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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 13. Jaenner 2009; 18:46
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  USA:
  
  > Kriegs-Demokrat Barack Obama
  
  Die Renaissance der NATO und die Fortsetzung der militaristischen
  US-Aussenpolitik ist gewaehrleistet. Absehbar ist das auch am eben
  erst bestellten Stab Obamas. Eine Analyse aus der
  graswurzel-revolution.
  *
  
  Unbestreitbar haben die acht Jahre unter Praesident George W. Bush den
  USA und dem Rest der Welt schweren Schaden zugefuegt.
  
  Vor diesem Hintergrund erhoffen sich viele vom neuen US-Praesidenten
  Wunderdinge, z.B. den grundlegenden Wandel der US-Aussenpolitik, der
  von Obama waehrend seines Wahlkampfes versprochen wurde.
  
  Dass mit Obama nun erstmals ein Afro-Amerikaner ins Weisse Haus
  einziehen wird, ist zu begruessen und wird sich vermutlich auch
  laengerfristig positiv auswirken. Sein innenpolitisches Programm setzt
  sich von dem seines unterlegenen Herausforderers John McCain ab.
  Angesichts des kritischen Gesundheitszustandes McCains war die
  Aussicht, dass im Falle seines Todes Sarah Palin als dessen
  Nachfolgerin ins PraesidentInnenamt aufgestiegen waere, gruselig.
  
  Man darf aber nicht die Augen davor verschliessen, dass den an Obama
  gerichteten friedenspolitischen Erwartungen bald der grosse
  Katzenjammer folgen duerfte.
  
  Spaetestens seit nun die wichtigsten Posten seines kuenftigen
  Kabinetts vergeben wurden, ist Ernuechterung angesagt: sein Team steht
  fuer eine Fortsetzung der aggressiv-militaristischen US-Aussenpolitik,
  die sich taktisch und rhetorisch, aber nicht in der Substanz von der
  seines Vorgaengers unterscheiden wird. Von den Kriegen im Irak und in
  Afghanistan ueber die grundsaetzliche Haltung gegenueber
  Militaereinsaetzen bis hin zum Verhaeltnis mit Russland deutet leider
  wenig darauf hin, dass mit einer grundsaetzlichen Wende zu rechnen
  ist.
  
  Einzig, was die waehrend Bushs Amtszeit schwer beschaedigten
  transatlantischen Beziehungen anbelangt, duerfte eine grundlegende
  Neuausrichtung anstehen. Denn auch den US-Eliten ist klar, dass eine -
  taktische - Anpassung der US-Aussenpolitik angesichts der katastrophal
  verlaufenden Kriege im Irak und in Afghanistan notwendig ist. Einiges
  deutet darauf hin, dass Obama - nicht zuletzt aufgrund der
  wirtschaftlichen Probleme der USA - versuchen wird, die EU-Staaten
  kuenftig staerker militaerisch in die Pflicht zu nehmen; sie sollen
  einen "angemessenen Beitrag" zur Aufrechterhaltung der westlich
  dominierten kapitalistischen Ordnung leisten.
  
  Im Gegenzug duerfte der Einfluss der EU-Staaten innerhalb einer
  gestaerkten NATO aufgewertet werden, um ihnen diesen Deal schmackhaft
  zu machen: "Der 'unilaterale' Ansatz, der von Bushs demokratischen
  Kritikern als strategischer Fehler attackiert wurde, wird nun
  korrigiert, und eine erneuerte NATO wird das Symbol hierfuer sein."
  (1)
  
  Falkenkabinett: Die Rueckkehr der War Democrats
  Mit seiner Entscheidung, Robert Gates, den Kriegsminister seines
  Vorgaengers George W. Bush, fuer mindestens ein weiteres Jahr im Amt
  zu lassen, setzte Obama ein Zeichen, mit der bisherigen Politik nicht
  grundsaetzlich brechen zu wollen. Unter Gates wurde eine
  Umstrukturierung der US-Armee eingeleitet, die darauf abzielt,
  kuenftig Stabilisierungs- und Aufstandsbekaempfungseinsaetzen
  denselben Stellenwert wie klassischen Kriegseinsaetzen zukommen zu
  lassen.
  
  Dies deckt sich offenbar mit Obamas Vorstellungen: "Wir muessen unsere
  Kapazitaeten neu ausbalancieren, um sicherzustellen, dass unsere
  Truppen agil und toedlich genug sind, um in beidem, in konventionellen
  Kriegen und in Stabilisierungs- und Aufstands-bekaempfungsoperationen
  zu siegen." (2) Hierfuer steht der alte und neue Kriegsminister
  Gates - und damit auch dafuer, dass kuenftig mit weiteren Besatzungen
  unter US-Flagge zu rechnen sein wird.
  
  Auch die Berufung von James Jones, einem engen Freund John McCains,
  zum Nationalen Sicherheitsberater, ist ein Schlag ins Gesicht fuer
  alle, die sich von Obama eine Wende in der Aussen- und
  Sicherheitspolitik versprochen hatten. Jones war zwischen 2003 und
  2006 als NATO-Oberkommandierender massgeblich fuer die Eskalation in
  Afghanistan verantwortlich. Seine jetzige Ernennung deutet auf eine
  Fortsetzung der NATO-Eskalationsstrategie hin, was sich mit Obamas
  eigenen Plaenen vereinbaren laesst (s.u.).
  
  Waehrend Obama mit den Ernennungen von Gates und Jones seine
  Ankuendigung wahr machte, auch Republikaner einbinden zu wollen,
  rekrutiert er unter den Demokraten fast ausschliesslich Personen aus
  dem Umfeld des frueheren Praesidenten Bill Clinton. So berief er mit
  dem damaligen NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark einen der
  Protagonisten des 1999 erfolgten voelkerrechtswidrigen Angriffskriegs
  gegen Jugoslawien in seinen engeren Beraterkreis.
  
  Generell ist es frappierend, mit welcher Wucht die "Clintonians"
  gegenwaertig an die Schaltstellen der Macht zurueckkehren. So wurde
  mit Rahm Emanuel ein enger Clinton-Vertrauter zum Stabschef ernannt.
  Emanuel verfuegt ueber engste Kontakte zum "Democratic Leadership
  Council", dem 1988 gegruendeten Sammelbecken der "War Democrats", die
  sich fuer eine wirtschaftsfreundliche und militaristische
  demokratische Aussenpolitik einsetzen. So fordert Emanuel, ein
  Befuerworter des Irak-Kriegs 2003, schon lange eine Aufstockung der
  US-Armee um 100.000 SoldatInnen. (3) Auch Obama hat mittlerweile
  angekuendigt, zusaetzlich 65.000 SoldatInnen und 27.000 Marines
  rekrutieren zu wollen. (4)
  
  Spaetestens mit der Berufung Hillary Clintons als Aussenministerin hat
  sich Obama von seinem Anspruch, einen wirklichen Wandel einleiten zu
  wollen, verabschiedet. Bei Liberalen und Linken loeste die Ernennung
  einen regelrechten Schock aus. So kommentierte Maureen Dowd
  konsterniert: "Wie kann er Hillary, die fuer den Irak-Krieg stimmte,
  ohne die Einschaetzungen der Nachrichtendienste zu lesen, die
  Verantwortung fuer die Aussenpolitik und eine Welt uebertragen, die
  durch diesen Krieg gespalten wurde." (5)
  
  Auf der anderen Seite erhaelt Obama Lob aus berufenem Munde. So
  schreibt der Neokonservative Max Boot: "Als jemand, der skeptisch
  gegenueber der moderaten Haltung Obamas waehrend des Wahlkampfes war,
  muss ich nun zugeben, dass ich angesichts dieser Berufungen baff bin,
  die meisten haetten auch gut von einem Praesidenten McCain kommen
  koennen." (6)
  
  Irak: Teilung und Teilabzug
  
  Fuer den von Obama nach eigenen Aussagen hochgeschaetzten neuen
  Sicherheitsberater James Jones steht die Bedeutung des Irak-Krieges
  ausser Frage. Ein vom US-Kongress in Auftrag gegebener Bericht, der
  unter seinem Vorsitz erstellt wurde, liess diesbezueglich keine
  Zweifel aufkommen: "Die strategischen Konsequenzen eines Scheiterns -
  oder nur eines empfundenen Scheiterns - waeren fuer die Vereinigten
  Staaten und die Koalition enorm. Wir naehern uns einem wirklich
  strategischen Augenblick im noch jungen Jahrhundert.
  
  Die regionale geostrategische Position des Irak, das
  Machtgleichgewicht im Mittleren Osten, die oekonomische Stabilitaet,
  die durch die Energiestroeme in viele Teile der Welt ermoeglicht wird,
  und die Faehigkeit, den Terrorismus, wo es am notwendigsten ist, zu
  besiegen und einzudaemmen, stehen zur Disposition und lassen schnelle
  und einfache Loesungen nicht zu." (7)
  
  Von einem "ueberstuerzten" Abzug haelt Jones ebenso wenig wie
  Vizepraesident Joseph Biden, der im Vorfeld des Angriffskrieges im
  Kongress einer seiner eifrigsten Befuerworter war. (8)
  
  Hochgefaehrlich sind Joseph Bidens Vorschlaege zur "Loesung" des
  Desasters, das dieser Krieg angerichtet hat. In einem Grundsatzartikel
  schlug er eine Atomisierung des Irak vor: "Amerika muss sich von der
  falschen Wahl zwischen 'den Kurs halten' und 'die Truppen sofort heim
  bringen' verabschieden und einen dritten Weg waehlen. Einen, der es
  uns erlaubt, unsere Truppenpraesenz verantwortlich zu reduzieren und
  dabei gleichzeitig Chaos zu verhindern und unsere
  Sicherheitsinteressen zu wahren."
  
  Anschliessend plaediert Biden de facto fuer die Aufspaltung des Irak
  in drei Teile, einen sunnitischen, einen schiitischen und einen
  kurdischen. Da die "Dinge ohnehin in Richtung einer Teilung laufen",
  solle Washington diesen Prozess so weit als moeglich forcieren. (9)
  
  Gerne wird uebersehen, dass Obama selbst keinen vollstaendigen Abzug
  aus dem Irak anvisiert, auch wenn dies ueberall suggeriert wurde.
  Vielmehr will er auch kuenftig US-Truppen im Land stationiert lassen:
  "Dies [die versprochene Truppenreduzierung] wuerde im Sommer 2010
  abgeschlossen sein. [...] Nach dieser Restrukturierung wuerden wir
  eine Kerntruppe (residual force) fuer bestimmte Aufgaben im Irak
  belassen: fuer das Vorgehen gegen die Reste von Al-Kaida; den Schutz
  unserer Dienstleister und Diplomaten und die Ausbildung und
  Unterstuetzung der irakischen Sicherheitskraefte, so lange, bis die
  Iraker Fortschritte machen." (10) Ueber die genaue Groesse dieser
  "Kerntruppe", die man auch als "Restbesatzung" bezeichnen koennte,
  schweigt sich Obama zwar aus, aus Andeutungen waehrend einer
  Senatsanhoerung geht aber hervor, dass er dabei etwa 30.000 Soldaten
  im Auge hat. (11) Eine zeitliche Befristung fuer den Verbleib dieser
  Kerntruppe ist nirgendwo zu finden. Auch von einem Rueckzug der bis zu
  200.000 im Irak operierenden Soeldner, die meisten davon sind als
  Subunternehmer des Pentagon unterwegs, ist nirgends die Rede. So
  bleibt von dem vollmundig versprochenen Abzug in der Praxis kaum mehr
  etwas uebrig.
  
