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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. Maerz 2009; 19:00
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Initiativen/Interview:
> "Vieles ist im Aufbruch"
Oesterreichs aelteste laizistische Bewegung, der Freidenkerbund, 
versucht sich ein neues Gesicht zu geben. Bei der juengsten 
Bundesversammlung wurde Christoph Baumgarten zum Beirat fuer 
Oeffentlichkeitsarbeit gewaehlt. Eine Vorstandsfunktion, die erstmals 
eingerichtet wurde. Keine leichte Aufgabe, findet auch der 29-jaehrige 
Neo-Funktionaer im Interview mit Viktor Englisch. Trotz aufgelegter 
Themen muesse man erst ein Bewusstsein fuer laizistische 
Angelegenheiten schaffen.
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akin: Als ich deine erste Presseaussendung gelesen habe, dachte ich 
mir nur: Was, den Freidenkerbund gibt es noch?
CB (lacht): Das ist ja schon was. Du weisst wenigstens, dass es uns 
ueberhaupt gibt. Die meisten Menschen koennen mit dem Begriff nichts 
anfangen, nicht einmal innerhalb der linken Bewegungen, aus denen der 
Freidenkerbund hervorgegangen ist.
akin: Wenn ich mir die vergangenen Monate ansehe: Diskussionen um den 
Religionsunterricht, die katholische Kirche diskreditiert sich, jetzt 
die Aufregung um den Papst in Afrika - und kein Ton von Euch. Was 
machst du eigentlich?
CB: Das liegt daran, dass die meisten Medien sich fuer unsere 
Wortmeldungen nicht interessieren. Deshalb gibt es ja jetzt die neue 
Vorstandsfunktion. Da liegt noch viel Arbeit vor uns, aber ich bin 
zuversichtlich, dass wir ueber kurz oder lang unseren Anliegen mehr 
Gehoer verschaffen koennen. Es waere aber unrealistisch zu erwarten, 
dass uns jetzt die Medien die Tuer einrennen, um unsere Standpunkte in 
Erfahrung zu bringen. Das wird Zeit brauchen. Und sicher war diese 
Erweiterung des Vorstands nur ein erster Schritt in einem langen, 
internen Prozess, an dem wir alle arbeiten, um als Stimme fuer eine 
laizistische und humanistische Gesellschaft wahrgenommen zu werden. 
Wie in jedem anderen Team oder Gremium ist so eine Neuausrichtung auch 
hier eine laengere Geschichte, das geht nicht von heute auf morgen. 
Aber wenn dir unsere Stellungnahmen abgehen, nehme ich dich gerne in 
unsere Presseverteiler auf.
akin: Das klingt jetzt nicht nach einer klaren Aufgabenstellung, die 
Voraussetzung fuer eine erfolgreiche Arbeit waere.
CB: Mag sein, aber ich sehe das nicht so problematisch. Auch wenn ich 
als Journalist und Oeffentlichkeitsarbeiter einiges an Erfahrung 
habe - eins zu eins ist das nicht auf einen Verein umzulegen, fuer den 
ich mich engagiere. Wir haben hier nicht die Ressourcen zur 
Verfuegung, die ich im Brotberuf habe. Das heisst, ich muss jetzt auch 
meine Arbeitsweise dem anpassen. Also ist das auch fuer mich neu. Den 
anderen Vorstandsmitgliedern geht es da sicher nicht anders. Wir haben 
uns zwar einiges ueberlegt, wie es dann in der Praxis funktioniert, 
ist oft eine andere Geschichte. Aber das ist ueberall so, wenn man 
etwas Neues einfuehrt. Ich sehe es positiv: Bei uns ist im Moment sehr 
vieles im Aufbruch. Dass das am Anfang Unsicherheiten und Unklarheiten 
bringt, ist klar.
akin: Du sprichst strategische Konzepte an? Das klingt angesichts der 
nicht vorhandenen Aufmerksamkeit fuer den Freidenkerbund sehr 
optimistisch.
CB: In den vergangenen Jahren hat sich der Verein eher als 
Volksbildungseinrichtung gesehen. Das hatte auch eine gewisse 
Berechtigung, da es kaum ein oeffentliches Bewusstsein fuer unsere 
Anliegen gegeben hat. Die Religionsgemeinschaften haben sich ja 
erfolgreich als Faktor praesentiert, der jedem wurscht war. Was alles 
im Hintergrund gelaufen ist, was Religionsgemeinschaften nach wie vor 
fuer Privilegien hatten und haben, wie viel politische und mediale 
Macht, das ist nicht wahrgenommen worden. Fuer Organisationen wie die 
Freidenker war es schwer, oeffentlich durchzukommen. Nur zu sagen: Die 
Kirche kriegt so und so viel Geld, war zu wenig. Da hat auch die 
Volksbildung ganz gut funktioniert. Die Zeiten haben sich mittlerweile 
geaendert, ironischerweise durch die Debatte um Migrantinnen und 
Migranten aus islamischen Laendern. Man denke an die Diskussion um den 
Religionsunterricht. Wobei es schon bezeichnend ist, dass mit Ausnahme 
der AKS niemand oeffentlich den konfessionellen Religionsunterricht 
abschaffen wollte.
akin: Aber die Religionsdebatte wird momentan von den Rechtsradikalen 
bestimmt. Wenn sich die Freidenker einbringen wollen, reden sie einem 
Heinz Strache das Wort. Das kann's ja nicht gerade sein.
CB: Fuer eine differenzierte Kritik an Religionsprivilegien muss immer 
Platz sein. Zugebenermassen muss da erst ein Bewusstsein geschaffen 
werden. Im Moment platziert Strache den weissen, katholischen 
Oesterreicher als Gegenentwurf zum islamischen Einwanderer. Das halte 
ich fuer brandgefaehrlich. Dieses katholische Oesterreich-Bild 
oeffentlich zu hinterfragen traut sich derzeit keine der politischen 
Parteien, weil das ja auch Kritik am System der Religionsprivilegien 
etc. erfordern wuerde. So binden sich SPOe und Gruene selbst in der 
Debatte die Haende. Das sind grosse Herausforderungen und abseits 
jeglicher Floskeln betrachte ich persoenlich die Situation als die 
groesste Chance fuer humanistische und laizistische Bewegungen in 
Oesterreich seit Jahrzehnten. Wir haben die Moeglichkeit, der 
Stracheschen Volksverhetzung etwas Grundsaetzliches entgegenzusetzen. 
Meine Angst besteht darin, dass es schon zu spaet sein koennte.
akin: Damit ist aber nur ein Teil der Frage beantwortet. Wie geht Ihr 
mit Fragen wie dem Kopftuch um? Gibt's dazu ueberhaupt einen 
freidenkerischen Standpunkt?
CB: Ich kann jetzt nur fuer mich sprechen: Ja, ich hab dazu einen 
Standpunkt. Niemand darf gezwungen werden, religioese oder politische 
Symbole zu verwenden oder zu tragen. Punktum. Aber wenn ich das 
Kopftuch, meiner Meinung nach zu Recht, thematisiere, muss ich auch 
die Frage nach den Kreuzen in der Schule stellen und ich muss auch 
fragen: Will ich ueberhaupt religioese Symbole in der Oeffentlichkeit? 
Wir Freidenker wollen sie sicher nicht. In oeffentlichen Gebaeuden hat 
Freiheit von Religion zu herrschen. Was die Debatte um muslimische 
Zuwanderer betrifft, ist fuer uns eines klar: Wir lassen uns nicht den 
Mund verbieten, nur weil jemand anderer unter dem Vorwand einer 
Religionskritik rassistische Hetze betreibt. Dass heisst aber auch, 
dass wir unsere Kritik so formulieren muessen, dass sie sich ganz klar 
von den Volksverhetzern abgrenzt. Rassismus hat bei uns keinen Platz. 
Leicht wird das nicht. Das ist ein Punkt, der meine Arbeit massgeblich 
bestimmen wird.
akin: Mittlerweile gibt es mehrere Gruppen wie Euch: laizismus.at hat 
etwa innerhalb weniger Wochen fast 1.200 Unterschriften fuer ein 
laizistisches Oesterreich gesammelt. Da schaut ihr ziemlich alt aus.
CB: Wir nutzen die Moeglichkeiten des Internet nicht voll. Das ist 
moeglicherweise auch eine Generationengeschichte. Ich sehe es 
grundsaetzlich positiv, dass es mehrere Gruppen gibt. Die gruene 
AG-athe etwa, AHA mit Schwerpunkt Oberoesterreich und eben 
laizismus.at. Jede hat eigene Schwerpunkte und Strategien, so koennen 
wir wahrscheinlich mehr Menschen ansprechen.
akin: Inwieweit gibt es da eine Zusammenarbeit?
CB: Das ist eine Frage, fuer die unser Vorsitzender Martin Luksan 
zustaendig ist. Er vertritt den Verein nach aussen, Kooperationen mit 
anderen fallen in seine Zustaendigkeit. Da die meisten der erwaehnten 
Gruppen noch sehr jung sind, war noch nicht so viel Zeit da, eine 
regelmaessige Zusammenarbeit aufzubauen, einfach, weil die Zeit 
einander kennenzulernen noch nicht da war. Ich hoffe, darueber bald 
Neues sagen zu koennen.
akin: Ich danke fuer das Gespraech.
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