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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. Maerz 2009; 19:39
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Glosse:
> Die Computer sind schuld
In Deutschland herrscht Volkstrauer wegen des Massakers von Winnenden.
Und alle stellen sich die Frage: "Warum?" Schnelle und einfache
Antworten sind daher sehr gefragt.
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Es stimmt, was man ueber manche sogenannte "Ego-Shooter" sagt: Sie
bauen die Toetungshemmung ab. Nicht umsonst werden diese
Killer-Computerspiele in vielen Armeen zum Drillen von Elite-Einheiten
verwendet. Aber war das, wie jetzt in Deutschland ueberall behauptet
wird, der Ausloeser fuer das Morden in Winnenden? Oder fuer eines der
anderen von Jugendlichen veruebten Schulmassaker seit 1998?
Computerspiele und das Internet -- das ist der "Schmutz und Schund"
der Informationsgesellschaft. Man erinnere sich an die Debatten um
Kinderpornographie, Nazis und Bombenbauanleitungen im Internet.
Verbieten, verbieten! Bei der Gelegenheit kann man auch gleich alles
moegliche kriminalisieren, was einem sonst so im Netz nicht passt. Da
fuegt sich das Unverstaendnis fuer junge Menschen wunderbar zusammen
mit einer faschistoiden Law-and-Order-Mentalitaet. Doch Amoklaeufer
hat es frueher auch gegeben. Kinderpornographie genauso. Die NSDAP
brauchte auch kein Internet und seit Generationen fuellen Jugendliche
Mischungen aus Unkrautsalz und Staubzucker in Metallrohre.
War Joerg Haider fanatischer Spieler von "Need for Speed" oder anderer
Autorenngames? Ist DKT schuld an der Verruecktheit der Broker, die uns
jetzt diese Finanzkrise beschert haben? Hat Adolf Hitler zuviel
"Risiko" gespielt, bevor er die Welt erobern wollte? Letzteres sicher
nicht, denn das Spiel wurde erst 1955 erfunden. Bei den anderen weiss
man es nicht, aber der Zusammenhang ist eher unwahrscheinlich.
Es wird also wohl andere Ursachen haben, dass ein Jugendlicher derart
durchknallt. Ueblicherweise sind das ja nicht gerade die
Nachwuchs-Siegertypen. Stellt man sich einmal die Frage, warum diese
jungen Menschen das Gefuehl bekommen, dass sie nichts wert sind und
dass sie niemand liebt? Das waeren interessante Fragen, aber sie
lassen sich nicht so einfach beantworten. Wenn es dennoch brauchbare
Antworten gaebe, dann wuerden sie moeglicherweise unser
Gesellschaftssystem nicht mehr gut aussehen lassen; ein
Gesellschaftssystem, das nunmal Sieger und Verlierer braucht. Mit der
Schule beginne der "Ernst des Lebens", hat es in meiner Kindheit
geheissen. Da gilt es dann sich zu wappnen; spaetestens nach der
Volksschule muss ein Kind erfahren, "dass einem im Leben nichts
geschenkt wird". Und sollte man ausbrechen wollen, wird man damit
bedroht, dass aus einem "sonst nichts wird". In meinem Fall war das
Szenario, ich muesse, so ich nichts lernte, wohl beim ortsansaessigen
Senkgrubenraeum-Unternehmen in die Lehre gehen. Denn ein Proletarier
werden zu muessen, der einer Arbeit nachgeht, bei der man sich
schmutzig machen kann, gilt in unserer Gesellschaft als eine Form des
Scheiterns.
Das waere ein Erklaerungsansatz, warum solche Dinge passieren -- einer
von vielen und alleine voellig unzureichend. Schliesslich ist aus mir
auch kein Attentaeter geworden. Vieles spielt da eine Rolle. Antworten
zu finden ist nicht einfach. Aber genau deswegen sollten wir es uns
auch nicht so einfach machen.
Selbstmorde von Jugendlichen sind ja nun wirklich nichts Neues --
irgendwie hat sich unsere Gesellschaft dran gewoehnt. Moeglicherweise
sind die Amoklaeufe nur eine Fortentwicklung. Diese Attentaeter
ueberleben ueblicherweise ihre Aktionen nicht, denn sie suchen den
Tod: mittels Selbstmord oder durch "Suicide by Cop". Aber ihr Tod ist
fuer sie nicht umsonst. Denn ploetzlich wird aus dem einsamen
Jugendlichen mit Hilfe einer Waffe -- wenn auch nur posthum -- eine
Persoenlichkeit des oeffentlichen Interesses. Bei einem einfachen
Selbstmord eines Jugendlichen fragen sich hoechstens noch ein paar
Verwandte, die das "freiwillig" verschiedene Familienmitglied sowieso
nie verstanden hatten: "Warum?" Bei einem Massaker tut das die ganze
Nation.
