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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 27. Jaenner 2009; 22:14
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Arbeit/Geld/Glosse:
> Die Mittelstandsbewahrer
Sie haben wieder Hochkonjuktur: die "Mittelstands"-bewahrer. Wann
immer die Rede von Steuerreformen ist, ruecken sie aus, um die
Interessen der "Mittelschicht" zu verteidigen. So mancher Kampf fuer
die "Mitte" entpuppt sich bei naeherer Betrachtung allerdings als
etwas gaenzlich anderes - naemlich als Kampf fuer die ganz oben.
Hans Rauscher ist Journalist. Hans Rauscher in Kolumnist. Hans
Rauscher ist das, was mensch klassischerweise als "buergerlichen
Journalisten" bezeichnet. Hans Rauscher schreibt unter anderem im
"Standard". Hans Rauscher ist in gesellschaftspolitischen Fragen
ausgesprochen liberal, ist Antifaschist, was ihm in Oesterreich hoch
anzurechnen ist.
Hans Rauscher ist allerdings auch in wirtschaftspolitischen Fragen
ausgesprochen liberal. Hans Rauscher gefaellt sich dabei in einer
Rolle ganz besonders gut: naemlich in jener des Verteidigers der
Interessen der "Mittelschicht". Vor allem, wenn es darum geht, diese
vor jeglicher Art von Vermoegens-, Vermoegenszuwachs- oder sonstiger
Steuer zu bewahren.
Weiters fordert er eine deutliche Einkommenssteuerentlastung fuer den
"Mittelstand". Die "Mitte", die "Mittelschicht", der "Mittelstand"
stehen allerdings nicht nur bei Rauscher hoch im Kurs. Nur: ist
tatsaechlich alles "Mitte" was als "Mitte" bezeichnet wird? Oder ist
nicht so manche Interessenslage, die einer ominoesen "Mitte"
zugeschrieben wird, nicht in Wirklichkeit ganz wo anders, naemlich
ziemlich weit "oben" verortet?
WAS IST UeBERHAUPT DIE MITTELSCHICHT?
Tja, da faengt das Dilemma naemlich schon mal an. Bei der Definition
dessen, was denn ueberhaupt die Mittelschicht ist. Dunkel ist da etwa
noch ein Fernsehauftritt von Guenter Stummvoll in Erinnerung, seines
Zeichens OeVP-Abgeordneter, Wirtschaftskaemmerer und Finanzsprecher,
der die Mittelschicht bei einem Einkommen von bis zu 70.000 Euro im
Jahr ansiedelte (der sprach in diesem Zusammenhang uebrigens auch
immer besonders gerne von "Leistungstraegern"). Nun, nach der
integrierten Lohn- und Einkommenssteuerstatistik lagen im Jahr 2005
allerdings gerade einmal 2,5 Prozent aller EinkommensbezieherInnen
ueber dieser Grenze. Eine eigenwillige Definition von Mittelschicht...
Hans Rauscher spricht vom "Mittelstand" (eigentlich ein untauglicher
Begriff fuer die "Mittelschicht", da der Begriff des "Mittelstands"
von seiner urspruenglichen Bedeutung lediglich FreiberuflerInnen und
kleine und mittlere UnternehmerInnen umfasst hat) ab einem monatlichen
Einkommen von 3500 Euro (Standard-Kommentar vom 28. Maerz 2008). Auch
bei dieser Einkommenshoehe wird die viel beschworene breite Mitte
allerdings ziemlich schmal. Das Jahreseinkommen laege im Falle von
3500 Euro im Monat - 14 Monatsgehaelter angenommen - bei
unselbstaendig Beschaeftigten naemlich bei Euro 49.000. Auf 12 Monate
gerechnet laege dieses immer noch bei Euro 42.000. Nun weist
allerdings die bereits erwaehnte Lohn- und Einkommenssteuerstatistik
gerade einmal 612.311 Faelle - 9,8 Prozent aller
EinkommensbezieherInnen, aus - die ein Jahreseinkommen von 40.000 Euro
im Jahr ueberschreiten. Das soll also die "Mittelschicht sein"? 9,8
Prozent der EinkommensbezieherInnen? Darunter auch jene 13.212
Personen, die ueber 200.000 Euro jaehrlich verdienen?
