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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. November 2008; 19:25
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Arbeitskaempfe
> Betriebsversammlung unter freiem Himmel
Siemens-PSE: Bei der Softwareschmiede befuerchten die MitarbeiterInnen 
die totale Liquidierung der Firma
An die 2000 Teilnehmer fanden sich in Floridsdorf am 6. 11. auf einem 
Protestumzug gegen die Zerschlagungs- und Schweigepolitik von Siemens 
zusammen, sowie auf einer anschliessenden "Betriebsversammlung im 
oeffentlichen Raum", die im Freien vor dem riesigen Werksgelaende 
stattfand, das mit Sicherheitspersonal in grosser Anzahl hermetisch 
abgeriegelt war. "Tretgitter, Security vor und hinter dem Schranken 
und eine zweite Security-Linie einige hundert Meter im 
Siemensgelaende - hat viele Kolleginnen erschuettert", so heisst es in 
einem Bericht des Betriebsrats, das von dem klar und schnell 
informierenden netzwerkit.de zitiert wurde.
Es war eine standortuebergreifende Kundgebung (Wien, Graz, Salzburg 
und Linz), zu der die offizielle Gewerkschaft, die gpa, zusammen mit 
dem Betriebsrat der PSE aufgerufen hatte und auf der ausschliesslich 
Gewerkschaftskunftionaere und Hauptamtliche zu Wort kamen, und sonst 
niemand. Siemens-PSE (Program and System Engineering), dessen Zentrale 
in Wien ist, hat weltweit 6500 Mitarbeiter, davon allein 2800 in 
Oesterreich: es ist der groesste Softwareentwickler in Oesterreich.
Von linken Initiativen beteiligten sich an der Kundgebung und 
darauffolgenden Versammlung: die Plattform fuer Kaempferische und 
Demokratische Gewerkschaften, die Sozialistische Linkspartei (SLP), 
die Liga der Sozialistischen Revolution (LSR), die Revolutionaer 
Sozialistische Organisation (RSO), die Linkswende und die 
Kommunistische Initiative.
Wie der Leiter der Organisationsgruppe auf der Versammlung mitteilte, 
waren die Kundgebungsteilnehmer von der Firmenleitung regelrecht 
gezwungen worden, die Versammlung im Freien abzuhalten. Nachdem die 
OrganisatorInnen auf der Beteiligung der Familienangehoerigen sowie 
der Journalisten auf dem Betriebsareal des Konzerns bestanden hatten, 
wurde ihnen die Abhaltung der Betriebsversammlung dort aus 
"sicherheitspolitischen Gruenden" verweigert. Das Kundgebungsverbot 
sei, so berichtet der Standard, von der Vorstandsvorsitzenden von 
Siemens Oesterreich Brigitte Ederer ausgesprochen worden.
Der Protest richtet sich gegen die abzusehende Zerschlagung des 
Softwarebereichs, gegen die Ausgliederung von Mitarbeitern aus diesem 
Bereich und gegen die Behauptung sowohl der Firmenleitung als auch 
oesterreichischer Zeitungen, die kolportierten Entlassungen wuerden 
auf blossen Geruechten beruhen. Dem traten die 
Betriebsratsvorsitzenden der PSE in Graz und Wien mit handfesten 
Dokumentationen entgegen, mit denen sie die geplante 
Arbeitsplatzvernichtung belegen konnten.
Bei aller Skepsis gegenueber der monolithischen Gewerkschaft und ihrem 
Politikverstaendnis sind doch die Bemuehungen und Strategien der 
aktiven GewerkschaftlerInnen von grosser Relevanz und sollten in allen 
ihren Nuancen genau beobachtet werden. In der Folge ein Stimmungsbild 
der eindrucksvollen Kundgebung.
Zahlreiche Taferln: "400 sind bereits gegangen, um wie viel muessen 
wir noch bangen?", "Frueher war die Zukunft besser (Karl Valentin)", 
"Top Ausbildung und trotzdem arbeitslos", "Unsere Mitarbeiter sind 
unser wertvollstes Kapital" und "Fuer augenblicklichen Gewinn verkaufe 
ich die Zukunft nicht", ein Zitat aus einem Brief des 
Unternehmensgruenders Werner von Siemens an seinen Bruder aus dem 
Jahre 1884. Zwischen diesen Taferln, die alle gleich aussahen und die 
alle von der Gewerkschaft waren, ein anderes Taferl mit der Aufschrift 
"OeGB muss kaempfen!" Dieses Taferl war nicht vom OeGB.
In den Zeitungen stand vom "Aufstand bei Siemens" und "Siemenszentrale 
wird belagert" wurde zu Beginn moniert. Der Wiener 
PSE-Betriebsratsvorsitzende Ataollah Samadani: "Kollegen, Kolleginnen, 
das heute ist eine Betriebsversammlung, und wenn wir belagern und wenn 
wir in den Aufstand treten, dann schaut das anders aus. ... 475 werden 
den Job verlieren, 550 zusammen mit Leiharbeitern. Was das bedeutet 
fuer die Familien - und i hob Kinderwagln gsegn ... das rechtfertigt 
eine Betriebsversammlung im oeffentlichen Raum. ... Leider muss ich euch 
heute hier vor dem Haupteingang begruessen, denn wir duerfen dort 
nicht rein. Siemens wollte, dass unsere Familien draussen bleiben, 
waehrend wir drinnen die Betriebsversammlung abhalten. ... Wen die 
Oeffentlichkeit falsch informiert wird und in den Zeitungen steht, 
dass die Kuendigungen niemand belegen kann, und ich bekomme eine Liste 
mit 475 Namen, und noch dazu die Leiharbeitskraefte, dann stimmt etwas 
nicht in diesem Haus. "
Zitiert wird auch eine E-Mail des Vorstandsvorsitzenden von SIS, 
Christoph Kollatz. SIS (Siemens IT Solutions and Services; frueher: 
Siemens Business Services) ist die Dachorganisation, der unter anderem 
PSE, zusammen mit anderen Komponenten mit Standorten in andern 
Kontinenten angehoert. In dieser E-Mail spricht er explizit von einem 
neu zu schaffenden "Siemens Software House", in das etwa 400 
Mitarbeiter von PSE ausgegliedert werden. "Dort, inmitten anderer 
Strukturen" werden wir "eine unbedeutende Kraft darstellen. Damit ist 
der Geist der PSE mit Sicherheit verloren gegangen." Mahnt Samadani. 
"515 haben die PSE bereits im Zuge des Sozialplans 2008 verlassen, 475 
weitere Mitarbeiter sollen aus heutiger Einschaetzung zusaetzlich 
abgebaut werden. Damit wird die PSE bereits um 1000 Mitarbeiter 
kleiner sein. Wenn man die vorgenannte Ausgliederung dazurechnet, 
bleibt eine Rest-PSE von 1400 Mitarbeitern uebrig. Damit ist das 
erfolgreiche Modell der PSE zerstoert. ... Die PSE soll soweit reduziert 
werden, dass eine endgueltige Aufloesung ohne grosses Aufsehen 
moeglich sein wird."
Einen kleinen petitionistischen Stufenplan gibt´s. Zuerst wurde ein 
Brief nach Muenchen geschrieben, ein "offener Brief. Wir sagen ganz 
genau, was wir wollen, wenn das nichts hilft, werden wir wirklich 
hinfahren." Der Brief half nichts, gestern, Montag, ist tatsaechlich 
eine grosse Delegation nach Muenchen gefahren.
*Aug und Ohr (gek.)*
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