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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. Dezember 2008; 23:57
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USA:
> Des Praesidenten Gnade
Es besteht die Gefahr, dass Praesident Bush eine Reihe hochrangiger
Regierungsvertreter begnadigen laesst fuer Taten, die in Beziehung
stehen zu Folter, unverhaeltnismaessigen Urteilen und anderem
Missbrauch. Sogar fuer den Fall, dass sie eines Verbrechens
beschuldigt wuerden, hat Bush jetzt die Macht, jede strafrechtliche
Untersuchung auch in der Zukunft abzudrehen, die sich gegen Cheney,
Rumsfeld, Ashcroft, Gonzales und andere richten koennte. Und das
Geruecht, Bush wuerde diese Macht gebrauchen wollen, haelt sich
hartnaeckig in ueblicherweise wohlinformierten Kreisen.
Derzeit draengt die Amerikanische Buergerrechtsbewegung (ACLU)
besorgte Buerger im ganzen Land, sich offen gegen diese Freibriefe zu
wenden.
Vorletztes Wochenende haben die New York Times und die Washington Post
beide in scharfen Editorials Praesident Bush aufgefordert, der
Versuchung zu widerstehen, diese katastrophale Tat zu begehen.
Wie die Post es ausdrueckt, "sollte kein Land versuchen, Fakten seiner
Geschichte zu verbergen".
In ihrem Editorial stellte die New York Times den Fall klar: "Die
Bush-Administration entstellt Gesetze und Praezendenzfaelle, um
Untersuchungsmethoden zu legalisieren und zu rechtfertigen, die im
amerikanischen und internationalen Recht seit langem als Folter
angesehen werden. Sie setzt auf nachlaessige oder willkuerliche
Untersuchungen als Grundlage fuer ihren Versuch, juristische
Nachpruefungen ihres unrechtmaessigen Telefon-Abhoer-Programms zu
umgehen. Auf Schritt und Tritt hat sie die ausgedehntesten
Gesetzesinterpretationen herangezogen, um unbegrenzte Haftstrafen zu
rechtfertigen und Untersuchungen des Bundesgerichtshofs in bezug auf
Personen, die sich in Haft befinden, zu verweigern. Kurz, sie hat
zuerst ihren bevorzugten Kurs bestimmt und danach absurde Lesarten der
Gesetze zusammengeflickt, um diese Handlungen zu rechtfertigen."
Die ACLU dazu: "Was Amerika am wenigsten braucht, nun wo wir dabei
sind, die Herrschaft der Gesetze und Amerikas Ruf in der Welt wieder
herzustellen, ist jedenfalls ein verzweifelter Kampf von Bush,
diejenigen straflos ausgehen zu lassen, die unser Land so weit
gebracht haben."
Bush ist noch etwas mehr als ein Monat im Amt und er waere nicht der
erste, der die Zeit zwischen der Wahl seines Nachfolgers und dessen
Inauguration zu grosszuegigen Begnadigungen ihm nahestehender Personen
nuetzen wuerde. Von ihrem verfassungsgemaessen Begnadigungsrecht
hatten bereits Vater Bush und auch dessen Nachfolger und des Juniors
Vorgaenger Clinton in den letzten Wochen ihrer Amtszeit ausgiebig
Gebrauch gemacht. Clinton schaffte es auf 140 Begnadigungen und die
Presse sprach von "Pardongate", weil unter der Pardonierten auch
Clintons Bruder Roger (er sass wegen Kokainbesitz) und der
Steuerfluechtling Marc Rich (ein Spendengeber bei Clintons
Praesidentschaftskampagne) gewesen waren.
Bush junior selbst hat auch schon frueher unter sehr eigenartigen
Umstaenden zur Pardonierung gegriffen, naemlich fuer Lewis Libby, den
frueheren Stabschef seines Vizes Cheney. Libby hatte eine CIA-Agentin
enttarnt und es war vermutet worden, dass dies ein Racheakt der
Bush-Administration gegen den Ehemann, einen unliebsamen Botschafter
gewesen sein soll. Libby wurde zu 30 Monaten Haft verurteilt, musste
aber dank Bush nie ins Gefaengnis.
Nur einen Haken hat die Sache. Zwar kann Bush nichts mehr verlieren,
denn die Wahlen sind geschlagen. Wuerde er aber jetzt seine
Spiessgesellen tatsaechlich begnadigen, waere das eine unwillkommenes
Signal, das auch bis zu den naechsten midterm elections 2010
moeglicherweise nicht verklungen waere und generell der Moral der
Patrioten einen schweren Daempfer versetzen wuerde: Ein
Schuldeingestaendnis noch bevor jemand nach dem Richter gerufen
haette. Weil Unschuldsengerl kann man naemlich nicht begnadigen...
(akin)
*
Quellen: ACLU, Sueddeutsche, diverse
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