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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 17. Maerz 2009; 19:46
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Technik/Kultur/Glosse:

> Gut und Boese

Der Kulturkampf um die Gluehbirne
oder: Wovon reden wir eigentlich?

A: 'do you have four-volt, two-watt bulbs?'
B: 'for what?'
A: 'no, two.'
B: 'two what?'
A: 'yes!'
B: 'no!'

Die EU will die gute, alte Gluehbirne verbieten und Energiesparlampen
(ESL) verordnen. Doch die Kritik daran ist sehr laut. Warum? Nun, die
heutigen Energiesparlampen sind sicher nicht der Weisheit letzter
Schluss -- sie sind weitaus aufwendiger in der Produktion und
problematischer in der Entsorgung wegen ihres Quecksilbergehalts, aber
auch wegen einer ganzen Reihe von Metallen und Halbmetallen die in der
notwendigen Mikroelektronik vorhanden sind. Da gibt es zwar das
Recycling, aber das ist auch heute noch in vielen Bereichen eher ein
Schmaeh zur Beruhigung des Gewissens als eine brauchbare Alternative
zur Muellvermeidung. Selbst wenn die angewandten Technologien zur
Rohstoffrueckgewinnung effizient und umweltschonend waeren, ist gerade
bei ESL Recycling wirklich kein Argument, da die Ruecklaufquote bei
Problemstoffsammelstellen fuer ESL aus Privathaushalten in Westeuropa
irgendwo zwischen 10 und 25% liegt. Dass bislang dafuer kaum noch ein
verpflichtendes Pfandsystem gefordert worden ist, ist symptomatisch
fuer den Enthusiasmus der Befuerworter aus Industrie und Politik.

Die laengere Lebensdauer ist auch kein Argument, da diese nur
gewaehrleistet ist, wenn man die Lampen nicht zu oft ein- und
ausschaltet. Wenn man das aber vermeidet, verpufft der Gewinn beim
Energiesparen, da die Dinger dann laenger brennen.

Auch ist die Benutzung am Klo oder am Gang eher unsinnig, da die
Lampen erst in dem Moment ihre volle Lichtausbeute erreichen, wenn man
kein Licht mehr braucht. Und die Zukunft gehoert wahrscheinlich eh
nicht diesen geschrumpften Leuchtstoffroehren, sondern den LEDs. Beide
Technologien aber sind noch alles andere als ausgereift -- jetzt schon
ein Verbot der ausgereiften Gluehbirne zu fordern, ist ein bisserl
frueh. Denn wenn die Gluehbirnen-Konkurrenz weg ist, wird auch das
Interesse der Industrie an Weiterentwicklungen nicht mehr sonderlich
gross sein.

Dies waren -- kurz zusammengefasst -- einige der wichtigsten
Kritikpunkte an den ESL und an dem nun anstehenden Verbot fuer
herkoemmliche Gluehbirnen. Und diese Kritik teile ich. Aber darum geht
es mir gar nicht. Egal, wie die elektrische Beleuchtung in Zukunft
aussehen soll, stromsparender als die alten Wolframdraht-Birnen sollte
sie schon sein. Auffaellig ist bei der Debatte etwas anderes: Wie und
warum sie so heftig gefuehrt wird.

Ein Ansatz ist dieser: Wir wollen nicht auf unsere modernen
Bequemlichkeiten verzichten, aber trotzdem die Umwelt schuetzen. Also
suchen wir Alternativen zum Verzicht. Technologische Entwicklungen
werden von den Technikglaeubigen gerne als Loesungsmoeglichkeiten
angesehen, um nur ja keinen Komfortverlust haben zu muessen. Daher:
Alle muessen ueberall ESL haben. Und deswegen muessen wir die
Gluehbirne verbieten -- was nebenbei eine wunderbare Moeglichkeit fuer
die Politik ist, Aktivitaet in Sachen Umweltschutz vorzutaeuschen.

Es ist aber auch eine Zeiterscheinung: Heute ist das liebste
Umweltanliegen Kohlenstoffdioxidausstoss -- bis letztes Jahr wurde es
noch ein wenig vom Thema Feinstaub konkurrenziert, aber jetzt ist CO2
wieder der Alleinbeherrscher der Umweltdebatte. Vor 20 Jahren redete
keiner von CO2, sondern von Schwermetallen, Radioaktivitaet und saurem
Regen. Das ist heute kein Thema mehr, obwohl viele der damals
angesprochenen Probleme immer noch existieren. Heute kommen die
Befuerworter von Atomtechnologie wieder aus ihren Loechern und
praesentieren sich als CO2-Killer. Aber auch Schwermetalle sind im
21.Jahrhundert vollkommen wurscht. Es ist noch nicht so lange her,
dass man Fieberthermometer mit Quecksilberfuellung verdammt hat, jetzt
kommt der Stoff prompt wieder in unsere Haushalte und in unseren
Muell. Ich bitte, mich nicht misszuverstehen: Mir geht es jetzt nicht
um eine neue Quecksilberhysterie, so gefaehrlich sind die Lampen nun
auch wieder nicht, aber auffaellig ist einfach die Verschiebung des
Fokus. Haette man vor 20 Jahren gesagt: "Leute, holt Euch Quecksilber
in die Wohnung, dann spart ihr Atomkraftwerke!" -- man waere von der
Umweltbewegung gesteinigt worden. Ein paar Jahre spaeter propagierten
die Gruenen recht manifest den Gebrauch eben dieser Lampen.

