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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 2. Dezember 2008; 20:05
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Regierungspakt:
> Justiz: Unter einem schlechten Stern(derl)
"Ein eigener Jugendgerichtshof und die Schaffung einer
Antikorruptionsstaatsanwaltschaft sind wichtige justizpolitische
Projekte, die unbedingt umgesetzt werden muessen. Dafuer keine
finanziellen Mittel zur Verfuegung zu stellen bedeutet den
Finanzierungsdruck auf den Rechtsstaat zu erhoehen", kritisiert der
Justizsprecher der Gruenen, Albert Steinhauser. Die genannten Projekte
stuenden im Koalitionsabkommen unter Finanzierungsvorbehalt, so
Steinhauser.
Finanzierungsvorbehalt? Wo steht das im Regierungsuebereinkommen? Ja,
da muss man schon ganz genau schauen, um das zu ueberreissen. Da gibt
es naemlich so ein ominoeses Sternderl. Ein Verweis auf eine Fussnote.
Sieht man sich das ganze Regierungsuebereinkommen genau an, stellt man
fest, dass grob geschaetzt die Haelfte aller paktierten Massnahmen,
die Geld kosten koennten, mit so einem Sternderl versehen sind. Und
auf Seite 250 des 267 Seiten starken Regierungspaktes findet man dann
endlich die Fussnote: "*) Die mit diesem Zeichen gekennzeichneten
Passagen im Regierungsuebereinkommen stehen unter Budgetvorbehalt und
koennen nur im Rahmen des dem jeweiligen Ressort zur Verfuegung
gestellten Budgets -- z.B. durch Umschichtungen -- durchgefuehrt
werden." Sprich dafuer gibt es kein Geld, es sei denn, anderswo kann
man etwas abzwacken.
Nachdem das Justizressort -- das diesbezuegliche Kapitel ist ziemlich
sternderlverseucht -- schon seit Jahrzehnten unterdotiert ist, was zu
ueberbelegten Haftanstalten und zu langen U-Haftzeiten fuehrt, wird
hier kaum irgendetwas Neues geschehen, sofern es Geld kostet.
Dementsprechend vage sind auch die von Steinhauser erwaehnten Punkte
formuliert. Nicht nur das kein Geld da ist, auch das Wort
"Jugendgerichtshof" fehlt voellig. Es ist nur so von ungefaehr
formuliert, dass "fuer die Jugendgerichtsbarkeit [...] im Rahmen der
Aus- und Weiterbildung die Moeglichkeiten der Spezialisierung zur
Sicherstellung des gesetzlich geforderten Ausbildungsstandes von
Richtern/-innen und Staatsanwaelten/-innen (paedagogisches
Verstaendnis, Kenntnisse auf den Gebieten der Psychologie und der
Sozialarbeit) weiter auszubauen" sei. Von einer Trennung von der
Erwachsenenjustiz also keine Rede.
Das "Kapitel" ueber die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft hingegen
beschraenkt sich ueberhaupt nur auf eine Ueberschrift. Mehr steht da
nicht. Ausser natuerlich eben jenem Sternderl.
Seltsam sind aber auch die Dinge, die kein Geld kosten. Da steht zum
Beispiel: "Traditionsbedingte Gewalt -- Wer eine Gewalttat begangen
hat, kann sich zu deren Rechtfertigung, Entschuldigung oder zur
Milderung der Strafe nicht auf Tradition, Weltanschauung oder Religion
berufen." Das war bisher auch schon so. Wenn beispielsweise irgendein
Verrueckter seine Schwester schlaegt oder gar umbringt, war das nach
dem Strafgesetz zu ahnden. Was soll also dieser Satz? Schrieb da die
Polizeiministerin das Justizkapitel? Soll da das Fektersche
Hirngespinst "Kulturdelikt" zu Strafrechtsehren kommen?
Rassismus kann aber nicht nur neue Straftatbestaende erschaffen, er
kann auch dazu herhalten, das Strafgesetz fuer alle zu verschaerfen.
Besonders nett ist das, wenn es sich um den im sehr engen Sinne
politischen Bereich handelt: "Zunehmend zeigt sich, dass die Regelung
im Strafrecht in der derzeitigen Fassung eine nur unzureichende
Handhabe zur Bekaempfung des Phaenomens des sogenannten
`Hasspredigens´ bietet. Aus diesem Grunde soll in den §§ 281 bis 283
StGB die Begehung in einem weniger grossen Personenkreis fuer die
Strafbarkeit genuegen."
§283 ist Verhetzung, also das Hetzen gegen andere
Bevoelkerungsgruppen. Die §§281 und 282 kennt das langjaehrige
akin-Publikum zur Genuege. Es sind jene Paragraphen, wonach die
Unterzeichner des "Aufrufs zum Ungehorsam gegen Militaergesetze"
verfolgt worden waren: Aufforderung zu Ungehorsam gegen Gesetze resp.
zu strafbaren Handlungen. Alle drei Paragraphen verlangen fuer die
Strafbarkeit einer Handlung aber nach Gesetzestext und Judikatur eine
gewissen Quantitaet an Oeffentlichkeit -- faellt diese Notwendigkeit
durch eine Neuformulierung der Paragraphen weg, koennte schon eine
unbedachte Aeusserung am Wirtshaustisch zu einer strafbaren Handlung
werden.
Oder "Die blosse Teilnahme an einem Terrorcamp im Inland oder Ausland
soll strafbar sein." Was, bitte, ist ein "Terrorcamp"? Rechtlich
definiert ist das bislang nirgends. Und das Verstaendnis von Terror
hat sich ja in letzter Zeit sehr gewandelt -- schon das Drehen eines
Videos kann ja heutzutage von der Justiz als "Terror" angesehen
werden.
Und sollte mal ein Richter das anders sehen, gibt es im
Regierungsuebereinkommen den schoenen Satz: "Es braucht eine
Modernisierung des Disziplinarrechts. Ziel ist die Schaffung eines
wirksamen Disziplinarrechts bei voller Beachtung der Unabhaengigkeit
der Justiz."
Auf die Idee eines wirksamen Disziplinarrechts fuer die Polizei --
siehe beispielsweise der Fall Bakary J. -- sind die
Regierungverhandler hingegen nicht gekommen. Obwohl das nun wirklich
keine Budgetfrage ist. Und daher auch gar kein Sternderl braucht.
*Bernhard Redl*
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