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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. Dezember 2008; 21:15
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Tuerkei/EU/Kommentar:
> Ilisu ist tot, es lebe der GAP
Das Ilisu-Projekt ist tot. Oder zumindest scheint es so. Das 
tuerkische Staudammprojekt wird wahrscheinlich nicht mehr mit der 
Exportgarantie der Kontrollbanken Oesterreichs, Deutschlands und der 
Schweiz rechnen koennen. Die Frist, die die europaeische Politik der 
Tuerkei gesetzt hat, in der sie bestimmte Auflagen zu erfuellen gehabt 
haette, ist abgelaufen, ohne dass nennenswerte Reaktionen der 
tuerkischen Regierung erfolgt waeren.
Die Auflagen betrafen eine menschenwuerdige Unterbringungen der rund 
65.000 umzusiedelnden Menschen, die Konservierung der historischen 
Stadt Hasankeyf sowie die Schaffung von Infrastruktureinrichtungen in 
der Region.
Obwohl genau diese zusaetzliche Infrastruktur als Werbeargument immer 
von der tuerkischen Regierung hervorgehoben worden war, hat sie daran 
offensichtlich kein grosses Interesse. Die Region ist vor allem 
interessant fuer die Elektrizitaetsversorgung, die Bevoelkerung 
allerdings ist kurdisch dominiert und deren Foerderung fuer die 
Regierung in Ankara von geringerer Vordringlichkeit.
Ob der Ilisu-Damm damit wirklich verhindert worden ist, bleibt 
fraglich. Schon vor sieben Jahren hatten sich nach einer 
internationalen Kampagne britische, italienische und schwedische 
Firmen genauso wie deren Exportgaranten aus dem Projekt 
zurueckgezogen. Die tuerkische Regierung, die das Projekt so vehement 
verfolgt, koennte sich also ein weiteres Mal nach auslaendischen 
Partnern umsehen.
Und noch etwas muss bedacht werden: Ilisu war bei uns vor allem 
deswegen in den Schlagzeilen, weil damit historisch relevante 
Kulturgueter betroffen und ein Konzern mit der Zentrale in Oesterreich 
(VA Tech) fuehrend daran beteiligt ist. Tatsaechlich ist Ilisu aber 
nur ein kleiner Teil des gesamten Gueneydogu Anadolu Projesi, 
(Suedostanatolien-Projekt, GAP), das ansonsten schon grossteils 
fertiggestellt worden ist. Die Kritik am GAP, darunter der seit 1992 
im Betrieb befindliche Atatuerk-Staudamm, geht aber weit ueber den 
Schutz von Kulturguetern hinaus. Laut Kritikern sei ueberhaupt keine 
langfristige Abschaetzung der hydrologischen Folgen angestellt worden. 
Auch sei das Projekt sehr stark von machtpolitischen Ueberlegungen 
getragen gewesen: Die Daemme entwurzeln die im Ueberschwemmungsgebiet 
ansaessige Bevoelkerung und durchschneiden ausserdem gerade die 
Gebiete des intensivsten kurdischen Widerstands. Die Gebiete unterhalb 
der Daemme koennen ausserdem mit einer Kontrolle ueber das Wasser sehr 
leicht unter Druck gesetzt werden. Das gilt sowohl fuer die 
Kurdengebiete auf tuerkischem Boden selbst, als auch fuer Syrien und 
den Irak, fuer deren Versorgung mit Suesswasser die betroffenen 
Fluesse Euphrat und Tigris von zentraler Bedeutung sind.
Ilisu war "die letzte Schlacht" um das GAP. Diese Schlacht hat Ankara 
jetzt (vielleicht) verloren. Der Rest des Projekts ist aber Realitaet.
*Bernhard Redl*
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