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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 11. Februar 2009; 03:32
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Glosse:
> Yilmaz und Schuster
Die Studie ueber Einstellung und Arbeitsbedingungen ist das beste
breitenwirksame Argument gegen den konfessionellen Religionsunterricht
seit langem. Stattdessen wird sie als Vorwand fuer rassistische Hetze
missbraucht oder man versucht, die offenkundigen Missstaende mit
Gesetzesreparaturen zu beseitigen, die nur auf den ersten Blick ein
Schritt Richtung Laizismus sind.
Bis zu 28 Prozent der islamischen Religionslehrer in Oesterreich sehen
in der einen oder anderen Form einen Widerspruch ihrer Religion zu
Menschenrechten, Demokratie und Verfassung. Eine ehrliche Aussage,
koennte man sagen. Bei katholischen Religionslehrern waere dieser
Prozentsatz genauso hoch, wuerde man die Fragen entsprechend
formulieren. Wer an Katechismus und Bibel glaubt und den Vatikan als
oberste Autoritaet in Fragen der Lebensfuehrung betrachtet, steht
notwendigerweise im Widerspruch zu Menschenrechten, Demokratie und
Verfassung. Aehnliches gilt fuer Vertreter aller
Religionsgemeinschaften. Wer Gott oder ein Aequivalent ueber Mensch,
Gesellschaft und Staat stellt, muss, wenn er ehrlich ist, zur
Ueberzeugung gelangen, dass diese Republik nicht den eigenen,
"heiligen" Werten entspricht. So wenig laizistisch sie auch ist.
Natuerlich sagt die Studie mehr aus ueber die strukturellen Probleme
der Islamischen Glaubensgemeinschaft als oberster Dienstherrin der
Lehrer als ueber die innere Einstellung der 400.000 Menschen in
Oesterreich, bei denen im Meldezettelkaestchen Religionsbekenntnis
"Islam" steht. Und sie sagt sogar sehr viel aus ueber die soziale
Struktur der Migranten. Ein grosser Teil der befragten Religionslehrer
fuehlte sich schlecht ausgebildet, klagte ueber mangelnde
Deutschkenntnisse, fuehlte sich ueberfordert. Man darf vermuten auch
frustriert. Zu Recht frustriert. Wenn die eigenen Chefs einen nicht
ausreichend vorbereiten koennen, mit zwanzig oder mehr Kindern
zurechtzukommen, wenn das Angebot an (leistbaren) Deutschkursen
jahrzehntelang nicht ausreichend war, man vor lauter Arbeit keine Zeit
hatte, die Sprache zu lernen - wie soll man nicht frustriert sein? Und
es duerfte dem Respekt gegenueber Staat und Gesellschaftsordnung nicht
sonderlich zutraeglich sein, wenn man taeglich erlebt, wie schwer es
die eigenen Schueler in der Schule und spaeter am Arbeitsmarkt haben.
Wer Yilmaz heisst, bekommt schwerer einen Lehrplatz oder ein
Vorstellungsgespraech als jemand, der Schuster heisst. Irgendwie
ueberrascht es so gesehen wenig, wenn ein hoher Prozentsatz der Lehrer
seine Aufgabe darin sieht, auf Basis der Religion den eigenen
Schuelern ein Ueberlegenheitsgefuehl gegenueber anderen zu vermitteln.
Dazu kommen spezifische Faktoren, die im oesterreichischen Recht
genauso begruendet sind wie in den Maengeln innerhalb der
Glaubensgemeinschaft. Wer Priester ist, Imam, Rabbiner oder wie auch
immer die Bezeichnung der jeweiligen Religion, darf problemlos hier
einwandern und arbeiten. Die katholische Kirche profitiert massiv von
dieser Regelung. Sie kompensiert den inlaendischen Personalmangel mit
polnischen Pfarrern. Die Muslime haben aus dem arabischen Raum Imame
importiert. Oft genug mit mehr als zweifelhafter politischer
Gesinnung. Genau geschaut hat man wahrscheinlich nicht. Auch das zeigt
sich in der Studie. Andererseits gelten polnische Pfarrer auch nicht
als Verfechter von Aufklaerung und Laizismus.
