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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. Jaenner 2009; 18:49
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Justiz/Kommentar:

> Von Haiders Anwalt zu Proells Richterin

Das Justizressort ist und bleibt eine Baustelle in der Republik -- und
zwar keine, auf der etwas politarchitektonisch Ertraegliches errichtet
wird, wie noch zu Christian Brodas Zeiten. Der letzte einigermassen
serioese Justizminister war Nikolaus Michalek unter der rotschwarzen
Regierung 1990-2000. Der ruettelte noch am Prohibitionsdogma der
Drogenpolitik und wollte die aergsten Ausformungen von Lauschangriff
und Rasterfahndungen verhindern. Derlei konnte er wohl nur deswegen
tun, weil er der letzte der bisherigen Amtsinhaber war, der nicht von
einem Koalitionspartner gestellt wurde. Damals war man doch der
Meinung, das heikle Ressort mit seinem Weisungsrecht fuer die
Staatsanwaltschaften sollte parteilos besetzt werden. Allerdings war
Michalek, im Normalberuf Notar, in seinem Ministeramt auch nichts
weiter als ein Verwalter und Beglaubiger, denn seine Vorschlaege
konnte er nicht mit einer Hausmacht stuetzen.

Es folgten unter Schwarzbunt der vierwoechige Gastauftritt von Michael
Krueger, dann Joerg Haiders Anwalt Dieter Boehmdorfer, der auch jedes
noch so menschenrechtswidrige Ansinnen seines Mentors fuer zumindest
ueberlegenswert hielt, und zuletzt Karin Gastinger-Miklautsch. Die
haette ja wohl noch ein paar kritisch-liberale Anmerkungen machen
wollen, aber Haider, der sie zu ihrer Amtseinfuehrung schon als sein
"Boxenluder" erniedrigt hatte, liess sie nicht recht aufkommen. Wofuer
sie sich 2006 raechte und Haider wenige Tage vor der Wahl die
Mitgliedschaft in seiner Partei vor die Fuesse warf.

2007 kam dann Maria Berger von der SPOe ins Amt -- eine Ministerin,
von der uns wohl nur in Erinnerung bleiben wird, dass sie dem Gesetz
ueber den Asylgerichtshof zugestimmt hat, ohne es gelesen zu haben.
Immerhin kann man ihr aber hoch anrechnen, dass sie das nachtraeglich
so ehrlich zugegeben hat -- das zumindest ist eine Qualitaet, die man
in den Sphaeren der hohen Politik eher selten findet.

Seit mindestens zwei Jahrzehnten waren die Justizministerinnen
und -minister also mehr oder weniger nur Spielbaelle der
Parteipolitik. Und nun also Claudia Bandion-Ortner. Noch raetseln auch
routinierte Beobachter der oesterreichischen Innenpolitik und Beamte
im Justizministerium gleichermassen, was diese Bestellung eigentlich
soll. Wollte die OeVP Bandion nur, weil sie einen Prozess gefuehrt
hat, der die SPOe so schmerzte? Dass sie ausgerechnet auch noch den
Staatsanwalt im BAWAG-Verfahren zu ihrem Kabinettschef machte -- wohl
auch nicht ganz ohne Zuruf durch die OeVP-Granden --, legt den
Verdacht nahe. Und es wirft auch gleich zu Anfang ein schlechtes Licht
auf Bandions Amtsverstaendnis, wenn sich Richterin und Staatsanwalt,
denen ja doch unterschiedliche Vektoren im juristischen
Kraefteparallelogramm zugewiesen sind, so gut verstehen, dass sie auch
weiterhin "zusammenarbeiten" wollen.

Wenn die SPOe-Demuetigung aber nicht der Grund fuer ihre Bestellung
war, war es dann doch einfach nur die durch den BAWAG-Prozess
gewonnene Prominenz? Oder, wie Michael Fleischhacker im Leitartikel
der bekannt linksradikalen "Presse" aetzte, muss man jetzt annehmen,
"dass jene Zyniker recht haben, die meinen, Frau Bandion-Ortner sei
ganz einfach das, was sich der niederoesterreichische Bauernbund unter
Glamour vorstellt, eine Art Karl-Heinz Grasser fuer die Landjugend"?

Und was ist die erste Stellungnahme von Bandion im neuen Amt? Sie will
die Kinderpornographie staerker verfolgen! Eine tolles
Antrittsstatement -- so ganz nach dem Motto: "Ich sag jetzt etwas, wo
niemand was dagegen sagen kann. Dann haben mich alle lieb!" Und so
ganz nebenbei freut sich auch die Innenministerin, weil damit kann
diese noch mehr Ueberwachungsstaat einfordern.

Ein missglueckter Start also als Chefin eines Ressorts, wo vor allem
enorme Verfahrensdauern und ueberfuellte Gefaengnisse mit nicht gerade
menschenfreundlichem Personal die eigentlichen Probleme darstellen.

Irgendwie versucht Bandion jetzt aber doch etwas wieder den Boden
unter den Fuessen gewinnen zu wollen und stuerzt sich gleich auf eines
der heissesten Eisen der Republik: Die Nichtumsetzung der
Ortstafel-Erkenntnisse und die daraus resultierende Haftbarkeit des
Kaerntner Landeshauptmannes. Der heisst zwar nicht mehr Haider sondern
Doerfler, aber trotzdem ist Bandions Vorstoss im Kaerntner Wahlkampf
mutig. Doch wie ernst meint sie das? Wie konsequent sie diese Haltung
aber durchhalten und die Bundesregierung, die formal eine solche Klage
beschliessen muesste, dazu antreiben wird koennen, ist die Frage. Oder
war es einfach ein noch patscherter Versuch, Profil zu gewinnen?

Es ist zu befuerchten, dass sie in ein paar Tagen ihre mutigen Worte
vergessen haben wird. Schliesslich ist ja nur Ministerin fuer Justiz.
Und das ist in Oesterreich nicht besonders viel.
*Bernhard Redl*


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