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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 27. Jaenner 2009; 22:52
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Religion/Recht/Glosse:
> Religion als Mittel
Gedanken ueber das schlampige Verhaeltnis von Politik und
Glaubenslehre
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Susanne Winter hat recht. Natuerlich nicht mit ihren grauslichen
Statements vor einem rassistischen Publikum, das ihr dafuer Applaus
zollte. Sondern mit dem Satz: "Man muss Religionen beleidigen
duerfen". Denn leider stimmt es, wenn die FPOe sagt, dass mit diesem
Prozess der §188 StGB ("Herabwuerdigung religioeser Lehren") wieder
reaktiviert worden sei. Er war zwar nicht so totes Recht, wie das die
FPOe behauptet -- die letztendlich freigesprochenen "Habsburg
Recycling" koennen ein Lied davon singen --, Verurteilungen hatte es
aber in den letzten Jahrzehnten kaum mehr gegeben.
Das Problem mit Religionen und ihren Kirchen ist, man kann sie nicht
kritisieren, ohne dass sie beleidigt sind -- denn ihre Wahrheit kommt
von Gott und wer den kritisiert, verletzt ihre Gefuehle. Glaeubige
sind nun mal sehr sensibel. Und da muss nicht erst Frau Winter mit
ihrem hanebuechenen Unsinn daherkommen -- erinnern wir uns nur an den
Karikaturenstreit.
Doch nur weil jetzt am heftigsten gerade ueber den Islam diskutiert
wird, heisst das nicht unbedingt, dass andere Religionsgemeinschaften
diesbezueglich toleranter sind. In einer aufgeklaerten Gesellschaft
muss man sie kritisieren duerfen. Denn Religion ist eben nicht
Privatsache und kann sie auch nie werden, denn sie ist immer auch
politisch: Religionsgemeinschaften definieren Werte und
Vorschriften -- egal, ob diese in ihren jeweiligen heiligen Buechern
festgeschrieben sind oder ob sie der Klerus frei erfindet. Damit sind
sie ein zumindest moralischer Gesetzgeber, beispielsweise im Iran
sogar ein tatsaechlicher.
Also gehoeren sie aber auch in die politische Sphaere -- es mag
beispielsweise den Katholiken unbenommen sein, dass sie in ihrer Messe
ihren Gott verspeisen, aber wenn sie sich in Fragen von Abtreibung und
Verhuetung einmischen, muss man sie kritisieren duerfen. Speziell die
Katholiken als Beispiel heranzuziehen ist besonders relevant, denn
diese sind hier die bestimmende Religion. Sie sind in Europa
einigermassen domestiziert -- aber ihr politisches System ist immer
noch ein strikt hierarchisches und patriarchales, demokratie- und
wissenschaftfeindlich bis dorthinaus. Man frage nicht, was passieren
wuerde, wenn der katholische Klerus in eine aehnliche
Herrschaftsposition wie die Mullahs im Iran kaemen. Schliesslich und
endlich ist §188 nichts anderes als eine eingeschrumpelte und an den
Gleichheitsgrundsatz angepasste Version der Regeln der Heiligen
Inquisition. Man schlage nach im Rechtsinformationssystem des
Bundeskanzleramts und findet dort §188 wie folgt beschlagwortet
"Blasphemie, Gotteslaesterung, Religionsfreiheit, Pietaet, Sekte". Das
ist es: "Blasphemie" -- die Redakteure des Rechtsinformationssystems
kennen die Traditionen des Rechts und sie wissen, welchen Leuten der
Paragraph wichtig ist und nach welchen Begriffen diese suchen.
Natuerlich, der Kirche erlaubt man nicht mehr selbst zu urteilen, die
Strafbedrohung ist doch ein wenig gelinder als der Scheiterhaufen und
die Gerichte scheuen davor, diesen doch recht ekligen Paragraphen, dem
man ansieht, wes Geistes Kind er ist, ueberhaupt anzuwenden. Dennoch,
es gibt diesen Paragraphen noch.
Warum Religionskritik?
Religionskritik ist genau deswegen, weil sie so tabuisiert ist,
notwendig. Religion ist aber oft genug nicht nur selbst Politik
gewesen, sondern auch Mittel der Politik -- egal, ob sie von der
Vaterlaendischen Front, waffenweihenden Bischoefen, juedischen
Siedlern im Westjordanland oder den Antreibern palaestinensischer
Selbstmordattentaeter genutzt wurde und wird. Umgekehrt ist auch
Religionskritik ein politisches Mittel -- in letzter Zeit findet
Religionskritik in einem groesseren Rahmen aber ueberhaupt nur mehr
als Mittel statt. Als eigentlicher Inhalt der Auseinandersetzung ist
sie fast nur noch Thema akademischer Zirkel.
