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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 27. Jaenner 2009; 23:06
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Glosse:
> Doppelte Minderheit
Lesben und Schwule mit Behinderung
Kassandra Ruhm praesentiert auf der Homepage der Behindertenlobby 
Bizeps Mosaiksteine ueber das Zusammenleben von nichtbehinderten und 
behinderten Menschen.
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Nach Schaetzungen sind 5-10 % der Bevoelkerung lesbisch oder schwul. 
Die Prozentzahlen sind bei behinderten Menschen wahrscheinlich nicht 
hoeher und nicht niedriger, als in der Gesamtbevoelkerung.
Wenn jemand behindert ist und sich in Menschen des eigenen Geschlechts 
verliebt, weicht sie (oder er) in mindestens zwei Bereichen von dem 
ab, was gemeinhin als "normal" betrachtet wird. Auch wenn sie 
vielleicht die gleichen Gefuehle fuehlt und Dinge gern mag oder nicht 
ausstehen kann, wie die meisten angeblich "normalen" Mitmenschen auch. 
Sie ist genauso normal oder unnormal, wie andere. Sie wird nur nicht 
immer normal behandelt. Und das eben in doppelter Hinsicht.
Wenn eine behinderte Lesbe oder ein behinderter Schwuler eine/n 
PartnerIn finden wollen, sind sie auf die Szene, Kontaktanzeigen oder 
grosse Gluecksfaelle angewiesen. Es ist zwar moeglich, zufaellig auf 
der Strasse, beim Sport oder in der Arbeit eine andere Lesbe zu finden 
und sich wechselseitig in sie zu verlieben. Aber die Chance, 
gegengeschlechtlich liebende Menschen zufaellig zu treffen, ist fuer 
Heterosexuelle einfach groesser.
Die Supermaerkte sind voll davon, in 95 % aller Kneipen sieht man 
Menschen, die ganz offen zugeben, sich nach dem andern Geschlecht zu 
sehnen - oder dieser Form der Zuneigung sogar durch oeffentliches 
Haendchenhalten oder durch Eheringe Ausdruck verleihen. Viele 
Heterosexuelle tummeln sich in Kinos und gucken Filme ueber Maenner 
und Frauen an, die sich lieben.
Oder sie treffen in Sport- oder anderen Vereinen Gleichgesinnte. Bis 
man dann die Richtige findet, ist es immer noch schwer genug. Aber die 
Auswahl an potentiellen Geliebten ist fuer Lesben und Schwule einfach 
kleiner und es gibt weniger Orte, an denen man sein Herzstueck gut 
finden kann.
"Normalgesellschaft"
Typisch fuer behinderte Lesben und Schwule ist, wie gesagt, "doppelt 
anders" zu sein. In der "Normalgesellschaft" werden sie wegen der 
Behinderung als anders angesehen. Auch wenn haeufig geaeussert wird, 
man wuerde keinen Unterschied machen. Das stimmt naemlich nicht, ich 
kann aus eigener Erfahrung bestaetigen, dass es ein grosser 
Unterschied ist. Selbst wenn das nicht bewusst und absichtlich 
geschieht.
Wenn eine behinderte Lesbe sich in Kreise begibt, in denen sie mit 
ihrer Behinderung nicht auffaellt, ist sie trotzdem wieder anders als 
die Mehrheit, weil sie lesbisch ist. Man kann kaum Orte finden, an 
denen man sich nicht als Ausnahme fuehlt.
Im Unterschied zu behinderten Schwulen wirkt sich auf die 
Lebenssituation von behinderten Lesben aus, dass Frauen und Maennern 
in dieser Gesellschaft unterschiedliche Rollen, Ansprueche und 
Handlungsmoeglichkeiten zugeschrieben werden. Das werde ich jetzt 
nicht im Detail ausfuehren, sonst wuerde dieser Artikel zu lang. Man 
kann es an anderer Stelle nachlesen oder sich selbst ueberlegen.
Auch positive Wechselwirkungen
Natuerlich gibt es auch positive Wechselwirkungen zwischen den 
Merkmalen "behindert" und "lesbisch" sein: Zum Beispiel habe ich, seit 
ich Rollstuhlfahrerin bin, viel weniger negative Reaktionen auf meine 
lesbische Lebensweise bekommen, als es sonst der Fall gewesen waere. 
Gut, wahrscheinlich liegt es mit daran, dass behinderte Frauen oft als 
sexuelle Neutren angesehen werden.
Manche haben gedacht, ich kriege wegen meiner Behinderung so schlecht 
einen Mann und deshalb saehe ich mich als Ersatzloesung als lesbisch 
an. Obwohl ich in Wirklichkeit immer noch leicht Maenner finden kann. 
Es ist zwar nicht schoen, in seiner Sexualitaet nicht ernst genommen 
zu werden. Aber wenn es dadurch keinen Stress gibt und eine machen 
kann, was sie will, hat das Vorteile.
Dieser Artikel ist ein Ausschnitt aus einem laengeren Text, den ich 
fuer ein Coming-Out-Buch mit Interviews mit "behinderten" Lesben und 
Schwulen geschrieben habe (Link siehe unten). (gek.)
Quelle: http://www.bizeps.or.at/news.php?nr=9382
Link auf den ganzen Beitrag: 
http://kassandra.erinatranslations.de/content/texts/Lambda%20fuer%20www.pdf
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