Vielleicht sollte man die Berichterstattung ueber Schulmassaker
verbieten -- denn genau diese hat Vorbildwirkung. Angefangen hat die
internationale Berichterstattung 1998 mit dem Amoklauf zweier Schueler
in Jonesboro, Arkansas. Dann kamen aehnliche Faelle in den USA, unter
anderem das Colombine-Massaker. Erst danach gab es solche Faelle auch
in Deutschland und in anderen europaeischen Laendern. Auffaellig ist
auch, dass jetzt im Gefolge von Winnenden von weiteren Drohungen gegen
Schulen u.a. in Deutschland berichtet wird. Zum einen funktioniert
auch hier die Vorbildwirkung, zum anderen gibt es wohl sonst auch hie
und da beispielsweise eine schmaehhalbe Bombendrohung an einer
Schule -- nur jetzt ist es halt gerade von besonderem Interesse.
Natuerlich waere es bloed, den Medien einen Maulkorb aufzusetzen.
Sprechverbote haben in der Geschichte noch nie zu etwas Guten
gefuehrt. Aber sie waeren in unserer Verbotsgesellschaft nur logisch.
Aber nein, weil in diesen Berichten wird ja die Gewalt nicht
verherrlicht, sondern als ganz boese verdammt. Da hoerten wir und
sahen jetzt die deutsche politische Elite jammern, wie schlimm das
doch alles ist -- die selbe Elite, die Soldaten nach Afghanistan
schickt, jene Elite, die zwischen guten und boesen Moerdern
unterscheidet. Aber diese Politiker sind die Guten, die halt hie und
da auch Waffengewalt befuerworten muessen. Aber wer bestimmt, was gut
und boese ist? Waren die diversen Attentaeter vielleicht auch der
Meinung, sie muessen handeln, um irgendeinen "Konflikt zu bereinigen"
und wenn es nur der in ihrem Kopf ist? Waere das ein Wunder in einer
Gesellschaft, die ihre (tatsaechlichen oder behaupteten) Probleme
mittels Waffengewalt loesen moechte? Sind das nicht vielleicht auch
Fragen, die gestellt werden muessten anstatt dieses dumben "Warum?"
Nein, natuerlich ist dieses neumodische Spielzeug schuld. Zugegeben:
Egoshooter mag ich persoenlich eigentlich auch nicht -- aber nicht,
weil sie so brutal sind, sondern weil sie mir eher fad vorkommen.
Hingegen kann ich stundenlang Need for Speed spielen, wobei ich
besonders gerne Mitbewerber, anstatt sie zu ueberholen, in den
Strassengraben abdraenge, und kann mich besonders darueber freuen,
wenn sich ihre Wagen dabei mehrmals ueberschlagen. Dabei fahre ich im
realen Leben nur mit dem Rad und fuerchte mich vor Autos. Ich hab
nicht mal einen Fuehrerschein.
Und beim Risiko-Spielen mit meiner Freundin ist es mir immer ein
Vergnuegen, wenn es mir moeglich ist, Afghanistan zu "befreien", und
ich es mit sovielen Armeen besetzen kann, dass sie es so schnell nicht
mehr zurueckerobern wird. Aber einen Militaristen hat mich eigentlich
noch niemand genannt.
Wir spielen aus vielen Gruenden -- manchmal, um zu lernen, manchmal,
um uns abzureagieren, manchmal, um uns die Zeit zu vertreiben,
manchmal, um unsere Phantasie anzuregen. Vielleicht stimmt es, dass
die spaeteren Attentaeter durch diese Spiele brutalisiert wurden --
aber woher kam der Frust, durch den sie so dafuer empfaenglich waren?
Moeglicherweise haben sie diese Spiele aber auch nur verwendet, um
ihre blutigen Phantasien auszuleben, die sie wo ganz anders her
hatten -- doch irgendwann waren die Spiele nicht mehr genug. Und
vielleicht haetten wir noch einige Amoklaeufer mehr, gaebe es nicht
diese bekanntermassen auch frustabbauenden Spiele.
Das sind ziemlich viele "vielleicht" und "moeglicherweise". Die
sollten wohl ausreichen, um klar zu machen, dass alles ein bisserl
komplizierter ist, als es sich die Bild-Zeitung vorstellen mag.
*Bernhard Redl*
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