen Immer-wieder-Hausbesetzungen in Wien und Graz 
gab es 2000 nicht. Diese Kultur gab es vielleicht so aehnlich in den 
70ern, in meiner politisch aktiven Zeit bis vor kurzem aber nicht 
mehr. Damit komme ich zum Ausgangsgedanken zurueck: Denn sowohl der 
Pankahyttn als auch dem Grazer "Projekt A-Z" ist etwas gemeinsam: Sie 
werden von grossteils jungen Leuten getragen, die einen enorm langen 
Atem zu haben scheinen. Die sind nicht gluecklich darueber, dass sie 
jetzt einmal eine Hausbesetzung durchgefuehrt haben. Die machen das 
immer wieder. Das Wiener Rathaus hat nachgegeben, in der Hoffnung, 
irgendwie zu einer Befriedung zu kommen, und im Grazer Rathaus muss 
man sich auch bald was ueberlegen -- schliesslich ist die 
Besetzungsbewegung dort ein staendiger Stachel im Fleisch der 
schwarzgruenen Vorzeigekoalition.
Darum geht es: Wir muessen uns ueberlegen, was wir tun koennen, was 
der Herrschaft von Staat und Kapital wirklich weh tut und zwar 
nachhaltig weh tut und immer wieder weh tut. Demos sind nett. Da 
trifft man eine Menge Leute, die man schon lang nicht mehr gesehen hat 
und das ist sowohl politisch als auch persoenlich durchaus ein 
wichtiger Wert. Das allein jedoch kann es nicht mehr sein. Was man 
konkret machen kann? Ich weiss es nicht. Aber vielleicht hilft eine 
neue Parole weiter: "Von den Punx lernen, heisst kaempfen lernen!" 
Oder so...
*Bernhard Redl*
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