**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 13. Jaenner 2009; 18:27
**********************************************************

Wien/Integration:

> Wie man einen Verein abdreht

Die Verweigerung der Subvention an die Wiener Integrationskonferenz
ist ein Lehrstueck rathaeuslicher Machtpolitik.
*

Der Vorstand der "Wiener Integrationskonferenz" (WIK) ist sauer: "Ohne
Vorinformation wurde Anfang Dezember mit einem Brief der MA17 dem
Vorstand mitgeteilt, dass aufgrund der 'inneren Verfasstheit' eine
Subventionierung der Wiener Integrationskonferenz 'nicht vertretbar'
sei. Der Versuch, einen Termin bei der zustaendigen Stadtraetin
Frauenberger zu bekommen scheiterte. Das Buero der Stadtraetin teilte
mit, dass Sandra Frauenberger in den naechsten Monaten keinen Termin
habe. Daraufhin wurde im Rahmen einer Pressekonferenz seitens des
WIK-Vorstandes die Oeffentlichkeit ueber den Brief der MA17
informiert", schreibt der WIK-Vorstand in einer Stellungnahme.

Am Tag dieser Pressekonferenz reagierte das Rathaus prompt -- nicht
aber die zustaendige Stadtraetin, sondern migrantische Vertreterinnen
der drei Landtagsklubs meldeten sich: Nurten Yilmaz von der
Regierungspartei stellte gemeinsam mit Maria Vassilakou (Gruene) und
Sirvan Ekici (OeVP) in einer Presseaussendung fest, dass fuer sie die
Entscheidung der MA17 nachvollziehbar sei, da sich "etliche Vereine
von der Wiener Integrationskonferenz abgewendet haben" sollen.

Somit sei "zum heutigen Zeitpunkt die Repraesentativitaet
bedauerlicherweise nicht mehr gegeben, eine Reihe von strittigen
Fragen sei beim Schiedsgericht anhaengig. Daher haelt die MA 17 auf
Grund der internen Situation des WIK-Vernetzungsbueros und der inneren
Verfassung dieser Dachorganisation eine weitere Foerderung zum
gegenwaertigen Zeitpunkt nicht fuer vertretbar."

Hinter vorgehaltener Hand hoert man aber anderes. Aus der MA 17 ist zu
hoeren, dass man sowas ganz bestimmt nicht in der Magistratsabteilung
entscheide, sondern die Entscheidung "von oben" gekommen sei. Und man
hoert, dass einfach bei den letzten Vorstandwahlen der "falsche"
Vorstand gewaehlt worden sein soll und das der Grund fuer das Abdrehen
des Geldhahns waere.

Was ist der Hintergrund? Die Wiener Integrationskonferenz wurde 1999
als Beiwagerl zum Wiener Integrationsfonds gegruendet. Und da fiel der
die WIK gleich einmal unangenehm auf, wie Ljubomir Bratic in einem
Artikel fuer die Zeitschrift "Kulturrisse" schildert: "Das Kuratorium
des WIF bestand damals aus 16 Mitgliedern, besetzt mit VertreterInnen
mehrerer Institutionen wie z.B. Innenministerium und Caritas. Nur die
MigrantInnen, deren Fonds das angeblich war, waren nicht in diesem
Gremium auffindbar. Die damals frisch gekuerte Integrationsstadtraetin
schlug also vor, eineN RepraesentantIn fuer die mehreren hundert in
Wien ansaessigen MigrantInnen-Vereine in das Kuratorium zu waehlen.
Die Stadtraetin hatte aber gewissermassen die Rechnung ohne den Wirt
gemacht, denn bei der ersten Integrationskonferenz stellte sich
heraus, dass die ca. 130 Vereine, deren VertreterInnen der Einladung
der Stadtraetin gefolgt waren, entsprechend der
Bevoelkerungsverteilung in Wien gleich ein Drittel der
stimmberechtigten Sitze [des WIF-Kuratoriums] beanspruchten." Der
Alibi-Ali konnte also nicht gewaehlt werden und die WIK erfuellte die
in sie gesetzten Erwartungen nicht. Die WIK musste sich also abseits
des WIF als politische Institution etablieren. 2004 wurde der WIF
abgeschafft und ging in der formalen Buerokratie, hauptsaechlich der
Integrationsmagistratsabteilung MA 17, auf.

Die Kurdin des Anstosses

Die WIK verblieb als rathaeuslich mit 200.000 Euro subventionierter
Dachverband. Doch dann habe sich, so ist aus den Kreisen des
bisherigen Vorstands zu hoeren, seltsames begeben: Der Vorstand haette
eine Assistentin einstellen wollen -- eine Kurdin. Und sei daraufhin
vom tuerkisch-nationalistischen Dachverband ATIB aufgefordert worden,
dies zu unterlassen. Der Vorstand blieb stur und stellte die
Assistentin ein. Daraufhin stellten die ATIB-Leute eine Gegenliste
fuer die Vorstandswahlen 2008 auf. Die beiden konkurrierende Listen
begannen nun fuer die WIK neue Mitgliedsvereine zu sammeln, wohl, um
sich die Mehrheit zu sichern. Die ATIB-Liste duerfte sich dabei darauf
konzentriert haben, muslimische Bethaeuser-Vereine in die WIK zu
bringen. Dennoch ging es sich bei den Vorstandswahlen nicht ganz aus:
Am 25.Oktober erhielt die vom bisherigen Vorstand aufgestellte Liste
die Mehrheit. Laut diesem neugewaehlten Vorstand habe die anwesende
Leiterin der MA 17 als Vorsitzende der Wahlkommission nach Auszaehlung
der Stimmen die Wahl und das Ergebnis fuer gueltig erklaert.

Damit schien alles geklaert. Nur: Der neugewaehlte Vorstand ist eher
ein linker und in ihm sind auch gruene Parteimitglieder vertreten. Die
SPOe soll aber mehr den als Waehlerreservoir interessanteren
eingebuergerten nationalistischen Tuerken zugewandt sein, die die
unterlegene Liste 2 anfuehren. Und diese Liste 2 will nun die Wahl
anfechten, zwei Wochen nach der Wahl kam die Anrufung des
Schiedgerichts. Angeblich habe der ATIB-Vertreter schon vor der Wahl
gedroht, entweder werde die WIK von einem Tuerken gefuehrt oder das
WIK wird aufgeloest, weil es keine Subventionen mehr gaebe, wenn das
ATIB gegen die WIK ist. Egal, ob die Drohung so ausgesprochen worden
ist oder nicht, wahr gemacht wurde sie jetzt, denn sehr schnell nach
der Anfechtung kam die Subventionsabsage der MA 17.

Von den Wiener Gruenen wird -- ebenfalls hinter vorgehaltener Hand --
kolportiert, man habe der SPOe recht gegeben, weil man sich nicht
vorwerfen lassen wollte, einen instabilen Verein zu schuetzen, nur
weil dessen Vorstand der eigenen Partei nahestehe. Und ausserdem rede
man ungern darueber, damit die FPOe nicht wieder losschreie.

Am 19.Dezember wurde dann vom Rathaus wieder mal etwas neues
gegruendet. Mit Stimmen von SPOe, OeVP und den Gruenen beschloss der
Gemeinderat eine "Wiener Zuwanderungskommission". Und damit sind wir
wieder dort, wo wir schon vor 1999 waren, bei der Migrantenpolitik
ohne Migranten.
*Bernhard Redl*



***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin