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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 27. Januar 2009; 23:04
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Tuerkei/Medien:

> Maechtiger Falke

"Freie Meinungsaeusserung" ist in der Tuerkei nach wie vor kein
besonderer Wert. Ein Bestandsaufnahme aus der Zuercher WoZ.
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Die Tuerkei hat bald so viele Einwohnerinnen wie Deutschland, aber am
Bosporus teilen sich 38 tuerkische Zeitungen insgesamt eine Auflage
von gerade mal 4,9 Millionen Exemplaren -- so viel wie allein die
deutsche «Bild»-Zeitung in guten Zeiten taeglich verkaufte. Dabei
beherrscht Aydin Dogan mit seinen 8 Tageszeitungen und 22 Magazinen
die Haelfte dieser Auflage und kassiert mit ihnen rund zwei Drittel
der gesamten Anzeigenerloese.

Dogan heisst auf Deutsch Falke, und vor dem hat sogar
Ministerpraesident Tayyip Erdogan Respekt. Noch vor kurzem zog Erdogan
gegen Dogan oeffentlich in eine Schlammschlacht und drohte dem
Verleger wochenlang mit vernichtenden Enthuellungen ueber dunkle
Machenschaften. Doch dann kehrte ploetzlich Stille ein. Kurz darauf
liess sich der Regierungschef fotografieren, wie er auf einer Hochzeit
artig Dogans Hand schuettelte.

Im Ausland geht ohne den Falken schon gar nichts. Aydin Dogan
kontrolliert die meisten tuerkischsprachigen Zeitungen, die im Ausland
erscheinen, und ausserdem achtzehn TV-Sender, deren Programme von den
im Ausland lebenden TuerkInnen per Satellit empfangen werden. Folglich
wird Dogan zum Beispiel in Deutschland mit Preisen ueberschuettet.
Zuletzt erhielt er vor zwei Monaten im Kreise von rund tausend
handverlesenen Prominenten die Goldene Viktoria, den Preis der
deutschen Zeitschriftenverleger. Die Laudatio hielt der deutsche
Innenminister Wolfgang Schaeuble -- der ist ja bei seiner
«Integrationspolitik» auf wohlwollende Berichterstattung in den
tuerkischen Medien angewiesen.

Zeitunglesen ist in der Tuerkei weit weniger verbreitet als in der
Schweiz. Vor allem das juengere Publikum greift selten zu einer
Zeitung -- vielleicht auch weil das Angebot ermuedend eintoenig ist.
Einer Umfrage in Ankara zufolge liest nur jedeR dritte Jugendliche Zei
tung -- dabei ist Ankara eine besonders «westliche» Grossstadt. Zudem
schlaegt von den jungen Zeitungsleserinnen ueber die Haelfte nur den
Sportteil auf. Sogenannt «linke» Tageszeitungen gibt es gerade mal
zwei -- mit einer Gesamtauflage von rund 15 000 Exemplaren. Dazu
kommen noch zwei Blaetter, die als «liberal» gelten koennen
(Gesamtauflage 70 000). Damit ist die Vielfalt der tuerkischen
Presselandschaft auch schon umfassend beschrieben. Daneben werden
«sozialistische» und «kurdisch-sozialistische» Parteiorgane in
unbekannter Auflage unter die Leute gebracht; von den 92
«sozialistischen» Parteiblaettern sind 31 illegal, von den 19
«kurdisch-sozialistischen» Organen sogar 13.

Illegal ist sowieso das passende Ad- jektiv, wenn es um die tuerkische
Presselandschaft geht. Die Tuerkei ist einer der vier Staaten, die den
Internetzugang zu Youtube gesperrt haben (weil dort ein beleidigender
Beitrag ueber den Staatsgruender Atatuerk zu sehen ist). Seit November
2007 wurden ausserdem weitere 1187 Internetseiten gesperrt -- meist
zum «Schutz der Jugend, Familie und Kinder», wie das zustaendige
Ministerium sagt.

Noch immer leidet der Journalismus im Land unter den Folgen des
Militaerputsches vor knapp dreissig Jahren. Damals wurde gegen 400
Journalistinnen Gefaengnisstrafen in einer Gesamthoehe von 3315 Jahren
verhaengt Noch vor zehn Jahren sassen 129 Menschen wegen ihrer
Meinungsaeusserung im Gefaengnis. Erst im Mai 2008 wurde der
Knebelparagraf 301 ueber die «Beleidigung der tuerkischen Nation»
etwas gelockert. Seither kann nur noch mit Genehmigung des
Justizministers ein Verfahren eroeffnet werden. Bilanz:

Bisher beantragten die Staatsanwaltschaften 381-mal die Erlaubnis fuer
einen Prozess, 47-mal stimmte das Justizministerium zu. Noch waehrend
der «Meinungsparagraf» 301«reformiert» wurde, stuermte eine
Hundertschaft der Polizei ein munteres Magazin mit dem Namen «Nokta».
Die Zeitschrift hatte sich erdreistet, die Tagebuecher eines Generals
abzudrucken, der in allen Einzelheiten beschreibt, wie er 2004 mit
seinen Kumpanen in der Armee einen Putsch vorbereitete. Daraufhin
wurde nicht der General angeklagt -- sondern das immerhin seit 25
Jahren erscheinende Magazin verboten.
(Dieter Sauter, WoZ 4/2008)



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