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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. Februar 2009; 17:03
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Ungarn:
> Buergerkrieg von rechts
In Ungarn sind erneut zwei Roma ermordet worden. Ein Mann und sein
kleiner Sohn wurden erschossen, als sie aus ihrem brennenden Haus
fluechteten. Das Attentat steht in einer Reihe mit mehreren toedlichen
Uebergriffen gegen Angehoerige der Minderheit, die sich seit der
Gruendung der "Ungarischen Garde" gehaeuft haben.
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Der 27-Jaehrige und sein fuenfjaehriger Sohn hatten keine Chance. Ihr
Haus brannte, sie retteten sich ins Freie und liefen ins Visier von
Unbekannten, die sofort zu schiessen begannen. Vater und Sohn waren
tot, zwei Kinder, die offenbar im brennenden Haus geblieben waren,
wurden verletzt. So duerr sind die Informationen, die ueber den
Mordanschlag von Tatarszentgyoergy in der Nacht auf Montag verfuegbar
sind. Die Polizei schliesst nicht aus, dass ein technisches Gebrechen
das Feuer ausgeloest hat. Vertreter der Roma, die etwa ein Viertel der
Bevoelkerung der Kleinstadt suedoestlich von Budapest stellen,
sprechen von Brandstiftung. Angesichts der juengsten Gewaltakte gegen
Roma in Ungarn erscheint diese Theorie nicht unberechtigt. Seit Anfang
2008 sind sechs Roma Opfer von rassistischen Uebergriffen geworden,
die Opfer von Tatarszentgyoergy eingerechnet. Die Grausamkeit, ein
Haus anzuzuenden, um die Bewohner erschiessen zu koennen, wenn sie
sich retten wollen, trauen nicht nur Roma-Vertreter den ungarischen
Rechtsextremisten zu. Im November warfen vermutlich Rechtsextremisten
eine Handgranate in ein Haus, das von einer Roma-Familie bewohnt
wurde. Die Splitter zerfetzten einen 38-jaehrigen Mann und seine
31-jaehrige Frau. Die Kinder ueberlebten. Sie schliefen im
Nebenzimmer. Die Moerder sind bis heute nicht ausgeforscht worden.
Auch beim juengsten Mordanschlag ist laut vorliegenden Informationen
keine Rede von Verdaechtigen.
Gewalttaetige Attacken gegen Angehoerige der Roma-Minderheit mit etwa
600.000 Mitgliedern in Ungarn gehoeren seit beinahe zwei Jahren zum
Alltag. Die rassistischen Uebergriffe haben sich gehaeuft, seitdem die
so genannte "Ungarische Garde" gegruendet wurde, der paramilitaerische
Fluegel der Jobbik-Partei. Diese bestreitet freilich, dass die "Garde"
mit ihren Uniformen, die denen der faschistischen Pfeilkreuzler
nachempfunden sind, etwas anderes sei als eine Paradeformation mit
angeschlossenen sportlichen Uebungen. Die Mitglieder der "Garde"
provozieren regelmaessig Roma und schuechtern sie ein. Mehrfach sind
sie durch Roma-Viertel marschiert, im Dezember 2007 auch durch
Tatarszentgyoergy. Alles Zufall, glaubt man der Jobbik-Partei. Sie
verweist viel lieber auf Akte von "Zigeuner-Gewalt", wie es im Jargon
der Rechtsradikalen heisst. Seit 12 Tagen kampagnisieren die
ungarischen Rechten gegen mehrere Roma, die einen Handballspieler in
Veszprem in Westungarn getoetet haben sollen. Laut Medienberichten
duerfte eine Wirtshausschlaegerei ausser Kontrolle geraten sein. Die
Verdaechtigen sollen den Handballspieler erstochen und einem
Teamkollegen schwere Stichverletzungen zugefuegt haben. Seitdem
bekannt wurde, dass die Verdaechtigen Roma mit Verbindungen zur
organisierten Kriminalitaet sind, dominiert der Zwischenfall die
Chronik-Berichterstattung ungarischer Zeitungen, die der Rechten
nahestehen - und hasserfuellte Internetblogs. Indirekt wird der
Eindruck erweckt, der Tod des Handballspielers sei die Legitimation
fuer den Doppelmord von Tatarszentgyoergy.
Dass die "Garde" mittlerweile von einem Gericht verboten wurde, stoert
die Parteifuehrung nicht. Ihre Paramilitaers marschieren weiter. Erst
vor kurzem verhinderte die Formation eine Homosexuellen-Parade in
Budapest. Weitgehend ungehindert von den Behoerden. Diese scheinen
teilweise ueberfordert zu sein, teilweise, so vermuten Beobachter,
sympathisierten sie mit der "Garde".
Auch abseits der Politik tun sich "Garde"-Mitglieder mit
Gewalttaetigkeiten und offenen Drohungen hervor. Einige Mitglieder
arbeiten fuer einen privaten Sicherheitsdienst, der der "Jobbik" nahe
stehen soll. Gegen mehrere Mitarbeiter, die auch bei der "Garde" sind,
wird wegen Koerperverletzung ermittelt.
Die Gewalt gegen Roma hat andere Minderheiten auf den Plan gerufen.
Juedische Organisationen fordern ein Gesetz zum Schutz vor Rassismus.
Das gibt es in Ungarn offenbar nicht. Stattdessen kuendigte der
sozialistische Premierminister Ferenc Gyurcsany an, mehr Polizisten
ausbilden zu lassen. Als Reaktion auf den Mord von Veszprem. Davon,
dass die ungarischen Roma offenkundig eines bessere Polizei-Schutzes
beduerfen, war nicht die Rede.
*Viktor Englisch*
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