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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 17. Februar 2009; 16:29
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Geschichte/Glosse:
> Vor dreissig Jahren
Revolution und Konterrevolution im Iran
Bis dahin waren die Fronten klar. Links gegen rechts; der Schah: ein 
reaktionaerer Diktator, ein Verbuendeter des Imperialismus. Sein Volk 
litt Not, Kinder verhungerten. Wenn er auf Wienbesuch kam zur 
Frischzellenkur, demonstrierten wir gemeinsam mit iranischen Studenten 
gegen ihn. Schahtreue Jubelperser vom Geheimdienst SAVAK pruegelten in 
Wien und Berlin auf Demonstranten ein.
In den Foltergefaengnissen im Iran gingen unzaehlige Linke zugrunde. 
Aber wir glaubten fest daran: Eines Tages, und zwar bald, wuerde das 
Volk den Schah stuerzen, wuerde der Iran frei sein.
Vor dreissig Jahren, im Februar 1979, war es so weit. Die Massen im 
Iran eroberten die Strasse. Der Schah war gefluechtet. Einen 
Augenblick lang standen die Volksfedajin (eine linkskommunistische 
Bewegung) und die Volksmudjaheddin (die - vergebens - versuchten, 
Islam und Sozialismus zu vereinigen) an der Spitze der Bewegung. In 
den Staedten jedenfalls, bei der Jugend, auf der Universitaet...
Dann kam alles ganz anders. Unbemerkt von uns hatten die Mullahs die 
Opposition gegen den Schah unterwandert. Lange Zeit hatten sie beim 
Volk als Heuchler und Parasiten gegolten. Aber waehrend die Linken im 
Gefaengnis gefoltert wurden, hatten die Mullahs Zeit genug gehabt, 
ihren Einfluss auszubauen: unter den reaktionaersten, korruptesten 
Elementen der Gesellschaft, bis hin zur organisierten Kriminalitaet - 
jenen Schichten, die in jedem Land die Basis des Faschismus sind. 
Freilich auch unter den Massen der Modernisierungsverlierer, unter 
denen die Linken zu wenig verankert waren.
Khomeiny, einem -- bei allem Altersstarrsinn -- raffinierten 
Intriganten, gelang es, die linken Gruppen gegeneinander auszuspielen. 
Allzu lange jubelten seine spaeteren Opfer ihm zu. Immerhin war er 
doch auch gegen den Schah, gegen Amerika, gegen Israel... Bis sie alle 
an die Wand gestellt wurden, eine Gruppe nach der anderen; zuerst die 
Fedajin, dann die Mudjaheddin; als letzte kamen die moskautreuen 
Tudeh-Kommunisten dran. Die hatten Khomeiny, dem "Antiimperialisten", 
bis zuletzt die Stange gehalten und die anderen Linken verleumdet, bis 
sie selber an der Reihe waren.
Waere es besser ausgegangen, haetten die Linken geschlossen (auch 
gemeinsam mit den - freilich schwachen - buergerlich-liberalen 
Kraeften) gegen Khomeiny gekaempft? Wahrscheinlich auch nicht. Aber 
ehrenvoller waere es gewesen, und sie haetten nicht ihren ganzen 
Kredit verspielt.
Der Schleier kam ueber den Iran, die Rechte der Frauen wurden 
ausgeloescht. Auf Unzucht steht seither die Peitsche, auf Ehebruch die 
Steinigung, auf Homosexualitaet ebenso. Allzu viele "gute Marxisten" 
hielten das fuer einen "Nebenwiderspruch".
Der Sieg der islamischen Konterrevolution im Iran war ein Meilenstein 
fuer den Aufstieg einer neuen Art von Faschismus. Damit haben wir 
seither Tag fuer Tag zu tun.
In Afghanistan erschossen die prowestlichen, von Amerika 
aufgeruesteten Mudjaheddin in jedem Dorf, das sie "vom Kommunismus 
befreiten", als erstes den Lehrer. Der hatte naemlich die Kinder (ja, 
die Maedchen sogar!) lesen und schreiben gelehrt.
In Pakistan schuetteten Islamisten "treulosen" Frauen Saeure ins 
Gesicht, in Algerien schnitten sie ihnen die Kehlen durch. In Berlin 
wurde Hatun (ihr Name steht stellvertretend fuer unzaehlige Frauen, 
die in Freiheit leben wollen) von ihren Bruedern erschossen, in Tirol 
Layal von ihrer Familie umgebracht.
Der Iran wird aber vielleicht auch das erste Land sein, das sich vom 
Joch der alten Ordnung befreit. Die Jugend des Iran, der Staedte vor 
allem (und das gilt fuer junge Maenner ebenso wie fuer junge Frauen), 
hat genug von den Mullahs, genug von der religioesen Heuchelei. Dieser 
Protest entlud sich 1999 in den Studentendemonstrationen 
(niedergeknueppelt unter dem ach so liberalen Praesidenten Khatami); 
er fand Unterschlupf in privaten Freiraeumen; er kann wieder zur 
Revolte fuehren, viel frueher vielleicht als mancher Mullah (hier und 
dort) glaubt.
Irgendwie gespuert hat das ein anderer (als "gemaessigt" 
missverstandener) Expraesident, Rafsandjani, von dem der Ausspruch 
stammt: "Amerika kann den Islam auch mit all den Panzern, Bombern und 
Raketen nicht besiegen. Der Islam wird aber bezwungen werden, wenn 
sich die Frauen weigern, die Haare zu bedecken und sich anstaendig zu 
kleiden."
Die Zerstoerung der traditionellen Familie, der islamischen Moral im 
Iran wird, so hoffen wir, das Zeichen zum Aufbruch sein fuer die 
Jugend in allen vom Islam gepraegten Laendern, aber auch fuer die 
naechste Generation der Eingewanderten in Europa und in Oesterreich.
Auch hier bei uns werden Burschen und Maedchen der dritten und vierten 
Generation gleichermassen erleben und erkennen, dass sie ihre 
Beduerfnisse nur miteinander, nur im gemeinsamen Kampf beider 
Geschlechter gegen Familie und Religion befriedigen koennen. Das habe 
ich vor einigen Jahren einem islamischen Wortfuehrer in Wien zu 
erklaeren versucht - wahrscheinlich ohne Erfolg. Ich habe ihm bei 
einer Podiumsdiskussion gesagt: "Wir werden eure Kinder verfuehren. 
Wir wissen, wie das geht: Wir haben ja schon 1968 die Kinder des 
christlich-abendlaendischen Kleinbuergertums verfuehrt."
Khomeiny und Ratzinger - Brueder derselben schlechten Art. Ihre Zeit 
laeuft ab, in Europa genauso wie im Iran.
*Michael Genner (gek.)*
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