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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 17. Maerz 2009; 19:50
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Justiz/Medien/Glosse:
> Abgruende der Seele
Medien und Strafjustiz machen im Prozess gegen Josef F. keine
sonderlich gute Figur. Abgruende der Seele tun sich auf. Und das wird
benutzt, um die Geschworenengerichtsbarkeit in Misskredit zu bringen.
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Geschworenenprozesse sind die Buehne fuer die grossen Dramen im
Gerichtssaal, wie die Kleine Zeitung schreibt. Prozesse vor dem
Einzelrichter sind dieser Logik zufolge die Schmierenkomoedien der
Justiz. Das schreibt das steirische Kleinformat nicht. Die Autoritaet
von Einzelrichtern zu hinterfragen oder die eines Schoeffensenats, in
dem zwei Berufsrichter sitzen, das ist in Oesterreich tabu. Josef F.
hat keine Chance auf einen fairen Prozess. Zu sehr sind wir alle von
seiner Schuld ueberzeugt. Vielleicht nicht in dem Mass, mit dem die
Kronenzeitung titelt: "Sperrt Josef F. einfach weg!" Dieser Prozess
wird nichts zutage foerdern, was nicht laengst bekannt ist. Josef F.
vor den Geschworenen - das ist ein Stueck, das die Republik gegen
einen Menschen auffuehrt, der gegen fundamentale Normen menschlichen
Verhaltens verstossen hat. Nicht einmal sein Verteidiger stellt sich
die Frage, ob F. ins Gefaengnis geht. Nur, wie lange.
Damit, dass dieser Prozess vor Geschworenen stattfindet, hat das
nichts zu tun, wie die Kleine Zeitung impliziert. Das falsche Mitleid
von Krone-Kolumnist Michael Jeanee geht in die gleiche Richtung. Auch
ein Kommentar von Florian Klenk im "Falter" laesst sich als eine
Ablehnung der Laiengerichtsbarkeit interpretieren. Er schreibt der
Laiengerichtsbarkeit die historische Rolle zu, die "Kabinettsjustiz"
ueberwunden zu haben. Mittlerweile haetten die Richter aber
dazugelernt. Eine optimistische Sicht. Die Kabinettsjustiz mag
Geschichte sein. Die Klassenjustiz ist es nicht. Man mag nur einen
Richter sehen, der ueber einen so genannten Gewohnheitsverbrecher "zu
Gericht sitzt".
Geschworene hin, Geschworene her. Die vorsitzende Richterin wird ueber
den Verfahren "thronen", wie einzelne Medien ungewollt verraeterisch
schreiben. Ein Symbol staatlicher Macht. Gekleidet in einen Talar,
versteckt hinter einem Kreuz, wie es in jedem oesterreichischen
Gerichtssaal steht. Als sei sie nicht den Gesetzen der Republik
verpflichtet sondern anderen. Dass die richterlichen Beisitzer und die
Staatsanwaeltin als weitere Vertreter der staatlichen Macht ebenfalls
mit Talaren kostuemiert sind und der Verteidiger als Vertreter des
Angeklagten nicht, straft Behauptungen, im Strafrecht ginge es allein
um die Wahrheitsfindung, Luegen.
Es ist ein archaisches Schauspiel, das gegen Josef F. aufgefuehrt
wird. Ein Ritual, das der Reinigung der Gesellschaft dienen soll. Sie
fuehlt sich durch Fs Taten gleichermassen befleckt wie ertappt. Seinem
Charakter nach hat dieses Ritual den Beigeschmack des Patriachalen.
Der strafende, allmaechtige Vater schreitet ein. Von Fs
"Suendenregister" berichtet die NOeN in ihrem Magazinteil.
"Oesterreich" schreibt von der "Busse", die F auferlegt werde. Auch
Stilblueten koennen in den Geist derer blicken lassen, die sich dieses
Vergehens an der Sprache schuldig gemacht haben. Abgruende der Seele
tun sich auf. Das Mittelalter ist nicht ueberwunden. Auch nicht bei
denen, die sich zur Elite der Gesellschaft zaehlen. Dass Verbrechen
bestraft werden muessen, dass Verbrecher buessen muessen und nach
Moeglichkeit leiden, ist tief in den Menschen verwurzelt. Das
Gratisblatt "Oesterreich" hoehnt ueber die angeblich milden
Haftbedingungen, die F. in einer Anstalt fuer geistig abnorme
Rechtsbrecher bevorstehen wuerden. In diesem Land kommen eine
ausgepraegte Kultur des Verdraengens und Vergessens und der
Katholizismus, den weder Reformation nach Aufklaerung besiegt haben,
erschwerend dazu. Und die Autoritaetsglaeubigkeit. In dieser
Eigenschaft unterscheidet sich Josef F. nicht von den Leuten, die
jetzt fordern, ihn in einem Loch verrotten zu lassen. "Ich glaube
schon, dass mein Mandant allein schon aufgrund seines Geburtsdatums
(1935, Anm.) noch ein Mensch ist, der die Wuerde eines Gerichts wahren
kann und der weiss, was Ordnung und Respekt ist", zitiert die NOeN
seinen Anwalt Rudolf Mayer. Wenn ein Strafverteidiger
Autoritaetshoerigkeit als positiv herausstreicht, was soll man von den
Menschen in diesem Land erwarten?
