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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 17. Maerz 2009; 19:54
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Nach der Wahl ist vor der Wahl/Diskussion:
> Alles nicht so einfach!
Eine Antwort auf Hermann Dworczak
Die Kaerntner Wahlergebnisse analysieren zu wollen ueberlasse ich 
Berufeneren. Kaernten befindet sich seit rund einem Jahrhundert im 
Abwehrkampf: Egal ob die eigene slowenische Minderheit, Ljubljana, 
Belgrad, Wien, Bruessel oder die Ostkueste -- Kaernten war immer schon 
von Feinden umzingelt. Da braucht es keine politischen Kommentatoren, 
sondern einen Psychotherapeuten wie den leider schon verstorbenen 
Erwin Ringel, um diesen Sonderfall zu verstehen. Am besten waere es 
fuer die Republik, mit einem Golden Handshake zur Deckung der Schulden 
der Provinz diese in die Unabhaengigkeit zu entlassen -- denn das 
Knoedel aus Wien und Bruessel ist ja wohl das Einzige, das Kaernten 
noch von seinem Oesterreich-Austritt abhaelt.
In Salzburg war die Schlappe der SPOe verdient. Allerdings war diese 
Niederlage auf hohem Niveau -- in einem Bundesland, das in der 
Hauptstadt von mozaertlicher Bourgeoisie und am Land von 
schwarzbraunen Traditionen beherrscht wird, mitten in der globalen 
Krise die Landesfuerstin im Amt zu halten, ist schon eine Leistung. 
Beigetragen zum moderaten Absturz hat aber natuerlich auch der von 
vielen Kommentatoren zurecht so genannte "Wohlfuehlwahlkampf" der SP 
in Land und Stadt Salzburg. Den Werbefuzzis fiel nichts Besseres ein, 
als Burgstaller und Schaden mit fast identischen Sujets auf den 
Plakaten abzubilden: "Meine Lieblingshauptfrau" und "mein 
Lieblingsbuergermeister", beide mit kleinen Kindern abgelichtet. In 
der Stadt Salzburg wurde Schaden nicht nur mit einer Stichwahl 
bestraft, sondern -- da die OeVP ja von einem Fadian gefuehrt wird, 
dessen einzige Qualifikation es ist, der Sohn eines frueheren 
Landeshauptmanns zu sein -- auch mit einem deutlichen Zugewinn aller 
nicht-rotschwarzen Listen. Da ist sogar das Ergebnis der KPOe 
deutlich, die nur um etwas mehr als 200 Stimmen den Einzug in den 
Gemeinderat verfehlte.
Dass die SPOe in Hallein so abgeschmiert ist -- die Mehrheit hatte sie 
ja schon 2004 verloren --, ist den Spezifika der ehemaligen Bergbau- 
und Industriestadt zu schulden. Hallein ist nicht mehr das, was es 
einmal war: Die Zigarrenfabrik existiert schon lange nur mehr in den 
Geschichtsbuechern, die Saline wurde -- trotz immer noch vorhandener 
Salzvorkommen -- vor 20 Jahren geschlossen und jetzt geht auch noch 
der letzte grosse Industriearbeitgeber, die Papierfabrik, vor die 
Hunde. Stattdessen wird Hallein immer mehr zu einem ausgelagerten 
Spielort der beruechtigten Salzburger Kulturspektakel. Offensichtlich 
findet da eine massive Gentrification statt. Dazu kam die gar zu 
massiv zur Schau getragene Hilflosigkeit in Bezug auf die 
bevorstehende Schliessung der Papierfabrik. Der Wahl-Halleinerin 
Burgstaller fiel nicht viel mehr ein, als mit Faymann zu telefonieren, 
ob nicht vielleicht er mal mit den finnischen Eigentuemern reden 
koennte, und der AK-Praesident verkuendete, dass er so stolz sei auf 
die Halleiner Disziplin, dass eben selbst in dieser Situation nicht 
gestreikt wuerde -- das war alles ein bisserl viel und das spaerlich 
verbliebene Proletariat wanderte entweder zu den Rechtsextremen oder 
zur Partei des durchwegs beliebten VP-Buergermeisters ab. Wobei der 
Buergermeistereffekt hier besonders stark gewesen sein duerfte: Denn 
zwar waren die Verluste der SP in Hallein auch bei der Landtagswahl 
enorm (da gingen die verlorenen Stimmen fast ausschliesslich an die 
FP), doch blieb sie immer noch deutlich staerkste Partei vor der OeVP.
Fazit: Natuerlich gab es auch einen starken Einfluss der 
Bundespolitik -- doch die Ergebnisse von Salzburg und Kaernten waren 
vor allem von lokalen und regionalen Befindlichkeiten bestimmt. 
Meistens sind Regionalwahlen wirklich Testwahlen fuer die 
Bundespolitik, diesmal war das aber nicht ganz so.
Doch was ist die Konsequenz?
Hermann Dworczak ist recht zu geben, wenn er meint, dass man nicht 
zuschauen duerfe, wie "die Extreme Rechte mit (Sozial)demagogie 
absahnen geht". Diese Ergebnisse sind fuerwahr erschreckend --  
unabhaengig von den spezifischen Situationen in den beiden 
Bundeslaendern. Tatsaechlich stellt sich die Frage, ob angesichts 
dieser Situation nicht Pragmatismus angesagt ist und man versuchen 
sollte, den traegen, aber frustrierten Massen ein linkes Angebot zu 
machen, das auch fuer diese FP-Waehler auch an der Urne interessant 
ist. Nicht, dass ich glaube, dass man ueber die Parlamente 
tatsaechlich sowas wie Sozialismus oder auch nur Antifaschismus 
erschaffen kann -- wir muessen unser Gedankengut nicht in irgendwelche 
Gremien bringen, sondern in die Koepfe der Menschen. Dazu allerdings 
kann man die Oeffentlichkeit der Parlamente nutzen und vor allem 
erscheint es wiedermal als ein Gebot der Stunde, der extremen Rechten 
Paroli zu bieten -- vielleicht auch eben in diesen Gremien.
Aber wie soll das gehen? Nein, Hermann, nein, vergiss die Traeume von 
der neuen Partei. Es schafft nicht mal die KPOe sich ausserhalb der 
Steiermark zu etablieren -- und die hat immer noch weitaus bessere 
Ressourcen und, wenn auch eine kleine, so doch eine 
Stammwaehlerschaft. Nur weil hundert Leute in Oesterreich ganz fest 
glauben, eine etablierbare Partei oder eine Liste oder ein Buendnis 
gruenden zu koennen, heisst das noch lange nicht, dass da auch etwas 
draus werden kann. Ohne eine tatsaechliche Bewegung dahinter sehe ich 
da schwarz. Ein Quereinsteigertum auf Nationalratsebene ohne jegliche 
pressure group ist kaum denkbar. Der einzige Effekt davon ist, 
sicherzustellen, dass die minmalen Chancen der KPOe, wenigstens 
irgendwo auf Gemeinderatsebene zu punkten, endgueltig versiebt werden.
Eine Idee gibt es da noch. Auch diese ist nicht neu: Hinein in die 
Gruenen! Jetzt halte ich ja nun nicht wirklich viel von 
trotzkistischem Entrismus, weil meistens eher das System die Menschen 
veraendert, als -- wie eigentlich beabsichtigt -- umgekehrt. Es gab 
aber immer wieder Ansaetze, so etwas wie eine linke Plattform bei den 
Gruenen zu gruenden. Die allerdings scheiterten bereits in eben diesen 
Ansaetzen -- aus Mutlosigkeit oder weil man niemand verletzen wollte 
oder weil zuviele Leute bei den Gruenen schon eine ganze Menge zu 
verlieren hatten. Aber vielleicht sollte man das nochmal probieren und 
diesen grauslichen Pragmatismus wagen: Als deklarierter linker Block 
konzertiert den Gruenen beitreten und sich dort noch ein paar von den 
Nichtkorrumpierten einfangen. Und dann so goschert sein, dass selbst 
die konfliktscheue buergerliche Mehrheit der Gruen-Basis ueber einen 
Ausschluss der Gruppe wegen parteischaedigenden Verhaltens 
nachzudenken beginnt, aber so stark, dass sich die Parteifuehrung 
einen solchen nicht mehr traut.
Ja, das Problem dabei: Mit Begeisterung ist so etwas nicht zu 
machen -- es gibt keine Welt zu gewinnen, man kommt kaum dazu, an der 
frischen Luft lustvoll irgendwelche Parolen zu skandieren und der 
Feind ist unklar. Und: Wenn er doch einmal klar sein sollte, ist man 
vielleicht mit diesem eigentlich gut befreundet.
Doch was sind die Alternativen? Eine Alternative -- und sicher die 
beste -- waere eine Organisation von unten. Aber auch das macht keinen 
wirklichen Spass. Denn da muss man sich dann Leuten freundlich 
naehern, die Ansichten haben, vor denen man sich graust, denn der 
Grossteil des Proletariats aus Arbeitern, kleinen Angestellten, 
Arbeitslosen und nahe dem Bankrott stehenden Kleingewerblern ist 
leider oft nicht so, wie wir uns das alle wuenschen.
Was bliebe dann noch? Die Promirunde, eine Sammlung von bekannten 
Gesichtern, die man der Journaillie gut verkaufen kann? Ist schon 
probiert worden und gescheitert -- und wenn es nicht scheitert, ist es 
doch wieder nur etwas fuer die besseren Leute und nichts fuer 
Proletariat und Prekariat. Ein Buendnis mit der KPOe? Naja, hatten wir 
auch schon und das ist nicht einmal mehr einen Kommentar wert.
So oder so: Die Rechte ist im Vormarsch -- dagegen gilt es etwas zu 
tun. Moeglichst mit Witz, Engagement, Einfuehlungsvermoegen, klaren 
Worten und einer ordentlichen Portion Sturheit. Wie das gehen soll, 
weiss ich auch nicht. Aber einfache Loesungen wird es nicht geben.
*Bernhard Redl*
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