  Humanitaere Interventionisten
  
  In Obamas BeraterInnenteam finden sich viele "linksliberale"
  BellizistInnen, die sich fuer "humanitaere Interventionen" zum Schutz
  der Menschenrechte und fuer die gewaltsame Verbreitung von Demokratie,
  Menschenrechten und freien Maerkten einsetzen. So bat Obama z.B.
  Samantha Power als seine Beraterin zu fungieren, nachdem er ihr Buch
  (A Problem from Hell: America and the Age of Genocide) gelesen hatte,
  ein flammendes Plaedoyer fuer "humanitaere Interventionen". (12)
  
  Auch seine aussenpolitische Chefberaterin waehrend des Wahlkampfes,
  Susan Rice, plaediert mit dem Argument, man koenne dem Toeten und
  Sterben in Darfur - das nicht unwesentlich mit der dortigen westlichen
  Interessenspolitik zusammenhaengt - nicht laenger tatenlos zusehen,
  fuer einen Angriff auf den Sudan: "Die Geschichte zeigt, dass Khartum
  nur eine Sprache versteht: die glaubwuerdige Androhung oder Anwendung
  von Gewalt."
  
  Eine UN-Resolution muesse her, um einen Angriff zu autorisieren: "Die
  USA, vorzugsweise mit NATO-Beteiligung und afrikanischer politischer
  Unterstuetzung, wuerden sudanesische Flughaefen, Flugzeuge und andere
  militaerische Anlagen bombardieren. Sie wuerden Port Sudan blockieren,
  durch das die sudanesischen Oelexporte fliessen. Anschliessend wuerden
  die UN-Truppen stationiert - mit Gewalt, sollte dies noetig sein und
  mit Unterstuetzung seitens der USA und der NATO. Sollten die USA keine
  UN-Autorisierung erhalten, sollten sie auch ohne sie handeln." (13)
  
  Ihre Positionen finden sich in Aussagen Obamas wie folgender wieder:
  "Werden wir den Worten 'nie wieder' in Darfur Bedeutung verleihen?"
  (14)
  
  Selbst der beruechtigten Bush-Doktrin wird nicht grundsaetzlich eine
  Absage erteilt. Ihr Kernelement, der voelkerrechtswidrige
  Praeventivkrieg, findet sich verklausuliert auch in Reden Obamas: "Wir
  muessen in Betracht ziehen, unsere Militaerkraefte in Situationen
  ausserhalb der Selbstverteidigung einzusetzen, um die gemeinsame
  Sicherheit zu gewaehrleisten, die globale Stabilitaet ermoeglicht - um
  unsere Freunde zu unterstuetzen, an Stabilisierungs- und
  Wiederaufbaueinsaetzen teilzunehmen oder gegen Massentoetungen
  vorzugehen." (15)
  
  Iran: Alle (militaerischen) Optionen bleiben offen
  
  Obamas Ankuendigung, Verhandlungen mit dem Iran aufnehmen zu wollen,
  um die Konflikte um Teherans Atomprogramm auf diplomatischem Wege zu
  loesen, ist zu begruessen. Ob er jedoch bereit sein wird, eine
  verlaessliche Nicht-Angriffsgarantie seitens der USA (und Israels)
  abzugeben, die eine Vorbedingung fuer eine Verhandlungsloesung
  darstellt, ist fraglich - zu hoeren war davon bislang nichts.
  
  Tatsaechlich schliesst Obama einen militaerischen Angriff nicht aus:
  "Um mit diesen Bedrohungen umzugehen, werde ich die militaerische
  Option nicht vom Tisch nehmen." (16)
  
  Er begruendet seine Position mit folgenden Worten: "Die vom Iran
  ausgehende Gefahr ist real und mein Ziel wird es sein, diese Gefahr zu
  eliminieren. [...] Ich werde alles in meiner Macht stehende
  unternehmen, um zu verhindern, dass der Iran an Atomwaffen gelangt -
  alles!" (17) In dieses Bild passt auch das Fazit einer Studie des
  "Bipartisan Policy Center" vom September 2008, an der u.a. Obamas
  wichtigster Berater fuer den Mittleren Osten, Denis Ross, beteiligt
  war: "Wir sind der Ueberzeugung, dass ein Militaerschlag eine machbare
  Option ist und als letzte Moeglichkeit ergriffen werden muss, um die
  iranische nukleare Entwicklung abzubremsen, auch wenn damit wohl nicht
  saemtliche Probleme geloest und sicherlich neue geschaffen werden."
  (18)
  
  Eine substanzielle Verbesserung des amerikanisch-iranischen
  Verhaeltnisses scheint angesichts solcher Aussagen eher fraglich.
  
