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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. November 2008; 19:17
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Moderne Zeiten:

> Zitiert: Ueberwachung im Kopf

Der Kulturwissenschaftler und Journalist Dietmar Kammerer zum Thema
Videoueberwachung:

>> [Eine Videokamera] kann kaputt oder eine Attrappe sein, wir nehmen
>> dennoch an, dass wir ueberwacht werden. Videoueberwachung ist im
>> Gegensatz zum Lauschangriff oder zur Ueberwachung von Datenstroemen
>> im Internet etwas, das von der Idee her auch im Kopf ablaeuft. Es
>> gibt die Ueberwachungsbilder, die tatsaechlich in den Videokameras
>> generiert werden. Sie sind mit bestimmten Verfahren verbunden und
>> unterliegen rechtlichen Normen. Und es gibt die Bilder der
>> Ueberwachung, die Repraesentationen von Videueberwachung, die uns
>> in der Werbung, im Kino und in der Popkultur begegnen. Sie
>> beeinflussen unser Verhalten den Ueberwachungsapparaten gegenueber.
>> <<
...
>> Die meisten Ueberwachungsbilder sind langweilig. Aber die Bilder
>> von Lady Di an der Drehtuer des Pariser Ritz aus dem Jahr 1997 und
>> von Mohammed Atta, wie er am 11. September 2001 die
>> Sicherheitsschleuse des Flughafens von Portland passiert, sind
>> Bilder, die es in den populaeren Diskurs geschafft haben.

Sie sind zu Bildern der Ueberwachung geworden, weil sie repraesentativ
dafuer stehen, was Videoueberwachung ist. Sie haben eine
Gemeinsamkeit. Man sieht Leute auf dem Weg zu ihrem Tod. Dabei
uebertreten sie eine raeumliche Schwelle: Diana Spencer ein Drehkreuz,
der Attentaeter Mohammed Atta eine Sicherheitsschleuse. Sie bilden den
Moment vor der Weggabelung ab. Links Leben, rechts Tod.

Diese Kameras haben den Augenblick festgehalten, wo die Wuerfel noch
nicht gefallen sind. Deshalb faszinieren sie uns so. Wir wollen in das
Bild reinspringen und Atta sein Tapetenmesser wegnehmen, und wir
wollen Diana zurufen: "Steig nicht in diesen Wagen!" Das ist voellig
magischer Glaube. Aber wir wollen diesen irrealen Glauben, dass diese
Ereignisse haetten verhindert werden koennen, nicht verlieren. Wenn
das Leben ein Videorecorder waere, wuerden wir auf Rewind und Erase
druecken.

Die Bilder zeigen jedoch, dass sie diese Ereignisse nicht verhindern
konnten. Sie zeigen ihr eigenes Versagen. Wir lesen sie aber genau
entgegengesetzt: "In diesem Augenblick haette noch etwas getan werden
koennen, deshalb ist es gut, Videoueberwachung zu haben." <<
...

>> Die Videoueberwachung hat eine Vorgeschichte. 1667 hat Ludwig XIV.
>> in Paris begonnen, die Strassenbeleuchtung staatlich zu
>> organisieren. Es war den Leuten klar, dass es nicht der Zweck der
>> Strassenbeleuchtung war, die Strassen sicherer zu machen. Vielmehr
>> sollten die chaotischen, dunklen, umtriebigen und potenziell
>> aufruehrerischen revolutionaeren Strassen unter die Kontrolle des
>> Staates gebracht werden.

Bei Aufstaenden wurden deshalb zuerst die Laternen kaputt gemacht. Die
Laterne war das Symbol des Koenigs. Waehrend der Revolution hat man
deshalb die Repraesentanten des Staates auch an den Laternen
aufgehaengt. <<
*

Dietmar Kammerers Studie "Bilder der Ueberwachung", die sich aus einer
kulturwissenschaftlichen Perspektive umfassend mit Videoueberwachung
auseinandersetzt, ist vor kurzem in der edition suhrkamp erschienen.

Das vollstaendige Interview ist nachzulesen unter:
http://futurezone.orf.at/stories/319309/



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