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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 11. Februar 2009; 03:30
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Glosse:
> Demokratisches, Allzudemokratisches
Irgendwie ist das schon ein Hund mit der Demokratie in der Schweiz. Da
machen sie sich das zum Teil selber. Natuerlich kommt bei den
Volksabstimmungen nicht immer allzu Fortschrittliches heraus --
schliesslich gibt es auch dort rechtspopulistische Parteien wie die
SVP oder opportunistische Sozialdemokraten. Auch haben sie
Boulevardblaetter wie den "Blick". Von nicht gerade fremden- oder
frauenfreundlichen Traditionen ganz zu schweigen. Aber die
Schweizer -- und seit ein paar Jahrzehnten auch alle Schweizerinnen --
stimmen oft genug so ab, wie die dortige Kommission fuer Weisheit, der
Bundesrat naemlich, es fuer nicht angebracht haelt. Und es ist halt
schon ein bisserl mehr als "Unabhaengigkeitsfolklore" (Christoph
Prantner im "Standard"), wenn das Schweizer Wahlvolk zwar
Kooperationsabkommen mit der EU akzeptiert, aber sich immer ein "Njet"
vorbehaet, will man ueber es drueberfahren.
Als bei uns die oesterreichischen Koalitionsparteien verkuendeten, man
wolle die Wahlperiode verlaengern, war der Protest eher flau. Wer in
der Schweiz die demokratischen Instrumenten einschraenken moechte,
muss sich hingegen warm anziehen -- oder besser gleich wieder in seine
warme Stube zurueckfluechten, wie das neulich passierte. Da kam doch
am Abend des 4.Februars folgende Meldung im Schweizer Fernsehen: "Der
Bundesrat erwaegt, die Zahl der Unterschriften zu erhoehen, die es
fuer Initiativen und Referenden braucht. Grund: Dank dem Internet
koennen Unterschriften schneller gesammelt werden. ... Die
Bundeskanzlei muss nun unter anderem abklaeren, ob die Zahl der
benoetigten Unterschriften erhoeht oder die Dauer der Sammelfrist
verkuerzt werden solle, sagte [Sprecher der Bundeskanzlei] Moser." Das
wars dann aber auch schon. Am Morgen des naechsten Tages sollte das
alles gar nicht wahrgewesen sein. Da verkuendete die Bundeskanzlei:
"Die Bundeskanzlei zieht Aussagen ueber Erhoehung der
Unterschriftenzahlen oder Verkuerzung der Sammelfristen zurueck."
Gemeint sei etwas ganz was anderes gewesen, naemlich, dass es in
Hinkunft nicht mehr moeglich sein solle, als voellig anonymes Komitee
Unterschriften zu sammeln. Ja, diese beiden Aussagen kann man sicher
sehr leicht verwechseln. Sprich: Da hat wer ganz schnell ganz viel
Angst vor der oeffentlichen Meinung bekommen.
Venezuela ist auch sehr demokratisch. Zumindest wenn man der Wiener
venezolanischen Botschaft glauben darf. "Venezuela: Eine echte
Volksdemokratie" steht da auf einem Folder, den die Botschaft an alle
Interessierten verschickte. Insgesamt findet sich der Slogan gezaehlte
dreizehnmal auf dem Druckwerk. Ihre Liebe zum Instrument der
Volksabstimmung -- nach einem erst kuerzlich verlorengegangenen
Verfassungsreferendum -- hat die venezolanische Regierung jetzt
naemlich neu entdeckt, weil es darum geht, die Beschraenkung der
Wiederwahlmoeglichkeit fuer den Staatspraesidenten und andere direkt
gewaehlte Staatsorgane in der Verfassung aufzuheben -- soll heissen:
Chavez forever! Weil, so die Botschaft, schliesslich bestimme in einer
Demokratie das Volk und wenn das Volk Chavez immer wieder waehlen
wolle, so muesse es das auch duerfen und deswegen gibt es ein
Referendum, ob das die Verfassung zulassen solle. Eine absolut
schluessige Beguendung, sicher. Dass es aber gerade
demokratiepolitische Gruende sind, die dafuersprechen, die Traeger der
hoechsten Wuerden regelmaessig auszutauschen, um das Abgleiten in eine
offene Diktatur zu verhindern, ficht die venezolanischen
Oberdemokraten nicht an. Es ist schon interessant: Wladimir Putin hat
in Russland mittels Verfassungsreferendum schon so einiges
durchgesetzt. Die Moeglichkeit aber einer Verewigung seiner Position
als Staatspraesidenten war ihm dann aber wohl doch zu heiss -- er
versucht es lieber hintenherum mit einer eingeschobenen Amtszeit als
Ministerpraesident. Chavez ist da konsequenter.
In der Schweiz werden Abstimmungen unmittelbar oder mittelbar meist
von unten erzwungen -- mittelbar insofern, als dass es fuer die
Obrigkeit einen besseren Startvorteil darstellt, wenn sie formal
selbst zur Urne ruft, anstatt sich von irgendeiner
Abstimmungsinitiative dorthin erst pruegeln zu lassen. Denn in der
Schweiz kommt es beim Buerger gar nicht gut an, wenn die Obrigkeit
ueber etwas nicht abstimmen lassen moechte -- weil dann faengt das
Volk zum Unterschriften sammeln an und stimmt ungefragt ab. Und dann
besteht die Gefahr, dass sie nur deswegen gegen die Plaene der
Regierung stimmen, weil die Regierung ihre Plaene gar so praepotent
durchdruecken wollte.
In Venezuela und speziell in Oesterreich werden Volksabstimmungen nur
von oben initiiert und nur dann, wenn es aus rechtlichen oder
politischen Gruenden unbedingt notwendig ist -- in Oesterreich hat es
daher seit 1945 genau 2 bundesweite Volksabstimmungen gegeben. 2
Volksabstimmung im Quartal hingegen sind in der Schweiz schon eher
wenig. Und wenn den Schweizern jemand dieses Recht des Abstimmens
wegnehmen oder auch nur schmaelern will, reagieren sie sehr
ungemuetlich. Opportunismus ist -- in demokratiepolitischen Fragen --
dort nicht so opportun wie bei uns.
Es ist alles sehr kompliziert. Demokratie ist nicht gleich Demokratie.
Und meist ist es nichtmal Demokratie, sondern die Herrschaft jener
Minderheit, die die Spielregeln diktiert, ueber die Mehrheit. Wenn die
buergerliche Demokratie ausnahmsweise doch eine ist, ist es wieder nur
die Herrschaft der Mehrheit ueber die Minderheit. Und diese Mehrheit
weiss oft nicht ganz so genau, warum sie dieser oder jener Meinung
ist.
So kommt es also auch darauf an, freie Menschen zu schaffen, die dann
eben auch frei abstimmen koennen. Aber wer schafft diese freien
Menschen? Und wer definiert Freiheit?
Es ist so eine Sache mit der Demokratie...
*Bernhard Redl*
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