**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 11. Februar 2009; 03:08
**********************************************************

EU/Ganz rechts:

> Rechtsextreme proben Wiedereintritt ins EP

Neue Runde, neuer Einsatz, neue Chance: Dieses Motto scheint sich
Europas extreme Rechte im Vorfeld der naechsten Europaparlamentswahl
zu eigen zu machen. Und so probt man schon einmal, grenzuebergreifend,
den Einzug in das Strasbourger Parlament, wo man eine Kooperation in
neuer Form anstrebt. Am Wochenende des 31. Januar und 1. Februar fand
dazu eine Tagung in Wien statt.
*

Die Wahl findet europaweit am 7. Juni dieses Jahres statt. In der
jetzt auslaufenden Legislaturperiode des Europaeischen Parlaments (EP)
hatte kurzzeitig, waehrend mehrerer Monate des Jahres 2007, eine
gemeinsame Fraktion der rechtsextremen Parteien existiert. Letztere
hatten dadurch zusammen die Fraktionsstaerke - fuer die mindestens 20
Abgeordnete, die aus mehreren Mitgliedsstaaten kommen muessen,
erforderlich sind - erreichen koennen, dass mit dem EU-Beitritt
Rumaeniens und Bulgariens im Januar 2007 starke rechtsextreme Parteien
einzogen. Damals jedenfalls waren diese Kraefte stark, denn zumindest
die Grossrumaenienpartei (PRM) von Corneliu Vadem Tudor hat
zwischenzeitlich starke Einbrueche erlebt: Bei einer Nachwahl zum EP
in Rumaenien im November 2007 erzielte die Partei nur noch 3,5
Prozent, und bei der rumaenischen Parlamentswahl im Dezember 2008
scheiterte sie mit rund vier Prozent der Stimmen an der in Bukarest
geltenden Fuenf-Prozent-Huerde. Stark bleibt hingegen die bulgarische
Ataka-Partei. Doch inzwischen hat sich auch die gemeinsame Fraktion in
Strasbourg laengst zerlegt: Diese scheiterte im Herbst 2007 an
heftigen Querelen zwischen der italienischen Rechtsextremistin und
"Duce-Enkelin" Alessandra Mussolini, die grob und pauschal ueber
rumaenische Einwanderer in ihrem Land hergezogen war, und den
Abgeordneten der PRM. Haette die italienische Rechtsradikale allein
gegen aus Suedosteuropa stammende Roma gehetzt, es waere ihren
rumaenischen Kameraden ja recht gewesen. Allein, sie hatte es
uebertrieben - und auch gleich den Abzug, ja Hinauswurf des
rumaenischen Botschafters aus Italien gefordert.

Von Kopenhagen bis Sofia, von Bruessel bis Belgrad

Nun versuchen es die Rechtsextremen aus mehreren europaeischen
Laendern also erneut. Wieder will man zusammen eine Praesenz im EP
anstreben und versuchen, dort Einfluss auszuueben - fuer ein "Europa
der Nationen und Voelker", gegen eine supranationale Integration und
den Lissabon-Vertrag. An der gemeinsamen Tagung in Wien nahmen neben
Vertretern der oesterreichischen FPOe als Gastgeberpartei (ihr Chef
Heinz-Christian Strache und ihr einziger EP-Abgeordneter Andreas
Moelzer) u.a. Bruno Gollnisch vom franzoesischen Front National teil -
also der fruehere Chef der rechtsextremen Fraktion im EP, derzeit
Vizepraesident des franzoesischen FN und fuer "internationale
Angelegenheiten" zustaendig, aber neben der weitaus maechtigeren
Co-Vizepraesidentin Marine Le Pen eher auf dem absteigenden Ast. Auch
die amtierenden Europarlamentarier Philip Claeys (vom
belgisch-flaemischen ‚Vlaams Belang') und Mogens Camre (von der
rassistischen ‚Daenischen Volkspartei' DFP) waren anwesend. Neben
diesen groesseren Formationen wurde auch die Praesenz von Vertretern
der deutschen rechtspopulistischen Regionalpartei ‚Pro Koeln'
respektive ‚Pro NRW' - Markus Beisicht, Judith Wolter und Markus
Wiener - vermeldet. Ferner nahmen die bulgarische Ataka-Partei und
durch die Presseaussendungen zunaechst nicht naeher bezeichnete
politische Kraefte "aus Italien, der Schweiz, Serbien und Russland" an
dem Treffen teil.