  Ende des atomaren Amoklaufs?
  
  Betrachtet man die Studien aus Obamas Umfeld, so duerfte am ehesten im
  Bereich der Nuklearpolitik mit einer Verbesserung zu rechnen sein. So
  setzt sich das Papier "Strategic Leadership: A Framework for a 21st
  Century National Security Strategy" fuer eine schnellstmoegliche
  Reduzierung des amerikanischen und russischen Atomwaffenarsenals ein.
  (19)
  
  Auch in der gemeinsamen Blaupause fuer ihre kuenftige Aussen- und
  Sicherheitspolitik ("A 21st Century Military for America") sprechen
  sich Obama und Biden fuer umfassende Reduzierungen aus. (20) Offen
  wird dabei aber leider die Frage gelassen, ob die abgeruesteten
  Atomwaffen endgueltig zerstoert oder lediglich eingelagert ("hedge")
  werden sollen. Dies war bereits unter Bush der groesste Streitpunkt
  mit Russland, das auf eine endgueltige Zerstoerung draengte, da
  ansonsten eine neuerliche Aufruestung jederzeit wieder moeglich waere.
  
  Auch ueber die Frage, inwieweit der immer offensiver auf atomare
  Praeventivschlaege ausgerichteten nuklearen US-Einsatzplanung endlich
  ein Riegel vorgeschoben wird, schweigt sich Obama bislang aus.
  
  Darueber hinaus hat sich zwar Obamas Vizepraesident Joseph Biden seit
  Jahren immer wieder kritisch ueber die kostspieligen und
  destabilisierenden Plaene zum Aufbau einer US-Raketenabwehr geaeussert
  (21), ein Ende des Raketenabwehrprogramms scheint aber nicht zur
  Debatte zu stehen.
  
  So aeussern sich Biden und Obama mittlerweile dahingehend, dass es
  vielmehr darum gehe, "effektive" und "kosteneffiziente" Systeme
  aufzubauen, die auch funktionieren. Dies gilt auch fuer die Plaene zum
  Aufbau von Installationen in Polen und der Tschechischen Republik,
  denen damit keineswegs eine Absage erteilt wird. (22)
  
  Kein amerikanisch-russischer Honeymoon
  
  Erforderlich waere ein Wandel in den amerikanisch-russischen
  Beziehungen, damit die sich verschaerfenden Konflikte nicht in einen
  Neuen Kalten Krieg abgleiten.
  
  Doch auch hier stimmt die Auswahl von Obamas BeraterInnen alles andere
  als zuversichtlich. Am meisten Beachtung wurde der Ernennung Zbigniew
  Brzezinskis als Berater geschenkt, ein Altmeister US-amerikanischer
  Geopolitik. Er lobt sich bis heute, mit der Aufruestung der
  Mudschaheddin (und auch Bin Ladens) Ende der 1970er die Sowjetunion
  "in die afghanische Falle" gelockt zu haben. Ueber diesen Menschen
  sagte der russische Aussenminister Sergej Lawrow einmal: "Ich bin
  froh, dass er ein ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater ist. Hass
  sollte nicht die Aussenpolitik bestimmen." (23)
  
  Vor allem im juengsten Krieg zwischen Georgien und Russland meldete
  sich Brzezinski lautstark zu Wort. Er verglich Putins Vorgehen mit dem
  Hitlers und forderte, dass Moskaus Verhalten nur zu "Ausgrenzung und
  wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen fuehren kann. Wenn
  Russland diesen Kurs weiterfaehrt, muss es letztendlich innerhalb der
  Staatengemeinschaft isoliert werden." (24)
  
  Ingesamt gelangt auch das "Center for Defense Information" zu dem
  Ergebnis, dass den amerikanisch-russischen Beziehungen nicht gerade
  rosige Zeiten bevorstehen: "Die Auswahl von Obamas Beratern ist
  beunruhigend. Er wird von Zbigniew Brzezinski beraten, ein Mann, der
  fuer keinerlei freundschaftliche Gefuehle gegenueber Russland bekannt
  ist. Sein wichtigster Russland-Mann ist Michael McFaul, einer der
  lautstaerksten Kritiker Putins in Washington. Und er erhaelt
  Lehrstunden in Demokratiefoerderung von George Soros. Nichts davon ist
  ein gutes Zeichen fuer die Faehigkeit Obamas, die Beziehungen zwischen
  Russland und den USA zu verbessern." (25)
  
  Eine der wichtigsten Entscheidungen, die in naechster Zeit in diesem
  Kontext anstehen wird, ist die Frage, ob Georgien und der Ukraine die
  NATO-Mitgliedschaft angeboten werden wird. Obwohl dies fuer Russland
  eine rote Linie darstellt, hat sich Obama fuer einen solchen Schritt
  ausgesprochen. (26)
  
  Eskalation in Afghanistan
  
  Am deutlichsten sind Obamas Aussagen bezueglich des Kriegs in
  Afghanistan. Auf der einen Seite will er den Krieg auf pakistanisches
  Gebiet ausdehnen, um dort Rueckzugsgebiete des Widerstandes zu
  bekaempfen - eine weitere Eskalation waere damit praktisch
  vorprogrammiert.
  
  Andererseits beabsichtigt er, deutlich mehr Truppen an den Hindukusch
  zu senden. Mindestens zwei zusaetzliche Brigaden (10.000 SoldatInnen)
  sollen es sein, gleichzeitig will er aber "diese Verpflichtung dazu
  nutzen, um von den NATO-Verbuendeten groessere Beitraege - mit weniger
  Einschraenkungen - einzufordern." (27)
  
  Mit diesen "Einschraenkungen" meint Obama die so genannten "caveats",
  Sonderregeln, die den Truppen einzelner NATO-Laender detailliert
  vorgeben, unter welchen Umstaenden und wo sie in Afghanistan Gewalt
  anwenden duerfen. Sie verbieten es etwa der deutschen Bundeswehr, sich
  im umkaempften Sueden und Osten zu betaetigen. Somit ist Obamas
  Aussage nicht zuletzt an die Adresse der deutschen Bundesregierung
  gerichtet. Berichten zufolge soll einer Ausweitung des Krieges auf
  Pakistan von den Verbuendeten bereits zugestimmt worden sein, ein
  deutliches Zeichen dafuer, dass man gewillt zu sein scheint, Obamas
  Forderungen nachzukommen. (28)
  
  Der Grund hierfuer liegt darin, dass die groessere EU-Beteiligung am
  Afghanistan-Krieg als eine der Voraussetzungen fuer eine
  Runderneuerung der transatlantischen Beziehungen erachtet wird, wie
  der "European Council on Foreign Relations" betont: "Die Frage wird
  wohl in Washington als Lackmustest angesehen werden, ob die Europaeer
  als strategische Partner ernst genommen werden sollten. Somit duerfte
  die europaeische Reaktion die transatlantischen Sicherheitsbeziehungen
  auf lange Sicht, also die naechsten vier oder acht Jahre
  beeinflussen." (29)
  
  Neue Transatlantische Partnerschaft: Re-Vitalisierung der NATO
  Nicht erst seit der juengsten Finanzkrise hat sich die Lage fuer die
  USA auch wirtschaftlich deutlich zugespitzt. So belief sich das
  US-Handelsbilanzdefizit 2007 auf gigantische $700 Mrd., und die
  Staatsverschuldung stieg in diesem Jahr erstmals auf ueber $10
  Billionen (rechnet man die Deckungsluecke der sozialen
  Sicherungssysteme hinzu, so steigt diese Zahl nach Angaben des
  US-Finanzministeriums auf ueber $50 Billionen). Die einzige Weltmacht
  pfeift - oekonomisch wie militaerisch - auf dem letzten Loch, und es
  ist auch den US-Eliten klar, dass ein Strategiewechsel erforderlich
  ist.
  