Das soll die Ergebnisse dieser Studie nicht beschoenigen. Dass bis zu
einem Viertel, sagen wir, Verhaltensauffaelliger, vom Staat bezahlt,
auf wehrlose Kinder losgelassen wird, sollte niemanden kalt lassen.
Nur, haben wir eine Garantie, dass es in anderen
Religionsgemeinschaften wesentlich anders laeuft? Auch von
katholischen Lehrern sind Aussagen bekannt, die Kinder zu Intoleranz
aufstacheln. Dass es bei den Katholiken keine Studie zum Thema gibt,
zeigt eher, wie gross das politische Beduerfnis ist, Muslime generell
als antidemokratisch usw. hinzustellen. Die Glaubensgemeinschaft hat
diesen Rechtfertigungsdruck verinnerlicht. Sie laesst Missstaende
untersuchen - um sie zu relativieren, wenn sie bekannt werden. Eine
zweifelhafte PR-Strategie. Eher beruhigend die Tatsache, dass die
Haelfte der muslimischen Eltern ihre Kinder den staatlich bezahlten
Wahnsinnigen nicht aussetzen will und sie abgemeldet hat. Eine so hohe
Quote wuerde man sich bei anderen Religionsgemeinschaften auch
wuenschen.
Dass diese Befragung den Generalverdacht gegen Muslime vorderhand zu
rechtfertigen scheint, liegt auf der Hand. Die Reaktionen der
Rechtsaussenparteien liessen nicht lange auf sich warten. Die Studie
wurde umfunktioniert zum Argument gegen rassistische Hetze. Gruene,
SPOe und OeVP reagierten zoegerlich - und propagierten, was Christian
Rainer im "profil" als "Staatskirchentum" bezeichnete. Nicht der
konfessionelle Religionsunterricht wird infrage gestellt, nur die
mangelnde staatliche Kontrolle. Sie einzufuehren, wuerde vielleicht
manche Missstaende beseitigen. Sie wuerde aber eine noch engere
Verschraenkung von Staat und Religionsgemeinschaften mit sich bringen.
Was die Republik nicht braucht.
Die Studie zeigt Missstaende, die nirgendwo ausgeschlossen werden
koennen. So lange Metaphysik nach dem Exklusivitaetsprinzip
unterrichtet wird, so lange wird das die demokratische Erziehung von
Kindern behindern. So lange Kinder als auszubildende Katholiken,
Muslime etc. gesehen werden, so lange werden sich auch voneinander in
diesen Kategorien denken. So lange werden sie Intoleranz von Menschen
lernen, die der Staat bezahlt. Die besonders Auffaelligen braucht es
nicht einmal, um das zu erreichen. Sie verstaerken diese Tendenz nur
ins unmittelbar Besorgniserregende.
Wer das ausschliessen will, muss dafuer eintreten, den konfessionellen
Religionsunterricht ohne Wenn und Aber abzuschaffen. Auch wenn es die
Mehrheit vielleicht nicht so gerne hoert. Wem es ein Anliegen ist,
dass die eigenen Kinder zu Toleranz, Selbststaendigkeit und
Demokratiebewusstsein erzogen werden, der sollte das auch oeffentlich
fordern. Auch um zu zeigen, dass Bewegungen, die seit langem fuer
diese Werte eintreten, nicht alleine sind. Sondern dass etwa hinter
uns Freidenkern viele stehen. Moegen sie Mitglied sein oder nicht.
Erst dann wird sich etwas aendern.
*Viktor Englisch*
(Vorauspublikation aus: http://www.freidenker-oesterreich.at/)
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