**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 2. Dezember 2008; 20:25
**********************************************************

EU/Verkehr(t):

> Riesen-Lkw EU-weit?

Manche wollen "Gigaliner" als Problemloeser fuer den stark steigenden
Strassengueterverkehr verkaufen. Eine VCOe-Studie zeigt, dass
Gigaliner viele neue Probleme schaffen und vorhandene Verkehrsprobleme
nicht loesen.


Derzeit wird innerhalb der EU versucht, eine Zulassung von Gigalinern,
das sind rund 25 Meter lange und 60 Tonnen schwere Lastkraftwagen, zu
erreichen. Argumentiert wird mit einer angeblichen Entlastung der
Strassen: Es wuerden fuer dieselbe Guetermenge weniger Lkw benoetigt.
Ein Scheinargument, denn alle relevanten Studien zeigen, dass die
Zulassung der Gigaliner zu einer Verlagerung des Gueterverkehrs von
der Schiene auf die Strasse fuehrt. Umweltbelastung,
Infrastrukturkosten und das Unfallrisiko wuerden steigen. Der VCOe
spricht sich gegen die Zulassung der Riesen-Lkw aus. Die Bedingungen
fuer den Gueterverkehr auf der Schiene sind zu verbessern,
betriebliche Gleisanschluesse sind zu forcieren. Eine bessere Logistik
kann Leerfahrten einsparen. Damit sich Investitionen in die Logistik
besser rechnen, ist mehr Kostenwahrheit beim Lkw-Verkehr noetig. Die
EU soll ihren Mitgliedstaaten hoehere Lkw-Mauten erlauben und externe
Kosten zur Gaenze beruecksichtigen. Nach Schweizer Vorbild ist die
Lkw-Maut auf alle Strassen auszuweiten.

Teure Strassenumbauten

In Schweden und Finnland sind Riesen-Lkw bereits erlaubt. Das
Strassennetz dieser duenn besiedelten Gebiete musste mit grossem
finanziellen Aufwand adaptiert werden. In Deutschland werden derzeit
in einigen Bundeslaendern Tests durchgefuehrt. In Daenemark laeuft
seit November 2008 ein auf drei Jahre angelegter Versuch. Dafuer
wurden Strassen um 19 Millionen Euro ausgebaut. Durch eine EU-weite
Zulassung waeren diese Fahrzeuge auch in den etwa zehn Mal dichter
besiedelten und vom Bahnnetz gut erschlossenen Gebieten Mitteleuropas
unterwegs.

Der Wettbewerbsvorteil der Schiene und der Wasserstrasse wuerde mit
der Einfuehrung von Gigalinern schrumpfen. Ein Teil der Transporte,
die derzeit kostenguenstig mit Bahn oder Schiff transportiert werden,
wuerde auf die Strasse verlagert. Allein in Deutschland wuerden durch
die Zulassung von Gigalinern sieben Milliarden Tonnenkilometer von der
Schiene auf die Strasse verlagert werden. Das sind mehr als 400.000
zusaetzliche Lkw-Fahrten.

Die CO2-Bilanz des Transports per Bahn oder Schiff ist deutlich besser
als jene von Lkw. Lkw verursachen pro Tonnenkilometer verglichen mit
dem Transport auf der Schiene, die 17-fache Menge an CO2. Nur bei
einer sehr hohen Auslastung verursachen Gigaliner weniger Schadstoffe
pro Guetermenge als herkoemmliche Lkw. Angesichts der bereits heute
hohen Zahl an Lkw-Leerfahrten ist zu erwarten, dass Gigaliner diese
hohe Auslastung nicht erreichen. Mehr Umweltbelastung ist die Folge.

Das Risiko bei einem Verkehrsunfall toedlich zu verungluecken ist fast
viermal so hoch, wenn ein Lkw beteiligt ist. Laengere Ueberholwege,
groessere Masse beim Auftreffen auf Hindernisse, aber auch laengere
Raeumzeiten an Kreuzungen und Bahnuebergaengen sprechen gegen die
Gigaliner. In einem alpinen Land wie Oesterreich mit seinen
zahlreichen Tunneln und Bruecken hat der Einsatz von Riesen-Lkw noch
weit schwerwiegendere Folgen. Bei einem schweren Unfall in einem
Tunnel ist die Brandlast eines Gigaliner deutlich groesser als bei
einem normalen Lkw. Auf Bruecken besteht erhoehte Gefahr des
Durchbrechens der Rueckhaltesysteme wie beispielsweise Leitschienen.

