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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. Jaenner 2009; 18:46
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Asyl/Sicherheit/EU:
> Mehr Gas, weniger Fluechtlinge
Die EU-Grenzbehoerde Frontex plant eine Kooperation mit Libyen, das 
bekannt ist fuer den skandaloesen Umgang mit Fluechtlingen. Frontex 
wird mit der Operation 'Nautilus' aktiv, um sie wieder nach Libyen 
zurueck zu schieben. Und wirtschaftlich soll es sich auch auszahlen.
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Der italienische Regierungschef Berlusconi hatte Ende August 2008 
einen sogenannten Freundschaftspakt mit Libyen unterzeichnet, der 
libysche Entschaedigungsansprueche wegen der italienischen 
Kolonialherrschaft begleichen soll. Italien zahlt fuenf Milliarden 
US-Dollar und baut an der libyschen Kueste eine Autobahn. Dafuer 
oeffnet Libyen seinen Markt fuer italienische Firmen und kauft bei 
einem italienischen Ruestungskonzern fuer 300 Millionen US-Dollar eine 
Radaranlage, um an der Kueste Fluechtlinge aufzuspueren. Der Pakt 
sieht insbesondere auch vor, dass Libyen die Fluechtlinge auf seinem 
Territorium zurueckhaelt, was es nach italienischer Ansicht aber nicht 
tut.
Von Fluechtlingen 'betroffen'
Der italienische Innenminister hat deswegen im Dezember mit seinem 
deutschen Amtskollegen konferiert. Italien sei "in besonderer Weise 
von Armutsfluechtlingen aus Afrika ‚betroffen' ", erklaerte Wolfgang 
Schaeuble (CDU) nach dem Gespraech: Es sei "fuer Deutschland 
selbstverstaendlich, dass wir Italien bei seinen Bemuehungen um eine 
effektive und humanitaere Zuwanderungskontrolle unterstuetzen".[2] 
Schaeuble wies auf den Stellenwert hin, den die Bundesregierung der 
Fluechtlingsabwehr einraeumt: "Deutschland kann als langjaehriges 
Ziel- und Transitland osteuropaeischer Migration die Notwendigkeit und 
Dringlichkeit wirksamer Grenzschutzkapazitaeten besonders gut 
beurteilen."
Kurz darauf teilte Maroni mit, er werde nun in Tripolis auf 
entschlossene Schritte gegen die Migranten dringen. Vordringliches 
Ziel sind gemeinsame Kuestenpatrouillen libyscher und italienischer 
Grenztrupps. Nach Absprachen mit seinem deutschen Amtskollegen leitete 
der Aussenminister Italiens neue Massnahmen zur Fluechtlingsabwehr vor 
der libyschen Kueste ein. Die EU-Grenzbehoerde Frontex kann ihre 
Taetigkeit nicht nach Plan durchfuehren, da die libyschen Stellen noch 
nicht bedingungslos kooperieren. Dies will die Regierung Italiens 
jetzt mit Rueckendeckung Berlins erzwingen. Wie der italienische 
Innenminister kuerzlich erklaerte, will er noch in diesem Monat eine 
abschliessende Vereinbarung mit Tripolis ueber die Bootsfluechtlinge 
treffen. Anlass der Ankuendigung sind die mehr als 2.000 Migranten, 
die in den Weihnachtstagen die italienische Insel Lampedusa 
erreichten. Er wolle durchsetzen, dass allenfalls Touristen, aber 
keine Bootsfluechtlinge mehr nach Lampedusa kaemen, sagt Roberto 
Maroni (Lega Nord).[1]
Nautilus
Mit der Abwehr aus Libyen kommender Fluechtlinge ist schon lange die 
EU-Grenzbehoerde Frontex befasst. Frontex, per EU-Verordnung vom 26. 