Man nehme sich die oesterreichische Innenpolitik her: Haider spielte
mit dem Antisemitismus, weil er die nach wie vor vorhandenen
Ressentiments nutzen wollte. Strache und Winter agitieren gegen den
Islam, um einen Kulturkampf zu fuehren, der die
Auslaenderfeindlichkeit speziell gegen Migranten aus der Tuerkei
nutzen will und um ihren Anhaengern ein saubere
Rationalisierungsmoeglichkeit ihrer Vorurteile zu liefern. In unserer
kleinen linken Welt ist das nicht anders: Die Antiimps verstehen sehr
richtig den aufflammenden politischen Islam als eben eine politische
Bewegung, neigen aber leider dazu, damit auch den Islam und vor allem
seine Kleriker verteidigen zu wollen. Die Gruppe namens "Cafe
Critique" wiederum erkennt im Islam alles Boese. Sie versucht sich in
ihrer Kritik abzusetzen von der FPOe, doch ist ihre Religionskritik
auch nur ein Mittel zu dem Zweck, politische Positionen zu
unterstuetzen, die letztlich nichts anderes sind als Bush Seniors
"Neue Weltordnung". Dabei werden alle vernutzt, die irgendwas Boeses
ueber die Rueckschrittlichkeit des Islams zu sagen haben. Und die
Israelitische Kultusgemeinde applaudiert -- unberechtigtermassen, denn
eine Religion, die in ihren Hauptstroemungen Frauen nach wie vor als
quantité negligable ansieht, sollte sich da besser zurueckhalten.
Die grosse Ausnahme bildet hierzulande die Mehrheitsreligion: Kritik
am Katholizismus findet nicht auf dieser Ebene statt -- die einzigen,
die sich in der Kritik hervortun (und damit auch die einzigen, die
ueberhaupt eine inhaltliche Religionskritik um ihrer selbst willen
aeussern und damit auch eine groessere Oeffentlichkeit erreichen),
sind die Basischristen, die immer noch glauben ihren Verein
reformieren zu koennen. Religionskritik von politischer Seite aber
findet in diesem Falle so gut wie nicht statt -- denn damit kann man
im immer noch erzkatholischen Oesterreich nichts gewinnen.
Schliesslich haengen nach wie vor etwa 6 Millionen Menschen dieser
christlichen Geschmacksrichtung an. Das ist auch logisch:
Religionskritik ist nur ein taugliches Mittel, Minderheiten, aber auch
einen Aussenfeind ganz weit weg herunterzumachen. Fuer
Religionsbejahung gilt das umgekehrte: Nur wenn ich mich als
Minderheit behaupten oder einen Aussenfeind definieren will (egal ob
Christen in den USA und in Europa oder ob Muslime in der Tuerkei, im
Iran oder auf dem Maghreb), ist das in Anschlag bringen der Religion
ein taugliches Mittel.
Und noch einen Grund gibt es, warum Religionskritik am Katholizismus
hierzulande weder als Mittel noch als eigentlicher Inhalt recht
funktioniert. Auf der rechten Seite des parteipolitischen Spektrums
sowieso nicht --- das sind alles "gute Christen". Aber auch SPOe und
Gruene wollen es sich mit den Katholiken nicht verscherzen. Auch ihr
Waehlerpotential gehoert mehrheitlich dazu. Und die Linke? Man tut
sich schwer mit der Kritik, wenn man hoert, welch deftigen Worte die
Caritas von sich gibt, wenn es um Sozialpolitik geht. Man kann es
nicht wegleugnen, dass man sich freut, wenn eine Arigona Zogaj vor dem
Zugriff der Polizei geschuetzt wird -- und dafuer hat halt ein Pfarrer
gesorgt. Ja, man bewundert richtig einen Bischof Kraeutler, der in
Brasilien den Grossgrundbesitzern den Kampf ansagt und der in
Interviews redet, als waere er Vorsitzender einer kommunistischen
Partei.
Sich davon aber blenden zu lassen, waere verkehrt. Auch im Islam gibt
es eine Sozialbewegung und den eher fortschrittlichen Alewiten graust
vor dem schiitischen Ahmadinejad -- von den vielgestaltigen
dissidenten Stroemungen im Judentum, dem zentrale Autoritaeten
generell zuwider sind, ganz zu schweigen. Aber muss man religioes
sein, um gute Dinge zu tun? Vielleicht muss man an etwas glauben, das
ja, aber das muss nicht Gott sein. Vor allem aber: Auch hier geht es
um politisches Engagement, diesmal halt um eines, das uns sympathisch
ist. Und so gilt auch hier, dass dieses einer politischen Kritik
zugaenglich sein muss, und auch, dass man selbst den sympathischen
Vertretern der Katholiken hin und wieder sagen muss, dass angesichts
der Positionen ihres Oberhirten sie vielleicht doch ueberlegen
sollten, ob sie nicht im falschen Verein sind.
Was wiegts, das hats
Religion wie Religionskritik muessen an ihrem politischen Gehalt
gemessen, gewogen und danach beurteilt werden. Susanne Winter ist
nicht nur wegen Herabwuerdigung religioeser Lehren verurteilt worden,
sondern auch wegen Verhetzung. Das ist ein politisches Delikt. Auf
dieser Ebene sollte diese Auseinandersetzung gefuehrt werden. Lasst
Gott, was Gottes ist, und gebt der Politik das, was der Politik ist.
*Bernhard Redl*
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