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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 17. Februar 2009; 16:42
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Glosse:
> Die Religion und die Kunst
Die Religionsfreiheit abzuschaffen loest das Problem nicht ganz. 
Gedanken zum Artikel "Religion als Mittel" von Bernhard Redl
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Als atheistischer Jude macht man sich ja auch hin und wieder Gedanken 
ueber Religion. Der Begriff Religionsfreiheit ist sicher in der 
Geschichte positiv zu besetzen, so lange er bedeutet hat, dass sich 
jeder und jede aussuchen darf, ob er oder sie sich Gott als Frau oder 
Mann, als schwul oder asexuell, als Nichts oder als Alles vorstellen 
darf, ob er oder sie ihn oder sie malen darf oder soll oder eher 
nicht. Aber wozu brauche ich heute im buergerlichen Rechtsstaat ein 
eigenes Gesetz dafuer?
Dieser Begriff erinnert mich ein bisschen an die Freiheit der Kunst. 
Als ich meinen Rechtsstreit mit der Grazer Bundespolizei hatte, ob ich 
in der Oeffentlichkeit die sexistische Darstellung von Frauen in der 
Kronenzeitung mit den mir zur Verfuegung stehenden kuenstlerischen 
Mitteln kritisieren darf, hat sich mein Rechtsanwalt Thomas Hoehne 
gefreut, weil er diesen damals neuen Paragraphen ausprobieren konnte.
Ich habe mich geaergert, weil ich nicht eingesehen habe, dass ich als 
Kuenstler, der zu sein ich natuerlich dann zu beweisen haette, das 
Wort "Schwanz" singen darf, aber als Nicht-Kuenstler eben nicht. Ich 
habe lieber mit der schlichten, jedem und jeder zustehenden 
Meinungsfreiheit (die Aeusserung dieser Meinung natuerlich 
eingeschlossen) argumentiert.
Wozu brauche ich also heute diese speziellen Freiheiten, fuer die ich 
eine Extra-Berechtigung begruenden muss, sei es, dass ich als 
Kuenstler durchgehe, sei es, dass meine Sekte eine anerkannte ist?
Mir faellt dazu nur ein, dass das alles auch Geld kostet. Natuerlich 
hat jeder und jede das Recht als Muttersprache Serbokroatisch zu 
sprechen. Aber steht ihm oder ihr dann auch zu, das in der Schule 
angeboten zu kriegen? Na, da sind wir uns wahrscheinlich einig. Aber 
gilt das fuer jede Sprache, auch wenn sie nur drei Menschen in 
Oesterreich sprechen?
Religionsunterricht kostet Geld. Anerkannten Religionen zahlt der 
Staat die ReligionslehrerInnen. Das gute alte Konkordat, das daher 
auch den Muslimen zugute kommt. (Dass der Staat, wenn er zahlt, auch 
mehr Moeglichkeiten der Kontrolle hat, wie das Susi Jerusalem als 
bedenkenswertes Argument vorgebracht hat, gehoert vielleicht ein 
andermal diskutiert.)
Wie waer's mit einer Religion, die verkuendet, dass entfremdete Arbeit 
gesundheitsschaedlich ist (ist ja auch wahr!) und von den Glaeubigen 
nur Montag und Mittwoch verrichtet werden darf? Wie viele Feiertage 
gestehen wir einer Religion zu?
Bei der Kunst ist es das Gleiche. Ich gehe begeistert in die 
Staatsoper und bin froh, dass dieses Vergnuegen einer 
gesellschaftlichen Minderheit gesellschaftlich anerkannt ist. Aber ich 
kenne auch das Problem der Kunstschaffenden, die nicht subventioniert 
werden, obwohl sie der Gesellschaft was Spannendes zu vermitteln 
haetten.
Was wir also brauchen ist eine gute (was immer das auch heisst) 
Kulturpolitik (im weitesten Sinn).
Aber eine Religionsfreiheit, also eine Freiheit, die gewissen Leuten 
zugesteht, Sachen machen zu duerfen, fuer die andere Leute 
kriminalisiert werden, brauchen wir nicht.
Hm, mehr Fragen als Antworten. Und solange der Kapitalismus nicht 
abgeschafft wurde, natuerlich nicht das Hauptproblem.
Aber trotzdem.
*Kurt Winterstein*
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