Die heutige Strasseninfrastruktur – insbesondere Bruecken, Tunnel,
Rastplaetze, Kreuzungen und Kreisverkehre – ist nicht fuer Gigaliner
ausgelegt. Nach einer Zulassung der Riesen-Lkw waeren enorme
Investitionen noetig, um einen sicheren und fluessigen Verkehr zu
ermoeglichen.

In Regionen, die stark vom Transit betroffen sind, wie beispielsweise
Tirol und Ostoesterreich, waeren die Auswirkungen besonders gross. Im
Autobahnnetz gibt es oesterreichweit zirka 300 Brueckenkilometer und
rund 300 Tunnelkilometer, die die Asfinag zu erhalten hat. Die
60-Tonner wuerden speziell Bruecken deutlich staerker beanspruchen.
Die Kosten fuer Erhaltung und Instandsetzung wuerden enorm steigen.

Das Alpenland Oesterreich mit seinen vielen Steigungen, engen Kurven,
Bruecken und Tunneln ist fuer den Einsatz von ueberlangen und
ueberschweren Lkw ungeeignet. Der Lkw-Verkehr ist in Oesterreich seit
dem Jahr 1995 um 48 Prozent gestiegen, auf manchen Abschnitten hat er
sich sogar verdoppelt. Die Zulassung von Riesen-Lkw wuerde zu einer
weiteren Zunahme des Lkw-Verkehrs fuehren.

Im Bahngueterverkehr liegt Oesterreich im EU-Spitzenfeld: Ein Drittel
des Guetertransports erfolgt auf der Schiene. Um diesen Anteil noch
deutlich zu erhoehen, muss der Ausbau von Gleisanschluessen fuer
Betriebe deutlich forciert werden. Das regionale Schienennetz ist zu
erhalten und zu attraktivieren.

Derzeit waelzt der Lkw-Verkehr mehr als 60 Prozent der von ihm
verursachten Kosten auf die Allgemeinheit ab. Das sind in Oesterreich
pro Jahr rund 3,1 Milliarden Euro. Da der Lkw-Verkehr nicht fuer die
verursachten Kosten aufkommt, werden mehr Gueter auf der Strasse
transportiert als noetig. Strassen werden als rollende Lagerhallen
missbraucht. Die EU-Wegekostenrichtlinie ist so zu reformieren, dass
es den EU-Mitgliedstaaten erlaubt ist, hoehere Lkw-Mauten zu
verlangen.

Um eine Reduktion des Lkw-Verkehrs zu erreichen, braucht es nicht
groessere Fahrzeuge, sondern vor allem verkehrspolitische Massnahmen.
So ist dem politischen Ziel der staerkeren Verlagerung des
Gueterverkehrs auf die Schiene Rechnung zu tragen und der bestehende
Wettbewerbsnachteil der Schiene gegenueber der Strasse aufzuheben.

Um die verursachten Kosten des Verkehrs gerecht aufzuteilen, ist die
Lkw-Maut nach Vorbild der Schweiz zu erhoehen und auf alle Strassen
auszuweiten. Lkw-Mauten tragen dazu bei, den Gueterverkehr zu
optimieren, indem zum Beispiel Leerfahrten deutlich seltener werden.
Ebenso wichtig sind Massnahmen, die den Gueterverkehr verstaerkt auf
die Schiene bringen: Ein dichtes Schienennetz, die Beseitigung von
Engpaessen und die verstaerkte Schaffung von direkten
Gleisanschluessen fuer Betriebe. Auch die kleinen Regionalbahnen sind
fuer den Gueterverkehr besser zu nutzen. Beim Bahngueterverkehr liegt
Oesterreich im EU-Spitzenfeld. Eine gute Ausgangsposition, um im
eigenen Land und auf europaeischer Ebene eine zukunftsfaehige
Verkehrspolitik voranzutreiben.
(VCOe/gek.)

Volltext und weitere Infos: http://www.vcoe.at/start.asp?ID=4245


***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin