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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. Februar 2009; 17:00
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Moderne Zeiten/Kommentar:

> e-Voting: Back to the Future!

Es kam, wie es kommen musste. Waehrend unsere Dollfuss-Jugend mit
einer aeusserst jenseitigen Kampagne (ein Mann liegt mit zwei Frauen
und einem Laptop im Bett, dazu der Slogan "Die richtige Wahl Junge
OeVP fordert e-voting") wirbt, ist das elektronische Wahlsystem fuer
die kommenden OeH-Wahlen auch ausserhalb der Kreise der ueblichen
Verdaechtigen unter Beschuss geraten. Wie "Der Standard" berichtet,
stammt das hiesige System naemlich von der selben spanischen Firma
Scytl, die schon bei den Regionalwahlen in Grossbritannien 2007 fuer
die Software verantwortlich zeichnete. Doch die Sicherheitsmaengel des
Systems waren so gravierend, dass die Oberste Wahlkommission das
System verbot, denn das Wahlgeheimnis bleibe nicht gewahrt.
Evaluierungen der Software in Finnland fuehrten zu aehnlich
katastrophalen Ergebnissen.

Das sei jetzt natuerlich ein viel moderneres System, kam dazu von
hiesiger Behoerdenseite. Und es werde auch alles unabhaengig
kontrolliert -- allerdings von der Firma A-Sit, die im Aufsichtsrat
des Bundesrechenzentrums, das die Wahlen organisiert, vertreten ist
und auch kraeftig am Bundesauftrag fuer die Entwicklung der
legendaeren Buergerkarte beteiligt war.

Es ist das gleiche Phaenomen wie wir es schon mit der Pharmaindustrie
erlebt haben: "Unabhaengige Experten" empfehlen Impfstoffe oder
kontrollieren Pruefungsverfahren und stellen sich dann als Berater der
Medikamentenhersteller heraus -- denn im kleinen Oesterreich finden
sich halt keine Experten, die nicht mit der kompletten Fachcommunity
verbandelt sind und aus dem Ausland holt man sicherheitshalber
niemand, weil die Leute kennt man ja nicht.

Generell waere e-Voting -- per Wahlcomputer, aber besonders per
Browser von daheim aus -- ja durchaus eine sehr hilfreiche
Angelegenheit. Schliesslich wuerde bei einem sicheren System es
moeglich werden, ohne grosse Wahlkommissionen regelmaessig
Volksabstimmungen durchzufuehren. Das Kostenargument, dies nicht zu
tun, wuerde dann nicht mehr ziehen. Interessanterweise wurde derlei
aber noch selten von irgendwelchen Spitzenpolitikern ins Treffen
gefuehrt -- wohl aus Angst, dies koennte dann spaeter lautstark
eingefordert werden.

Das mit dem Sparsamkeitsargument hat aber natuerlich einen
Schoenheitsfehler: Die Wahlkommissionen treten immer noch auch
ueberall dort, wo Wahlcomputer und e-Voting eingesetzt werden,
zusammen. Tatsaechlich waeren diese Leute bei elektronischer
Stimmabgabe aber gar nicht mehr noetig -- nicht, weil die System
keiner Kontrolle mehr beduerften, sondern weil die Kommission kaum
Moeglichkeiten hat, den Wahl- und Zaehlvorgang in der "black box" zu
ueberwachen. Selbst wenn diese Kommissionen aus lauter IT-Fachleuten
bestuende, koennten sie den Vorgang nicht kontrollieren, ohne nicht in
Gefahr zu geraten, das Wahlgeheimnis zu verletzen.

Moeglicherweise sind solche augenscheinlich systemischen Fehler doch
durch gefinkelte Programmierung zu beseitigen. Nur: Die bislang
erhaeltlichen Systeme haben alle eines gemeinsam: Sie sind nicht Open
Source, sprich: ausser der Herstellerfirma und ein paar Eingeweihten
in den Behoerden weiss niemand, wie Hard- und Software funktionieren.
Wuerde der Software-Code offen aufliegen -- also das Prinzip der
Oeffentlichkeit gewahrt --, waere die IT-Community, der das sicher
eine Freude waere, in der Lage, die Fehler in diesen Systemen
aufzudecken. Es bleibt dann zwar immer noch die Frage, ob eine solche
fehlerfreie oder zumindest hinreichend fehlerfreie Software ueberhaupt
machbar ist -- man denke dabei an den Goedelschen
Unvollstaendigkeitssatz, der auf die Informatik angewandt nichts
anderes bedeutet, als dass jedes komplexere Programm Fehler enthalten
muss. Aber dass ueblicherweise die Interna dieser Wahlsysteme geheim
gehalten werden, ist selbst bei grosser Technikglaeubigkeit und einer
prinzipiell affirmativen Haltung zum e-Voting ein guter Grund zu
massivem Misstrauen. Auf einen anderen Bereich der
Informationstechnologie umgelegt: Auch bei Linux mit offenem Code
sollte man vorsichtig sein, was man damit macht, aber bei Microsoft
weiss man, dass man ein riesiges Sicherheitsproblem hat -- auch ohne
den Code zu kennen.

Und noch etwas muss bedenklich stimmen: Heutzutage sind hierzulande
Wahlmanipulationen nur selten moeglich, da die Kontrollsysteme gut
funktionieren. Gut funktionieren koennen sie aber nur dann, wenn die
zu kontrollierende Systeme so einfach sind, wie es die Papierwahl eben
ist. Und genau das ist der Punkt: "Eine Wahl ... wird im Normalfall
vom Gewinner der vorigen Wahl organisiert und abgehalten und dieser
Gewinner der vorigen Wahl hat natuerlich ein durchaus nachweisbares
Interesse an einer Manipulation dieser Wahl." meinte dazu kuerzlich
der Informatiker Peter Purgathofer von der TU Wien bei einem Vortrag.
Wenn also das System streng kontrolliert werden kann, vergeht dem
Machthaber doch die Lust an der Manipulation. Faellt die Kontrolle
weg, kann auch der wahrhaftigste Demokrat -- in der ehrlichen
Ueberzeugung, nur das Beste fuer das Volk zu wollen -- in Versuchung
geraten. Wollen wir unsere Volksvertreter dieser Gefahr aussetzen?

Wir haben auch hier in Mitteleuropa keine Demokratien -- es herrschen
oligarchische Cliquen und das grosse Kapital. "Wenn Wahlen etwas
veraendern koennten, waeren sie laengst verboten", sagt ein altes
anarchistisches Bonmot. Abgesehen davon werden wir eh nur sehr selten
"an die Urnen gerufen". Und dennoch koennen Wahlen unsere sensiblen
Herrschenden immer noch ein bisserl stoeren. Wahlergebnisse, die nicht
so ausfallen, wie von oben gewuenscht, sind halt doch laestig. Dieser
Stoerfaktor koennte mittels e-Voting beseitigt werden.

Daher wird es wohl besser sein, wenn wir weiter haendisch die
Kreuzerln auf Papier zaehlen -- auch wenns ein bisserl altmodisch
wirkt.
*Bernhard Redl*

WWWebtip: http://www.papierwahl.at

*

Mehr zum Thema:

Die Gruppe "Mehr Demokratie!" hat die wahlwerbenden Gruppierungen in
Salzburg und Kaernten um ihre Meinung zu mehr Partizipation des
angeblichen Souveraens gebeten. Die Antworten gibt es unter:
http://www.mehr-demokratie.at/



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