  Ziel ist es deshalb, die Lasten fuer die Aufrechterhaltung der
  westlich dominierten Weltordnung auf mehr Schultern zu verteilen. Die
  Europaeische Union, die ebenso von diesem System profitiert wie die
  Vereinigten Staaten, ist hierfuer der natuerliche Adressat.
  
  Ein solches "Burden Sharing" duerfte jedoch nur gelingen, wenn dem -
  auch militaerisch zunehmend untermauerten - Streben der EU entsprochen
  wird, nicht mehr laenger auf die Rolle als "Subunternehmer Amerikas"
  (Ernst-Otto Czempiel) reduziert zu werden. Nur ueber eine Aufwertung
  als gleichberechtigte Macht duerften die EU-Staaten zu mehr Engagement
  zu bewegen sein. Um diese "Neue Transatlantische Partnerschaft" auf
  den Weg zu bringen, ist Obama geradezu ideal geeignet. Zum einen ist
  er frei von dem Makel der Jahre unter Bush, unter dem die
  transatlantischen Beziehungen extrem gelitten haben. Zum anderen
  duerfte es die Beliebtheit, der er sich in Europa erfreut, den
  EU-Staaten einfacher machen, gegenueber ihrer jeweiligen Bevoelkerung
  hoehere militaerische Beitraege als Beitrag zur transatlantischen
  Aussoehnung zu rechtfertigen.
  
  Der Umgang mit dem "Chaos in der Welt", den Folgeerscheinungen der
  kapitalistischen Globalisierung, sowie das Bestreben, die aufkommenden
  Maechte Russland und China auf die Plaetze zu verweisen, koennten
  dabei der Kitt fuer die Neue Transatlantische Partnerschaft sein -
  ihren institutionellen Niederschlag wuerde sie in einer vitalisierten
  NATO finden. So finden sich in Obamas Umfeld viele BefuerworterInnen,
  die NATO zu einer "globalen Allianz der Demokratien" (unter
  amerikanisch-europaeischer Fuehrung) auszubauen, um sie gegen die
  "autoritaeren" aufstrebenden Staaten Russland und China in Stellung zu
  bringen. (30) Dass Obama den ehemaligen Oberbefehlshaber der Allianz
  zu seinem Nationalen Sicherheitsberater machte, ist ein klares Zeichen
  in diese Richtung. James Jones fordert, dass kuenftig die meisten
  Entscheidungen im Buendnis nicht mehr im Konsens, sondern per
  Mehrheitsentscheid getroffen werden sollen. Gleichzeitig plaediert er
  dafuer, aus der informellen Vereinbarung des Prager-Gipfels (2002), 2%
  des Bruttoinlandsproduktes fuer Ruestungsausgaben aufzuwenden, eine
  formale Verpflichtung zu machen und das Prinzip abzuschaffen, dass nur
  die Mitgliedslaender die Kosten fuer NATO-Kriegseinsaetze bezahlen
  muessen, die sich auch an ihnen beteiligen. (31)
  
  In Europa jedenfalls scheint man die Botschaft verstanden und
  wohlwollend aufgegriffen zu haben. Nicht einmal eine Woche nach Obamas
  Wahl beschloss der Europaeische Rat, dass die EU-Mission Eujust Lex ab
  Mitte 2009 erstmals auch innerhalb des Iraks Beamte ausbilden und
  damit den USA bei der Besatzung direkter unter die Arme greifen soll.
  (32) Die gegenwaertige transatlantische Hochstimmung brachte der
  CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber folgendermassen auf den Punkt:
  "Die deutsche Politik wird sich aber auch mit seiner [Obamas]
  Forderung auseinandersetzen muessen, mehr gemeinsame Verantwortung
  fuer globale Probleme in der Welt zu uebernehmen. Amerika setzt auf
  Deutschland und Europa. Die transatlantische Bruecke wird staerker."
  (33)
  