Umwelt- und Gesundheitsthemen unterliegen Moden -- war gerade noch die
Handydebatte en vogue, redet heute kein Mensch mehr darueber, weil
eben jeder ein Handy hat und bislang Elektrosmog nicht als
krankmachend erwiesen werden konnte. Die Argumente der Kritiker, dass
man da ein bisserl vorsichtiger sein sollte, da sich Schaedigungen
vielleicht erst auf lange Frist zeigen koennte, sind nicht vom
Tisch -- aber es ist halt nimmer Mode.

Auch ein anderer Effekt ist in dieser Debatte nicht zu uebersehen: Da
gibt es die Technikapostel, die jede Neuerung begruessen, weil sie
diese mit einem kulturellen Fortschritt gleichsetzen. Meistens sind
das auch gleichzeitig die unkritischen EU-Fans, weil auch die ist --
zumindest fuer Oesterreich -- eine Neuerung. Die Position der
Modernisierungsfans: Das Alte ist eine Sache der Ewiggestrigen und
diese stehen immer nur dem Fortschritt im Weg. Die Gegenposition ist
oftmals genauso platt: Frueher war alles besser, wir wollen keine
technischen Neuerungen und wenn die EU uns diese verordnen will, ist
das typisch, denn alles Boese kommt von der EU. Beiden Gruppen
gemeinsam ist, dass die meisten ihrer Mitglieder sich mit den Details
der behandelten Technik, ihren Vorzuegen und ihren Risiken nur
oberflaechlich beschaeftigt haben -- es sind kulturelle Debatten,
keine technischen.

Und so fuehren wir auch die Debatten ueber Atomtechnologie,
Handymasten und Gentechnik. Tatsaechlich sind technische Loesungen oft
hilfreich, anstehende gesundheitliche, oekologische, gesellschaftliche
oder private Probleme zu bewaeltigen. Neue Errungenschaften veraendern
unsere Welt Tag fuer Tag und das nicht immer zum Schlechten. Doch es
reicht nicht, sich von diesen Technologien die Loesung von Problemen
zu erhoffen, sie muessen sie auch tatsaechlich bewaeltigen helfen
koennen und auch so beschaffen sein, dass sie nicht ein Mehr an
Problemen schaffen. Ein kritischer Blick darauf ist daher immer
angebracht, denn das Neue ist nicht immer das Bessere. Bloederweise
macht eine solche Haltung das Leben aber komplizierter und nicht
einfacher, wie von der Technik ja erhofft. Die Debatten ueber die
Sinnhaftigkeit technischer Neuerungen sind daher dominiert von den
Technikfetischisten und den Kulturpessimisten -- denn bei diesen ist
immer alles ganz einfach.

Die Entscheidungen ueber die Anwendung und Foerderung solcher neuen
Technologien faellen letztendlich Politiker, die zwischen den
Einfluesterungen der Industrie einerseits und der Hysterie von
Boulevardblaettern und Internettrollen andererseits hin- und
hergeworfen sind. Verantwortliche Technikfolgenabschaetzung sieht aber
anders aus.
*Bernhard Redl*

*
Anm: Der Autor mag die EU auch nicht sonderlich, hat aber in der
Wohnung nur am Klo eine Gluehbirne und ansonsten ueberall
Energiesparlampen. Er laesst diese nur leider viel zu lang ungenuetzt
brennen, mit dem Argument, dass sie ja eh so wenig Energie
verbrauchen. Handy hat er keines, weil er nicht staendig erreichbar
sein will und weil das noch so ein Trum ist, wo man aufpassen muss,
dass man es nicht irgendwo liegen laesst.

*
Weiterfuehrende Links in der ESL-Debatte:
http://www.gopetition.com/online/24092.html
(Das ist eine Pro-Gluehbirnen-Petition)
http://www.dellekom.de/info/energiesparlampen-faq
http://de.wikipedia.org/wiki/Energiesparlampe
http://www.lichtundfarbe.at/news3_Gluhlampe.html#eu-gluehbirnenverbot
http://www.tagesschau.de/wirtschaft/gluehbirnen100.html



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