Um die Zahlen - fuer die unselbstaendig Beschaeftigten - noch einmal
zu verdeutlichen:
•Im Jahr 2007 verdienten gerade einmal 74.937 ArbeiterInnen, oder 4,9
Prozent aller 1,5 Millionen Arbeiter- Innen ueber 40.000 Euro im
Jahr. •Im gleichen Zeitraum verdienten 485.525 Angestellte, oder 28,3
Prozent aller 1,7 Millionen Angestellten ueber 40.000 Euro im Jahr •In
Summe verdienten 2007 lediglich 17,3 Prozent aller ArbeitnehmerInnen
mehr als 40.000 Euro im Jahr
Einen weitaus brauchbareren Ansatzpunkt, um die "Mittelschicht" zu
finden, kann da schon eher das Medianeinkommen liefern. Jenes
statistische Einkommensmittel, wo exakt 50 Pro- zent mehr und 50
Prozent weniger verdienen. Also, wenn das nicht Mitte ist, was dann ...
Dieses Medianeinkommen lag im Jahr 2006 monatlich (ohne 13. und 14.
Monatsgehalt*)
•bei ArbeiterInnen bei 1605 Euro (Frauen: 1136 Euro, Maenner: 1837).
Das Medianjahreseinkommen liegt fuer ArbeiterInnen damit - bei
angenommenen 14 Monatsgehaeltern - bei 22.470 Euro,
•bei Angestellten bei 1995 Euro (Frauen: 1592 Euro, Maenner: 2722),
jaehrlich also bei 27.930 Euro, •bei der Summe der unselbstaendig
Beschaeftigten (ohne Lehrlinge und pragmatisierte Beamte) bei 1763
Euro (Frauen: 1382, Maenner: 2061) und damit bei 24.682 im Jahr.
In welchen Einkommensbereichen arbeitet nun also die unselbstaendig
beschaeftigte "Mitte", also jenes Drittel der Beschaeftigten mit
"mittlerem Einkommen"? Das muss sich logischerweise rund um das
Medianeinkommen konzentrieren. Jedenfalls recht weit entfernt von den
ominoesen 3500 Euro pro Monat:
•bei den ArbeitnehmerInnen (inklusive Lehrlinge, Beamtete und
Vertragsbedienstete) liegt das mittlere Einkommensdrittel - das sind
also rund 1,3 von 3,9 Millionen unselbstaendig Beschaeftigten - bei
einem Einkommen zwischen 15.000 und 30.000 Euro jaehrlich,
•bei den ArbeiterInnen bewegt sich das mittlere Drittel (rund 500.000
Beschaeftigte) aller LohnbezieherInnen bei jaehrlichen Einkommen von
Euro 12.000 bis 25.000,
•bei den Angestellten liegen die mittleren Einkommen (rund 570.000
Beschaeftigte) zwischen 18.000 und knapp ueber 35.000 Euro jaehrlich.
(Lohnsteuerstatistik 2007)
Wer also die "Mittelschicht" ab einem Einkommen von 3500 Euro
monatlich definiert, befindet sich schon im oberen Einkommensdrittel.
Wer von der Mittelschicht spricht und dabei Einkommen bis
siebzigtausend Euro im Jahr meint, hat entweder jeglichen
Realitaetssinn verloren oder instrumentalisiert den Begriff der
"Mittelschicht" - zu der sich der ueberwiegende Teil der Bevoelkerung
zaehlt - bewusst fuer die Interessen der einkommensstaerksten und
privilegiertesten Gruppen.
WER PROFITIERT VON EINKOMMENSSTEUERSENKUNGEN?
Rauscher fordert eine steuerliche Entlastung "seines" Mittelstandes -
also jener Personen die mehr als 3500 Euro im Monat verdienen. Unter
anderem fuehrt er das Argument ins Treffen, dass beinahe achtzig
Prozent des gesamten Lohn- und Einkommensteueraufkommens von dieser
"Mitte" aufgebracht wuerden.
Nun, das ist nunmal das Wesen der Progression: ab dem Augenblick, wo
eine neue Steuerstufe erreicht wird, wird fuer jeden zusaetzlich
verdienten Euro ein Mehr an Steuern eingehoben. Rauscher spricht
weiters davon ("Die Mittelschicht bleibt belastet" vom 21.November
2008 im Standard), dass der Mittelbau zwischen 25.000 und 50.000 Euro
im Zuge der geplanten Einkommenssteuerreform nur marginal entlastet
wuerde.
Rauscher sieht es etwa als ausgesprochen problematisch an, dass die
Steuerfreigrenze von 10.000 auf 11.000 Euro jaehrlich erhoeht wird.
Und er spricht von einem "Fallbeil", das die Beschaeftigten, die
zwischen 11.000 und 25.000 Euro verdienen, trifft: weil der Steuersatz
von bisher 38,3 auf 36,5 Prozent gesenkt wird.
Und so faellt die Entlastung fuer jene, die zwischen 25.000 und 50.000
Euro verdienen mit einer "marginalen" Steuersenkung von 43,6 auf 43,2
Prozent, viel zu gering aus. Auch die Anhebung der oberen
Bemessungsgrundlage von 51.000 auf 60.000 Euro, ab welcher der
Spitzensteuersatz von 50 Prozent gilt, faellt fuer Rauscher zu gering
aus - denn diese Grenze haette, um die "kalte Progression" fuer diese
Einkommensgruppe voll auszugleichen - auf 77.000 Euro jaehrlich
angehoben werden muessen.
Also - bleibt die Mittelschicht belastet? Dieses Argument laesst sich
nicht halten:
•selbstverstaendlich profitieren auch hoehere Einkommen von der
Erhoehung der Steuerfreigrenze von 10.000 auf 11.000 Euro - weil
dieser Betrag auch fuer sie steuerfrei ist,
•von niedrigeren Steuersaetzen profitieren hoehere Einkommen
selbstverstaendlich mehr als niedrigere - weil
NiedrigeinkommensbezieherInnen ja erst gar nicht Gefahr laufen in die
Naehe von mittleren und hoeheren Einkommenssteuersaetzen zu gelangen,
•und wenn SpitzenverdienerInnen schon von der hoeheren
Steuerfreigrenze, von niedrigeren Einkommens- bzw. Lohnsteuersaetzen
profitieren, gewinnen sie nochmals durch die Anhebung der oberen
Bemessungsgrundlage fuer den Hoechststeuersatz von 50 Prozent.
Im gleichen "Standard" findet sich entsprechend eine ausgesprochen
interessante Statistik ueber die Auswirkungen der geaenderten - sprich
gesenkten - Einkommenssteuersaetze. Und auch, wer davon besonders
profitiert - sowohl absolut, als auch relativ.
•Einkommen bis 12.000 Euro pro Jahr gewinnen demnach nichts.
•Einkommen von 12.000 bis 15.000 Euro im Jahr ersparen sich gerade
einmal 41 Euro im Jahr beziehungsweise 0,4 Prozent ihrer steuerlichen
Bemessungsgrundlage.
•Die "Mittelschicht" - also jene Einkommensgruppen zwischen 15.000 und
35.000 Euro pro Jahr gewinnen von 260 Euro (oder 2,2 Prozent ... ) bis
588 Euro (bzw. 2,6 Prozent der Bemessungsgrundlage). Die
Mittelschicht - insbesondere die Einkommen zwischen 18.000 und 35.000
Euro profitiert - verhaeltnismaessig - am meisten. Durchaus
begruessenswert. •Besonders freuen duerfen sich - in absoluten Zahlen
gemessen - allerdings diejenigen, die zum oberen Einkommensdrittel
zaehlen: Einkommen zwischen 40.000 und 50.000 Euro gewinnen zwar
relativ (naemlich nur 2,1 Prozent ihrer Bemessungsgrundlage) weniger,
absolut dafuer deutlich mehr, naemlich 655 Euro. Wer zwischen 70.000
und 100.000 Euro verdient, gewinnt beinahe den "Nettomedianlohn" einer
Arbeiterin: naemlich 1131 Euro. Und jene wenigen tausend, die ueber
200.000 Euro jaehrlich verdienen, gewinnen in Folge der Steuerreform
1317 Euro im Jahr. Weil sie es ja besonders noetig haben. Rund 2,6
Millionen - davon fast 1,7 Millionen Frauen - der insgesamt 6,1
Millionen Lohnsteuerpflichtigen (darunter rund 2,2 Millionen
PensionistInnen), die bislang keine Lohnsteuer zahlen mussten,
profitieren von der geplanten Tarifentlastung nicht.
Gerade "NiedrigstverdienerInnen", die eine besonders hohe
Konsumneigung bei jedem zusaetzlich gewonnen Euro aufweisen, bei denen
jeder zusaetzliche Euro die schwache Binnennachfrage unmittelbar
staerken wuerde, werden finanziell nicht gestaerkt. Und das in Zeiten
einer tiefen Wirtschaftskrise, einer schweren Nachfragekrise.
"Bei Betrachtung der Entlastungswirkungen nach Bruttobezugsgruppen
zeigt sich eine steigende Pro-Kopf-Entlastung mit steigenden
Bezuegen," resuemiert entsprechend der "Standard". Allerdings nicht
Rauscher.
Es profitieren also - in absoluten Geldbetraegen gemessen - von dieser
Tarifreform die einkommensstaerksten Gruppen jenseits der
"Mittelschicht". Auch jene Gruppe, mit einer Steuerbemessungsgrundlage
von 51.000 Euro im Jahr, jene Gruppe die brutto im Jahr rund 70.000
Euro verdient. Jene Gruppe, wo immer wieder dringender
Handlungsbedarf - im Sinne einer steuerlichen Entlastung - von
allerhand "Mittelschichts"- VerteidigerInnen geortet wird, da diese ja
unter der "kalten Progression" besonders leiden wuerden. Machen wir's
einmal anschaulich: Wie viele unselbstaendig Beschaeftigte fallen in
diese Gruppe? Was sagt die Lohnsteuerstatistik 2007?
•Insgesamt gab es im Jahr 2007 169.857 ArbeitnehmerInnen - das sind
gerade einmal 4,3 Prozent aller unselbstaendig Erwerbstaetigen - die
ueber 70.000 Euro verdienten.
•Ganze 456 ArbeiterInnen waren etwa darunter (darunter 24 Frauen).
•Immerhin 138.401 Angestellte (18.024 Frauen).
•23.187 Beamte (4576 Frauen).
•Und 6482 Vertragsbedienstete, davon 1897 Frauen (nur zum Mythos,
wonach im "geschuetzten" oeffentlichen Dienst die Zahl der
Spitzenverdiener- Innen besonders hoch liegen wuerde).
Mit "Mittelschicht" hat das nichts mehr zu tun. Diese "Mitte" befindet
sich nicht nur im oberen Einkommensdrittel, sondern im obersten
Einkommenszwanzigstel. Diese angebliche Mitte ist ein ausgesprochen
kleine Minderheit. Eine kleine maennliche Minderheit. Aber eine
ausserordentliche laute und einflussreiche Minderheit, die ihre
Interessen bestens organisieren kann. Die ihre Interessenslage
durchaus nicht ungeschickt und durchaus erfolgreich verschleiert.
Denn: Wer diese "Mitte" entlasten will, will in Wirklichkeit die
einkommensstaerksten Maenner entlasten. Wer diese "Mitte" entlasten
will, ist - wenig erstaunlich - meist selber Angehoeriger dieser
eigenartigen "Mitte".
VERMOEGENSBESTEUERUNG ALS NEUE "MITTELSTANDSSTEUER"?
