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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. November 2008; 19:21
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Post/Kapitalismus:

> Die Post bringt allen was

Die Post bringt allen was - aktuell vor allem freie Bueroflaechen.
Zumindest, wenn es nach dem Post-Management geht. Man muesse
wettbewerbsfaehig bleiben, heisst es. Schliesslich sei man ein
boersennotiertes Unternehmen. Alle Schritte, die die Post hindern, den
laendlichen Raum weiter auszubluten, werden als aktionaersfeindlich
hingestellt. Ein zweifelhaftes Argument.
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Nichts bleibt mehr, wenn es nach der Geschaeftsfuehrung der Post AG
und ihren Verteidigern geht. 1.000 von knapp 1.300 Filialen sollen
zugesperrt werden. Sonst koennte das Unternehmen den lauten Ruf der
Aktionaere nach Gewinnausschuettungen und Sonderdividenden nicht mehr
befriedigen. Zumindest nicht nach 2011, wenn das Postmonopol fuer
Briefe auslaeuft. Richard Schenz, Kapitalmarktbeauftragter der
Bundesregierung, findet es unzulaessig, wenn die Politik der Post
verbieten will, ihre Filialen am Land zuzusperren. Die Post sei seit
2006 zu 49 Prozent privatisiert. "Wenn die Politik dem Post-Vorstand
nicht die Freiheit gibt, im Umfeld der bevorstehenden Liberalisierung
und Marktaenderung ueber ihre Konzepte und Strukturen nachzudenken,
kann die Post dasselbe Schicksal erleben wie die AUA", sagt Schenz,
dessen Taetigkeit als Kapitalmarktbeauftragter in juengster Zeit ueber
solche Wortmeldungen nicht hinausgeht. Die Post sei aus Ruecksicht auf
die "Privataktionaere" wirtschaftlich zu fuehren, alle anderen
Ueberlegungen haetten in den Hintergrund zu treten.

Klingt vordergruendig logisch. Mit Betonung auf klingt. Schenz und
andere (wie Finanzminister Wilhelm Molterer, OeVP) vergessen offenbar
grundlegende Spielregeln des Aktiengesetzes, das zu kennen sie
vorgeben. Der Staat hat ueber die OeIAG mit 51 Prozent der Aktien die
Stimmenmehrheit bei der Hauptversammlung und im Aufsichtsrat. Keiner
der anderen Miteigentuemer verfuegt annaehernd ueber eine
Sperrminoritaet (25 Prozent plus 1 Aktie). Die wuerde gewisse Rechte
einraeumen, wie ein Veto-Recht bei einer Schliessung des Unternehmens.
Der zweitgroesste Aktionaer hat gerade einmal 5 Prozent der Aktien.
Mit dieser Struktur sind Auftraege des Mehrheitseigentuemers
umzusetzen. Das macht -- rein aktienrechtlich -- die anderen Teilhaber
der Post zu de facto rechtlosen Miteigentuemern, nicht den Staat, wie
Schenz und Molterer es darstellen. Ob der Mehrheitseigentuemer den
formellen Weg ueber die Hauptversammlung oder den Aufsichtsrat geht
oder dem Management seinen Auftrag auf andere Weise mitteilt, ist
bestenfalls Geschmackssache. Es aendert nichts an den Realitaeten, so
sehr sie Schenz und Co auch leugnen. Was die Interessen des
Mehrheitseigentuemers sind, ist dessen Angelegenheit. Sofern das
Unternehmen nicht fahrlaessig oder absichtlich in den Konkurs
getrieben wird. Wovon zum jetzigen Zeitpunkt keine Rede sein kann. Das
Unternehmen hat im Vorjahr Gewinn gemacht, auf der Homepage schwaermt
der Vorstand von den rosigen Zukunftsaussichten. Von der de facto
Selbstabschaffung per Massenschliessung von Filialen ist keine Rede,
auch nicht von Massenkuendigungen. Und das sind die trockenen
Argumente, die politische Frage, warum offenkundig die Interessen von
Finanzkapitalisten ueber die der Bevoelkerung gestellt werden, bleibt
hier ausgeklammert.

Was die Apologeten der Privatisierung (sprich: Enteignung der
Bevoelkerung) tunlichst vergessen, ist auch das Umfeld, in dem die
Post arbeitet. Das bestimmt die Universaldienstverordnung. Dieser
gesetzliche Auftrag regelt, was die Post AG zu leisten hat und was
nicht. Dort steht auch, dass die Oberste Postbehoerde bzw. das
Infrastrukturministerium, berechtigt ist, die Dichte von Postaemtern
festzulegen. Die regelt auch, dass Briefe innerhalb von 24 Stunden
zugestellt werden muessen usw. Kurz: Die Universaldienstverordnung
definiert die Post vor allem als oeffentliches Unternehmen mit
oeffentlichen Aufgaben der Bevoelkerung gegenueber. An diese
Verordnung muss sich die Post halten. Zu verlangen, dass das
Postmanagement das als unverbindliche Empfehlung zu betrachten hat
oder die Bundesregierung darauf verzichten soll, die Verordnung zu
exekutieren, ist, hoeflich formuliert, sehr interessant. Ein
Unternehmen darf auch laut Aktiengesetz keine Gesetze brechen und
moegen sie den Interessen irgendwelcher Mini-Aktionaere noch so sehr
widersprechen. Und eine Bundesregierung darf sich nicht aussuchen,
welche Gesetze oder Verordnungen sie umsetzt und welche nicht. Will
sie sie nicht umsetzen, muss sie sie rechtzeitig aendern. Alles andere
widerspricht der Bundesverfassung.

Man darf auch davon ausgehen, dass die Aktionaere der Post AG ueber
die Universaldienstverordnung Bescheid wissen. Die war in Kraft, bevor
die schwarz-blaue Bundesregierung auf die Idee kam, die Eigentuemer
der Post ungefragt zu enteignen und das Unternehmen an die Boerse zu
bringen. Den Investoren muesste auch bekannt sein, dass ein grosser
Teil der Postmitarbeiter Beamte sind. Und sie sollten im Bilde sein,
dass das Postmonopol in Oesterreich 2011 auslaeuft. Das alles war
bekannt, als die Post AG 49 Prozent ihrer Aktien an die Boerse
brachte. Haben sich die Anleger nicht vorher informiert, haben sie
fahrlaessig gehandelt, nicht das Infrastrukturministerium. Das
schnelle Geld vor Augen zu haben, entbindet nicht von der
Verantwortung fuer das eigene oder das ueberantwortete Geld. Steht
auch im Aktiengesetz, wenn auch in Juristen-Fachsprech. Die Aktionaere
brauchen nicht vor dem boesen Staat in Schutz genommen zu werden, der
tut, was ihm rechtlich zusteht. Eher die Bevoelkerung vor der Gier der
Aktionaere, der gescheiterten Ideologie einiger Repraesentanten und
der selektiven Wahrheitsliebe der Kapitalmarkt-Apologeten. Bleibt die
Frage, ob das auf dem Fundament der jetzigen Politik erreichbar ist.
*Viktor Englisch*


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