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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. Dezember 2008; 23:39
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Glosse:
> Einen Oscar fuer Michaelis
Die Realsatire AUA-Verkauf kostet die Republik ein Vermoegen. Das 
tragikomische Schmierenstueck haette keinem Drehbuchautor einfallen 
koennen. Es sprengt die Grenzen kuenstlerischer Kreativitaet. Nicht 
genug wuerdigen kann man aber die schauspielerischen Leistungen 
einiger Hauptdarsteller.
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Die Geschichte gehoert ins Kino. Ich bin noch unsicher, welchen Titel 
der Film haben soll. "Geschenkt ist noch zu teuer" ist leider 
vergeben. Auch "Die Faelscher" koennte einem in den Sinn kommen, gibt's 
aber auch schon. "Der grosse Fluglinienraub" waere ein Anfang. Oder: 
"Darling, ich hab die AUA geschrumpft". In diesem Fall muesste 
AUA-Chef Alfred Oetsch die Hauptrolle uebernehmen. Nach menschlichem 
Ermessen sollte er demnaechst ueber viel Tagesfreizeit verfuegen. 
Andererseits: Ein Manager in der Kategorie bleibt nicht lange 
arbeitslos. Irgendein Konzern wird es schon zustande bringen, ihm so 
etwas wie Kompetenz abzunehmen. Auch Karlheinz Grasser hat einen Job 
gefunden. Im schlimmsten Fall gibt es immer noch gute Freunde.
Ich persoenlich bevorzuge OeIAG-Vorstand Peter Michaelis in der 
Hauptrolle der Verfilmung. Arbeitstitel "Das Familiensilber". Wenn er 
es schafft, auch vor der Kamera derart ueberzeugend den Gewieften zu 
mimen, der so tut, als sei er der Ahnungslose, der einen kompetenten 
Manager spielt, ist ihm ein Oscar sicher. Wenn er sich nicht selbst 
spielen will, faellt mir allenfalls Gary Oldman ein. Er ist Spezialist 
fuer psychologisch besonders ausgefeilte Boesewichter.
Seit Beginn seiner Karriere tut der gute Mann nichts anderes, als 
Unternehmen, an denen der Staat beteiligt ist, entweder moeglichst 
billig zu verscherbeln (oder wahlweise zu verschenken) oder den 
Eigentuemer daran zu hindern, ein angeschlagenes Unternehmen zu 
sanieren. Im guenstigsten Fall ist es eine Kombination aus beidem. 
Siehe AUA.
Ich hoere das Gelaechter aus Deutschland. Dass es die Oesterreicher so 
billig geben wuerden, haette sich nicht einmal der Lufthansa-Vorstand 
gedacht. 366.000 Euro fuer eine Fluglinie plus 500 Millionen quasi 
gratis dazu. Gut, dazu kommt der Preis fuer die Aktienpakete der 
Privataktionaere. Ihre Aktien sind der Lufthansa ungefaehr 400mal so 
viel wert wie der OeIAG. Den Unterhaltungswert der Geschichte erhoeht 
das unglaublich. Michaelis duerfte nicht mit sonderlich viel 
Selbstvertrauen in die Verhandlungen gegangen sein. Auch das ein 
Charakterzug, den es bei der Verfilmung zu beruecksichtigen gilt.
Realistisch gesehen war auch nicht mehr zu erwarten von ihm. Man sieht 
ihm an, dass ihm die Nennung des Begriffs Staat Albtraeume verursacht. 
Staatliches Eigentum haelt er fuer Teufelszeug, das so schnell wie 
moeglich weg muss. Vorzugsweise an Freunde diverser Neigungsgruppen 
mit einem aehnlichen Weltbild abzugeben. Einen besseren Menschen an 
der Spitze der OeIAG haette die OeVP nicht finden koennen. Wer das 
oesterreichische Volk aus Ueberzeugung enteignet, ist der optimale 
Spiessgeselle der "Volks"partei. Waere es privates Eigentum, wuerde 
man das Diebstahl nennen. Die Republik muss dafuer noch zahlen. Um ein 
amerikanischen Bonmot zu zitieren: "Die Konservativen glauben, der 
Staat sei schlecht. Sind sie an der Macht, tun sie alles, um es zu 
beweisen".
Mit der AUA hat Michaelis sein Meisterstueck geliefert. Es bedarf 
keines Beweises mehr, dass ein in der Wirtschaftspolitik konservativ 
ausgerichteter Staat der schlechteste moegliche Eigentuemer ist. Er 
bindet sich eine Hand auf den Ruecken und setzt sich eine 
Blindenbrille auf, um nur ja kein Unternehmen erfolgreich fuehren zu 
koennen. Die Freunde warten schon auf die Filetstuecke und der 
Oeffentlichkeit kann man wieder einmal einen Baeren aufbinden. Bei der 
AUA ist Michaelis das Kunststueck gelungen, das Volk doppelt zu 
enteignen. Als Eigentuemer und als Steuerzahler. Er hat Volksvermoegen 
verschenkt und eine halbe Milliarde Euro draufgelegt. Die Chuzpe, zu 
behaupten, das sei professionell abgelaufen und es sei die einzig 
moegliche Loesung gewesen, muss man erst haben. Das muss auch ins 
Drehbuch. Ebenso wie Michaelis' unnachahmliches Talent, vermutlich mit 
tatkraeftiger Unterstuetzung von Alfred Oetsch, die zahlreichen 
anderen Interessenten zu vergraulen, bevor es ans Eingemacht geht. Wie 
macht er das?
Bevor man das Drehbuch zu Ende schreiben kann, muss man warten, wie 
die EU-Kommission entscheidet. Im Allgemeinen unterstuetzt sie nach 
bestem Wissen und Gewissen und voller Elan staatliche Versuche, ein 
schlechter Eigentuemer zu sein. Sie liefert auch sehr gerne Ausreden, 
warum sich ein oeffentlicher Eigentuemer eine Hand auf den Ruecken 
binden muss, um nicht den "Wettbewerb" zu verzerren. Laut heimischen 
Medien koennte der Dilettantismus diesmal auch der EU zu weit gegangen 
sein. Keine einfache Leistung, die vom kuenstlerischen Standpunkt her 
Applaus verdient. Politisch gesehen kann man den Kapitalismus als 
einzig denkbares System kaum besser infrage stellen.
Irgendwann 2009 wird das Skript fertig geschrieben werden koennen. 
Fraglich ist die Finanzierung. Ich habe leise Zweifel, ob die Republik 
eine halbe Milliarde locker machen wird wie bei der Vorlage. Die 
Filmfoerderung ist den Verantwortlichen nicht so viel wert wie die 
improvisierte Realsatire. Allerdings sollten sich genuegend private 
Sponsoren finden. Eine Geschichte, die zu absurd ist, um sie sich 
auszudenken, kann im Kino sehr erfolgreich sein. In diesem Fall 
wuerden sich nicht nur die Deutschen auf die Schenkel klopfen. Den 
Verweis "Based on Actual Events" sollte man aber weglassen. Das wuerde 
niemand glauben.
*Viktor Englisch*
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