Im Anschluss praezisierte ein spaeteres Pressekommuniqué der
veranstaltenden FPOe dann: "Tomislav Nikolic bedachte aufgrund
kurzfristiger Termine die Veranstaltung mit seinen Grussworten, Mag.
Batinac vom Buero der Ministerpraesidenten der Republik Srpska [Anm.:
Korrekt: ""Republika Srpska"] war ebenso zugegen wie der Russe Maxim
Sechschenvko, Berater von Wladimir Putin." (Vgl. 1) Tomislav Nikolic
ist der Chef der rechtsextremen, ultranationalistischen "Serbischen
Radikalen Partei" SRS, die nicht nur einen gewissen Juergen Elsaesser
zu ihren Freunden und ideellen Unterstuetzern zaehlt, sondern auch
u.a. 1997 und 2000 dazu eingeladen war, Gaeste zu den Parteitagen des
franzoesischen FN zu entsenden. Wo ihre Vertreter allerdings nicht
auftauchten, da der damalige SRS-Chef Vojslav Seselj als
Kriegsverbrecher von Interpol und vom Internationalen Gerichtshof in
Den Haag gesucht wurde - spaeter wurde er auch verhaftet und nach Den
Haag ueberstellt. Auch durch die oesterreichische FPOe unter
Heinz-Christian Strache werden die serbischen Ultranationalisten
inzwischen aeusserst zuvorkommend behandelt, denn wie auch die
franzoesische extreme Rechte (in ihren Mehrheit, ein ultrakatholischer
Minderheitsfluegel ist vorwiegend pro-kroatisch) hat sich auch die
FPOe inzwischen auf eine Linie eingeschossen, die da lautet: "Das
Kosovo ist und bleibt serbisch". Es gelte ihrer Auffassung nach, den
serbischen Nationalismus gegen die von den kosovo-albanischen
Nationalisten am 17. Februar 2008 offiziell proklamierte
Unabhaengigkeit des Kosovo als vermeintlichem "neuem Moslemstaat
mitten in Europa" zu unterstuetzen. Am Abend des bisher groessten
Wahltriumphs der oesterreichischen extremen Rechten (FPOe und BZOe
vereint), bei der Nationalratswahl vom 24. September 2008, trat H.-C.
Strache symbolisch mit einem - laut eigenem Bekunden - "orthodoxen
Armband" (sic) aus Serbien vor die versammelte Presse.

Zum Abschluss der Zusammenkunft besuchten die Beteiligten den in
Oesterreich auf Grund rechtsextremer Tendenzen und teils offener
Nazisympathien umstrittenen "WKR-Ball der studentischen Verbindungen"
in der Wiener Hofburg.

Neue Strategie

Geaendert hat sich offenkundig die Taktik, mit der die vereinigten
Rechtsextremen in die kommende EP-Wahl ziehen moechten. Als
strategisches Ziel angestrebt wird nicht laenger die Bildung einer
eigenen gemeinsamen Fraktion, sondern die Aufnahme in die bereits
bestehende, groessere Parlamentariergruppe "Union fuer ein Europa der
Nationen". In dieser sind derzeit 44 von insgesamt 785 Abgeordneten
des EP Mitglied. Ihr gehoeren bislang solche Parteien an, die zwar
weit rechts stehen, aber nicht in einer pro-faschistischen oder
Pro-Nazi-Tradition angesiedelt sind. Zu den ihr angeschlossenen
Parteien zaehlen etwa die beiden Mitgliedsformationen der
italienischen Regierungskoalition, Alleanza Nazionale - die mit ihrer
offen faschistischen Herkunft offiziell gebrochen hat - und Lega Nord.
Aus Polen zaehlen sowohl die populistische Bauernpartei Samoobrona als
auch die antisemitische "Liga der polnischen Familien" zu der
Fraktion, in der ferner mehrere Parteien aus den drei Laendern des
Baltikums und die konservative Grosspartei ‚Fianna Fail' aus Irland
sitzen.

Der Europa-Abgeordnete der daenischen DFP (Dansk Folkeparti), Morgens
Camre, hat den in Wien Versammelten seine Hilfe bei der Aufnahme in
diese Fraktion zugesichert. Ihr gehoert auch seine Partei an, die in
Daenemark ab 2001 mehrere Jahre lang die konservativ-liberale
Regierung als parlamentarische Mehrheitsbeschafferin - im "Tausch"
gegen eine drastische Verschaerfung der Einwanderungs- und
Asylgesetze - stuetzte.

Unglueck allerdings fuer die fruehere Partei Joerg Haiders, das
"Buendnis Zukunft Oesterreichs" (BZOe), das sich 2005 von der FPOe
abgespalten hatte: Noch im Mai 2007 hatte das BZOe, nach einem
Zusammentreffen zwischen seinem Klubobmann Peter Westenthaler und dem
Fraktionsvorsitzenden der Lega Nord im italienischen Parlament -
Roberto Maroni - in Rom angekuendigt, zukuenftig gemeinsam mit der
Lega in deren Fraktion im EP sitzen zu wollen. Jedenfalls wenn es denn
in der naechsten Legislaturperiode auf den Parlamentsbaenken in
Strasbourg Platz nehmen koennte, wo es im Augenblick nicht vertreten
ist. (Vgl. 2) Noch allerdings kann das BZOe nicht sicher sein,
ueberhaupt in das kommende Europaeische Parlament einzuziehen. Und
falls ihm dies gelingt, so hat ihr die Konkurrenz von der --
"radikaleren" aber staerkeren - FPOe jetzt ein Schnippchen geschlagen.
Denn wer zuerst kommt, malt mutmasslich zuerst.
(Bernard Schmid in der deutschen Onlinezeitung "trend"/gek.)

1)
http://www.ots.at/presseaussendung.php?schluessel=OTS_20090201_OTS0032&ch=politik
2)
http://www.politikportal.at/presseaussendung.php?schluessel=OTS_20070530_OTS0165

Quelle: http://www.trend.infopartisan.net/trd0209/t200209.html



***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin