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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. Maerz 2009; 19:28
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Bosnien/Wien/Kunst:

> Land der unsichtbaren Mauern

"BuergerIn Bosniens und Herzegowinas" war der schlichte Titel einer
Ausstellung im Wiener Ost-Klub. In einer "One Night Exhibition"
zeigten junge Kuenstlerinnen und Kuenstler aus dem Staat am Balkan
ihre Werke - und, wie seltsam zerrissen die ehemalige jugoslawische
Teilrepublik ist.
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Die MitarbeiterInnen der Garderobe schwitzen. Die Schlange reicht bis
kurz vor die Kassa am oberen Ende der Eingangsstiege. Freie Plaetze
fuer Maentel sind kaum auszumachen. Zweiundzwanzig Uhr, die "One Night
Exhibition" des Vereins .ditiramb ist vor vier Stunden eroeffnet
worden. Mag sein, dass viele der Besucher hauptsaechlich der Konzerte
wegen gekommen sind, die ebenfalls zum Konzept von .ditiramb gehoeren.
"Zoster" spielen heute, und "Dubioza Kolektiv". Bands, die die
bosnische Community Wiens anziehen. Viele kommen frueher, sehen sich
die Bilder und Installationen an, die junge bosnische Kuenstlerinnen
und Kuenstler fuer diese eine Nacht nach Wien gebracht haben. Garniert
von Perfomances und Filmvorfuehrungen. Eine umfassende Leistungsschau
junger bosnischer Gegenwartskunst.

Fuer diesen Abend sind die meist jungen Besucher Bosnier. Auch Dragan,
der mit seiner Frau vor einer Foto-Installation steht. Er ist erst
seit kurzem in Wien, arbeitet und lernt schnell Deutsch. Einer von
vielen, die der Armut daheim entkommen wollen. Wenn man ihn fragt,
woher er kommt, antwortet er: "Ich komme aus Bosnien". Aber als
Bosnier wuerde er sich nicht bezeichnen. Ausser heute abend. "Ich bin
Serbe", hat er bei unserem ersten zufaelligen Treffen im Pub Marsal
erzaehlt. Er ist stolz darauf. Aber kein Nationalist, wie er betont.
Heute zeigt er sich stolz ueber die Kuenstlerinnen und Kuenstler
daheim: "Das sind tolle Arbeiten. Sehr schoen".

Bosnier, so bezeichnen sich im bosnischen Sprachgebrauch fast nur die
muslimischen Bosnier, die Bosniaken. Man koennte meinen, es sei ein
Land ohne Buerger, so viele Kroaten und Serben gibt es nach eigener
Darstellung. Dass dort die sprachlichen Grenzen praktisch inexistent
sind, spielt keine Rolle. Wie ueberall am Balkan definiert die
Religion die ethnische Zugehoerigkeit. Nur heute ist das anders. Heute
sind alle Bosnier.

Auch die Bewaeltigung des Buergerkriegs mit seinen Massakern findet
seine Grenzen an dem, was als Ethnie gilt. "Wir haben ein nationales
Trauma", erzaehlt Azra, eine junge Bosnierin bei einer
Podiumsdiskussion, in der die Moeglichkeit oder Unmoeglichkeit eines
Landes ohne innere Grenzen diskutiert wird. "Wir alle haben dieses
Trauma. Aber wenn wir es aufarbeiten wollen, geht das nur innerhalb
der ethnischen Grenzen. Wieso gibt es keine supra-ethnischen
Organisationen, die das uebernehmen koennen? Wo bleiben die NGO's, die
uns helfen koennten? Warum werden die immer wieder von den ethnischen
Behoerden verhindert", fragt sie das Podium. "Wir koennen diese Frage
nicht beantworten", heisst es von unten. Man merkt, wie unangenehm das
den Diskutanten am Podium ist.

"Es gibt sehr viele unsichtbare Mauern bei uns", erklaert mir ein
bosnischer Student. Er lebt in Sarajevo und ist fuer ein Semester an
der Uni nach Wien gekommen. Ein griechischer Freund begleitet ihn. Vor
allem in Mostar sei das spuerbar. "Ich bin dort geboren. Jetzt, wo ich
nicht mehr dort wohne, ist es fuer mich kein Problem, zwischen den
ethnischen Vierteln hin- und herzugehen. Ich wette aber, dass 90
Prozent der Mostarer seit dem Krieg noch nie einen Fuss in das Gebiet
einer anderen Bevoelkerungsgruppe gesetzt haben". Widerspruechlich
angesichts der Tatsache, dass der Name der Stadt sich vom Wort "most"
ableitet, das in praktisch allen slawischen Sprachen "Bruecke"
bedeutet. Die Bruecken, die der Stadt ihren Namen gegeben haben,
verbinden nicht mehr. Bosniaken wohnen am Ostufer der Neretva, Kroaten
am Westufer.

Fotografin Majda Turkic hat die Metapher der Mauern aufgegriffen. Bei
einem Studienaufenthalt in Israel hat sie eine Foto-Kollage mit der
Mauer erstellt, die die Palaestinensergebiete von den israelischen
Gebieten abschneidet. "Diese Isolation, das steht auch fuer mein
Heimatland", erzaehlt sie. "Mit dieser sichtbaren Mauer will ich die
Situation in Bosnien sichtbar machen, wo die Mauern in unseren Koepfen
sind und Bosniaken, Serben und Kroaten voneinander trennen". Es sind
Bilder bedrueckender Normalitaet, die die Installation zeigt. Eine Art
Modeschau, immer mit der Mauer im Hintergrund. Ein Auto an einer
Tankstelle. Dahinter die Mauer. Dort hoert die Welt auf. Eine offene
Kritik an der Mauer, die von vielen als Apartheid-Massnahme gesehen
wird. Und doch nicht anti-israelisch. Die Mauer tut auch denen weh,
die auf der vermeintlich sicheren Seite leben. Sie isoliert. Genau wie
in Bosnien.

Ein anderer Kuenstler deutet Wende und Buergerkrieg auf seine Weise.
In einer kurzen dreiteiligen Videoinstallation zeigt er den Weg eines
Mannes von einer Garten-Eden-aehnlichen Umgebung zum Traum vom Geld in
eine Steinwueste, wo er Opfer eines Raubmordes wird. Der zerplatzte
Traum vom Reichtum in der Unabhaengigkeit.

Ausstellungsleiter Michael Podgorac huscht vorbei. Er hat weniger Zeit
fuer Gaeste als ihm lieb ist. Bei etwa acht Videopraesentationen,
einigen Performances und Konzerten ist staendig etwas zu koordinieren.
Gearbeitet wird, als die Ausstellung schon laengst eroeffnet ist.
"Sechs Monate lang haben wir die Ausstellung vorbereitet", erzaehlt
er. "Die One Night Exhibitions sind ein Konzept, das wir schon laenger
machen. Aber bisher immer nur in Hallen. Das ist das erste Mal in
einem Klub, das bringt eigene Herausforderungen". Spricht's und ist
umringt von mehreren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die etwas mit
ihm besprechen wollen.

In den Morgenstunden wird die Ausstellung verschwunden sein. Und mit
ihr das Gefuehl der Besucher, aus dem gleichen Land zu stammen,
unabhaengig von ihrer ethnischen Zugehoerigkeit. Bis sie bei der
naechsten Ausstellung oder beim naechsten Konzert wieder gemeinsame
Wurzeln finden.
*Viktor Englisch*

WWWebtips:
http://www.ditiramb.hcw.at/
http://www.majdaturkic.com/



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