Die Berichterstattung ueber die Amstettner Verbrechen und das
Gerichtsverfahren foerdert die dumpfen, klerikal-patriachalen
Grundeinstellungen zutage. Zu allem Ueberfluss gibt ihnen die
Kronenzeitung als Leitorgan des oesterreichischen Chauvinismus einen
nationalistischen Anstrich, wenn sie Oesterreich (was auch immer das
in diesem Zusammenhang sein mag) vor mehr oder weniger qualifizierten
Laien-Analysen auslaendischer Journalisten in Schutz nehmen will. Das
foerdert den Verkauf und erleichtert es, die Untaten Fs zu
bewaeltigen.
Die Verbrechen von Amstetten konnten nur in einer zutiefst
patriachalen Gesellschaft begangen werden. In einer Gesellschaft, die
es gewoehnt ist, wegzuschauen und zu verdraengen. Das trifft auf so
gut wie alle westlichen Laender zu. Ob es der spezifisch
oesterreichischen Bedingungen wie Autoritaetshoerigkeit und
Katholizismus bedurfte, wage ich nicht einzuschaetzen. Das sollen
Tiefenpsychologen entscheiden. Der Prozess wird das nicht klaeren. Wie
er ueberhaupt nichts klaeren wird. Bestenfalls wird er als
Reinigungsritual funktionieren.
Auch das ist fraglich angesichts der Tatsache, dass Medien aus aller
Welt den (ohnehin fragwuerdigen) Schauspielcharakter dieses Verfahrens
in ein Schauspiel mit dem Zweck der Quotensteigerung pervertiert
haben. Was bleiben wird, ist kaum befriedigte Sensationslust - die
freilich die gleichen tiefenpsychologischen Wurzeln hat wie das
Beduerfnis nach ritueller Reinigung (und anschliessender
Verdraengung).
Dass Geschworene ueber die Schuld Fs befinden werden (die juristische
Schuldlosigkeit erscheint kaum mehr als eine abstrakte Moeglichkeit),
ist weder Ursache dieses Spektakels noch ihr Ausloeser.
Dass Geschworenenprozesse fast ausschliesslich Dramen sind, liegt
ebenfalls nicht an den Geschworenen. Geschworene werden nur bei
Prozessen beigezogen, die spektakulaer sind. Bei Verbrechen, die mit
einer Strafe von mehr als zehn Jahren Haft bedroht sind. Und es liegt
daran, dass die Geschworenen nicht wie urspruenglich geplant, die
beamtete Justiz ueberwachen. Beim oesterreichischen Modell
repraesentieren sie nicht das Volk. Beim oesterreichischen Modell sind
sie kaum mehr als Vollzugsorgane der beamteten Richterschaft.
Das gehoert geaendert. Wer behauptet, ihm liege etwas an
Gerechtigkeit, muss verhindern, dass wieder allein beamtete Richter
ueber Schuld und Unschuld eines Menschen befinden. Wenn ein Satter
ueber den Hungrigen richtet, ist das keine Gerechtigkeit. Es ist
Rache. So formalisiert sie sein mag.
Es ist ein Vorteil der Geschworenen, dass sie nicht abgebrueht und oft
genug abgehoben sind wie Richter. Sie koennen noch empathisch sein.
Deswegen sitzen sie im Gerichtssaal. Natuerlich kann sie das
verfuehrbar machen. Dieses Risiko auszuschalten, indem man die
Geschworenen entmachtet, ist der falsche Weg. Lieber sollte man trotz
des nicht unerheblichen Aufwands, den das mit sich bringen wuerde, das
Prinzip Geschworenengericht auf alle Strafprozesse ausdehnen. Und
nicht ein fragwuerdiges Schauspiel, das mit Geschworenen nichts zu tun
hat, als Anlass nehmen, um wieder Richterjustiz einzufuehren. St.
Poelten waere trotzdem das Zentrum das Medienwelt. Eine Woche lang.
*Viktor Englisch*
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