Oktober 2004 gegruendet und mit einem rasant wachsenden Jahresetat 
ausgestattet [3], fuehrt seit 2006 jedes Jahr Operationen unter 
anderem vor Malta und Lampedusa durch ('Nautilus'). Deutschland nahm 
an allen dreien teil. Auf Malta und Lampedusa landen meist 
Fluechtlinge an, die in Libyen in See gestochen sind. Im letzten Jahr 
griffen Frontex-Trupps waehrend der Operation 'Nautilus 2008' laut 
Statistik 18.419 Migranten auf. Ziel war es zunaechst, sie in 
libyschen Gewaessern festzusetzen und in libysche Haefen zu 
verbringen, wo sie den Behoerden uebergeben worden waeren.[4] Der 
Beschluss blieb noch folgenlos, da die libyschen Behoerden nicht 
kooperierten. Das soll sich in diesem Jahr nach der nun bevorstehenden 
italienischen Intervention in Tripolis aendern.
'Schwierig, aber annehmbar'
Dabei war der Beschluss, Fluechtlinge an die libyschen Behoerden 
auszuliefern, selbst innerhalb von Frontex umstritten und konnte erst 
mit Verspaetung durchgesetzt werden. Grund ist der skandaloese Umgang 
Libyens mit unerwuenschten Migranten. Ueber deren Situation liegen 
inzwischen ausfuehrliche Berichte vor, darunter Reportagen des 
italienischen Journalisten Gabriele Del Grande. Del Grande beschreibt, 
wie die Fluechtlinge, die auf der lebensgefaehrlichen Seereise nach 
Lampedusa ergriffen wurden, zu Hunderten in Container gezwaengt und in 
Lager mitten in der Wueste verbracht werden. Dort herrschen 
menschenunwuerdige Internierungsbedingungen. 'Wir schliefen zu 78 in 
einer Zelle von sechs mal acht Metern', zitiert Del Grande aus einem 
seiner Interviews mit ehemaligen Internierten: 'Sie liessen uns 
hungern. Einen Teller Reis konnten wir auch unter acht Personen 
aufteilen'.[5] Der Journalist berichtet von Misshandlungen, 
Vergewaltigungen und Menschenhandel durch die Repressionsbehoerden. 
Einen Ausschnitt aus einer seiner Reportagen dokumentiert 
german-foreign-policy.com hier. Zu einer abweichenden Beurteilung der 
Lage in Libyen kommen nur europaeische Behoerden. So hiess es 2004 in 
einem Bericht der Europaeischen Kommission, die Situation der 
Inhaftierten in den libyschen Lagern sei 'schwierig', aber mit Blick 
auf den 'allgemeinen Rahmen' letztlich 'annehmbar'.[6]
Besonders stolz ist die Regierung in Rom darauf, dass das Abkommen 
nicht nur die europaeische Fluechtlingsabwehr voranbringt, sondern 
auch die Erdgaslieferungen Libyens in die EU ueber Jahre sichert. Der 
Pakt, resuemiert Ministerpraesident Silvio Berlusconi, bringe "weniger 
illegale Einwanderer und mehr Erdgas".[7]
(no-racism.net/gek.)
Quelle: http://no-racism.net/article/2777/
Fussnoten:
[1] Maroni: 'Basta con le carrette del mare. A Lampedusa sbarcheranno 
i turisti'; Quotidiano.net 08.01.2009
[2] Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schaeuble spricht mit seinem 
italienischen Amtskollegen Roberto Maroni ueber Fragen der 
Integration; Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern 
16.12.2008
[3] Frontex verfuegte im Jahr 2005 ueber sechs Millionen Euro, 2006 
ueber 19 Millionen Euro, 2007 ueber 35 Millionen Euro und 2008 ueber 
70 Millionen Euro.
[4] Go ahead for Nautilus 2008; Frontex Press Release 07.05.2008
[5], [6] Gabriele Del Grande: Grenze Sahara. Die Inhaftierungslager in 
der libyschen Wueste, fortresseurope.blogspot.com.
[7] Notstand auf Lampedusa; Frankfurter Allgemeine Zeitung 29.12.2008
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