  (Juergen Wagner, graswurzelrevolution 335, Januar 2009)
  
  Quelle: http://www.graswurzel.net/335/obama.shtml
  
  *
  Anmerkungen
  (1) Raimondo, Justin: Obama's Foreign Policy: The Case for Pessimism,
  antiwar.com, 24.11.08.
  (2) www.barackobama.com/issues/defense/
  (3) Emanuel, Rahm/Reed, Bruce: The Plan: Big Ideas for America,
  Washington 2006.
  (4) www.barackobama.com/issues/defense/
  (5) Dowd, Maureen: Team of Frenemies, New York Times, 15.11.2008.
  (6) Obama ist eher Westerwelle als Lafontaine, Tagesspiegel,
  28.11.2008.
  (7) Jones, James (Chairman): The Report of the Independent Commission
  on the Security Forces of Iraq, 06.09.2007, S. 129f.
  (8) Zunes, Stephen: Biden, Iraq, and Obama's Betrayal, Foreign Policy
  In Focus, 24.08.2008.
  (9) Biden, Joseph/Geld, Leslie: Unity Through Autonomy in Iraq. New
  York Times, 01.05.2006.
  (10) Obama's Remarks on Iraq and Afghanistan, New York Times,
  15.07.2008.
  (11) Escobar, Pepe: Obama's brave (new?) world, Asia Times Online,
  17.06.2008.
  (12) Baehr, Richard/Lasky, Ed: Samantha Power and Obama's Foreign
  Policy Team, American Thinker, 19.2.08, URL: http://tinyurl.com/28sgkt
  (13) Rice, Susan E./Lake, Anthony/Payne, Donald: We Saved Europeans.
  Why Not Africans?, Washington Post, 02.10.2006.
  (14) "Dies ist der Moment". Obamas Rede im Wortlaut, sueddeutsche.de,
  24.07.2008.
  (15, 16) Bandow, Doug: Presidential Hawks, Left and Right,
  antiwar.com, 29.06.2008.
  (17) Obama vows to stop Iran from having nuclear arms, reuters,
  04.06.2008.
  (18) Meeting the challenge: U.S. policy toward iranian nuclear
  development, September 2008.
  (19) Vgl. Strategic Leadership: A Framework for a 21st Century
  National Security Strategy, Center for a New American Century, July
  08, S. 5.
  (20) Barack Obama and Joe Biden on Defense Issues, URL:
  http://www.barackobama.com/pdf/issues/Fact_Sheet_Defense_FINAL.pdf
  (21) Vgl. Joseph Bidens Vorwort in Young, Stephen W.: Pushing the
  Limits, Washington D.C. 2000.
  (22) Barack Obama and Joe Biden on Defense Issues a.a.O.
  (23) Griffin, Webster: Obama - The Postmodern Coup: Making of a
  Manchurian Candidate by Webster Griffin, URL:
  http://tinyurl.com/5r4rgk
  (24) "Russlands Vorgehen aehnelt dem von Hitler", Die Welt,
  11.08.2008. Ebenfalls in sein Team geholt hat Obama Brzezinskis Sohn
  Mark, der seinem Vater hinsichtlich dessen Russophobie in nichts
  nachsteht.
  (25) Should Moscow Root for Obama?, CDI Russia List, 21.03.2008.
  (26) Carpenter, Ted: Worse than Bush? National Inters Online,
  11.07.2008.
  (27) Obama's Remarks on Iraq and Afghanistan, New York Times,
  15.07.2008.
  (28) Beitrag zur Operationsfuehrung, german-foreign-policy.com,
  27.11.2008.
  (29) Korski, Daniel: Enhancing the EU's role in Afghanistan, ECFR,
  05.11.2008.
  (30) Daalder, Ivo/Goldgeier, James: Global NATO, Foreign Affairs,
  September/October 2006.
  (31) An interview with General James L. Jones, NATO Defense College,
  Research Paper, Jan. 08.
  (32) Council Conclusions on the ESDP, 10./11.11.08.
  33) "Starke und mutige Botschaft", Spiegel Online, 24.07.08.
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