Entsprechend sind seit jeher bei Rauscher und Co. Vermoegenssteuern
aller Art hoechst unpopulaer. Rauscher sieht das - zugegebenermassen -
zwar durchaus auch differenziert: er kann sich etwa eine
Vermoegenszuwachssteuer vorstellen, wenn die Einkommenssteuersaetze
gesenkt werden (was inzwischen ja auch passieren soll). Einer
allgemeinen Vermoegenssteuer kann Rauscher allerdings schon ueberhaupt
nichts abgewinnen. Und wieder einmal muss die ominoese Mitte fuer den
publizistischen Feldzug gegen vermoegensbezogene Steuern herhalten,
die "Mittelschicht", der "Mittelstand", wer auch immer. Wieder einmal
waere naemlich die Mitte besonders von Vermoegenssteuern betroffen,
wird behauptet.
Lassen wir die Zahlen sprechen. Etwa jene, wie denn Vermoegen in
Oesterreich verteilt ist. Sind die Vermoegenden in der
gesellschaftlichen Mitte - also dort, wo zwischen 15.000 und 35.000
Euro jaehrlich verdient wird? Oder nicht doch ganz woanders?
Die Datenlage hinsichtlich der Verteilung der Vermoegen, bzw. der
Vermoegenssituation ueberhaupt, gestaltet sich in Oesterreich
verhaeltnismaessig schwierig. Es gibt keinen "Reichtumsbericht". Es
gibt allerdings Schaetzungen, es gibt Artikel, es gibt Untersuchungen
der Oesterreichischen Nationalbank, woraus durchaus ein
repraesentatives Gesamtbild gezeichnet werden kann:
•So wird das Geldvermoegen der privaten Haushalte in Oesterreich fuer
das Jahr 2005 von der Oesterreichischen Nationalbank mit 356,3
Milliarden Euro beziffert. Waehrend das Bruttoinlandsprodukt - also
die oesterreichische Wirtschaft - von 2001 bis 2007 um rund 7 Prozent
gewachsen ist, ist das Geldvermoegen um mehr als 25 Prozent gestiegen.
•Nach der Zeitschrift "Trend" (7-8/05, 7-8/06) besitzen die reichsten
100 OesterreicherInnen ein frei verfuegbares Vermoegen von 61
Milliarden Euro, die reichsten 10 OesterreicherInnen bzw.
oesterreichischen Familien besitzen dabei gut die Haelfte davon, oder
5 Prozent des Gesamtvermoegens (Forbes- Magazin). Laut Trend 3/2007
leben in Oesterreich 67.700 Euromillionaere, also Menschen, mit
mindestens einer Million Euro als frei verfuegbarem Finanzvermoegen,
selbst benutzte Eigentumswohnungen nicht eingerechnet.
•Im Rahmen des Berichtes ueber die soziale Lage in Oesterreich aus den
Jahren 2003--2004 (herausgegeben vom Bundesministerium fuer soziale
Sicherheit und Generationen) wurde auch der Reichtum in Oesterreich
geschaetzt. Das Privatvermoegen liegt demnach bei 944 Milliarden Euro
(2003). Ohne Beruecksichtigung des Unternehmensvermoegens ergibt sich
ein Wert von 697 Milliarden Euro (zum Vergleich: das
Bruttoinlandsprodukt lag 2006 bei 256,4 Milliarden Euro).
Und wie verteilt sich nun dieses Vermoegen?
•Die "Superreichen", das oberste Prozent, haelt ca. 34 Prozent des
Vermoegens
•Die "Reichen", die obersten zwei bis zehn Prozent, halten rund 35
Prozent des Vermoegens.
•Die "restliche Bevoelkerung", rund neunzig Prozent, halten rund 32
Prozent des Vermoegens.
Offensichtlich ist das Vermoegen nicht in der "Mitte" zu Hause.
Kommen wir schliesslich zur Erbschaftssteuer, deren Auslaufen ja - vor
allem von konservativer Seite - als grosser Gewinn und grosse
Entlastung fuer die Mittelschicht gefeiert wurde. Auch hier sprechen
die Zahlen eine andere Sprache: Im Jahr 2006 gab es etwa 80.000
Erbschaftsfaelle. 97 Prozent dieser Faelle - also der Erbschaften -
lagen unter 73.000 Euro. Diese 97 Prozent der Faelle sorgten
allerdings nur fuer 44 Prozent des Erbschaftssteueraufkommens (das
gesamte Erbschaftssteueraufkommen belief sich auf rund 80 Millionen
Euro, Erb- und Schenkungssteuer auf rund 150 Millionen Euro). Das
bedeutet nichts anderes, dass 56 Prozent des Aufkommens der
Erbschaftssteuer von 3 Prozent der Erbschaftsfaelle - also etwa
zweitausend Personen - gekommen ist. Ganze 30 Personen (die
"Mittelschicht"?) erbten dabei mehr als eine Million Euro. Diese 30
Personen erbrachten alleine 25 Prozent - ein Viertel! - des gesamten
Erbschaftssteueraufkommens (Markus Marterbauer und Martin Schuerz in
WISO 2/07).
Wenn mensch sich nun diese Zahlen vor Augen haelt, kann nur schwerlich
behauptet werden, eine Besteuerung von Vermoegen - inklusive
Vermoegenszuwachs-, Erb- und Schenkungssteuer - waere eine
"Mittelschichts"-Steuer. Ueber Freibetragsgrenzen - also Erbschaften
oder Vermoegen, bis zu deren Hoehe keine Steuer zu entrichten ist -
koennten insbesondere kleine und mittlere Vermoegen gegenueber grossen
Vermoegen und Erbschaften bzw. Schenkungen - steuerlich geschont
werden. Es waere also kein Problem eine Vermoegensbesteuerung so zu
gestalten, dass die "Mittelschicht" nicht ueber Gebuehr belastet
waere. Und wie sieht's mit einer Vermoegenszuwachsbesteuerung aus?
Auch hier von einer "Mittelstandssteuer" zu sprechen ist mehr als
verwegen und schlicht nicht zutreffend. Vermoegenszuwaechse lukriert
in der Regel vor allem der/diejenige, der/die ueber ausreichendes
Vermoegen verfuegt. Genauso wie Erbschaften einen "Vermoegenszuwachs"
darstellen, stellen auch Spekulationsgewinne einen Vermoegenszuwachs
dar. Und warum sehr wohl Zinsen und an Aktionaere ausgeschuettete
Gewinne, Lohneinkommen und Gewinneinkommen besteuert sind, nicht aber
Gewinne, die sich aus der Differenz des Kauf- und Verkaufspreis von
Wertpapieren oder Immobilien ergeben, bleibt jeglicher Logik
weitestgehend verschlossen. Das ist pure Ideologie. Das ist
Interessenspolitik fuer die einkommensstaerksten und vermoegendsten
Gruppen in diesem Land.
Mit "Mitte", "Mittelschicht" und ihren Interessenslagen hat das nur
wenig zu tun. Die hat ganz andere Sorgen: Die hat Angst um den
Arbeitsplatz und damit Angst vor dem sozialen und oekonomischen
Abstieg im Sog der Weltwirtschaftskrise. Die sorgt sich um die Zukunft
unseres Bildungs-, Gesundheitsund Pensionssystems. Die sorgt sich um
die Zukunftschancen ihrer Kinder. Die weiss nicht, wie sie kuenftig
die Pflege ihrer nahen Angehoerigen finanzieren soll. Einsatz fuer die
"Mitte" heisst entsprechend Einsatz fuer einen aktiven, starken
Sozial- und Bildungsstaat. Einsatz fuer die "Mitte" heisst
entsprechend Umverteilung - von "Oben" zur "Mitte" und nach "Unten".
Was Einsatz fuer die "Mitte" jedenfalls nicht bedeutet, ist, das
Geschaeft fuer die "Oben" zu besorgen. Das sei allen selbst ernannten
"Mittelstands"(be)wahrern ins Stammbuch geschrieben.
*) Quelle: Wirtschafts- und sozialstatistisches Jahrbuch der
Arbeiterkammer, 2008
(Markus Koza in ALTERNATIVE 1/2009 )
M.K. ist UG-Vertreter im OeGB-Bundesvorstand und Mitarbeiter der
AUGE/UG in Wien.
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