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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. November 2008; 19:54
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USA/Wahlen/Glossen:

> Der kleine Obama in uns

Saemtliche Parlamentsparteien in Oesterreich haben Barack Obama zu
seinem Wahlsieg gratuliert - und das ausgiebig mit Presseaussendungen
dokumentiert. In den Aussendungen entdecken sie alle den kleinen Obama
in sich.
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Barack Obama geht nach seinem Wahltriumph unter in
Glueckwunschschreiben aus aller Welt. Allein die offiziellen muessen
Hunderte sein. Dass Staatsoberhaeupter und Regierungschefs einem
auslaendischen Bald-Kollegen zu einem Wahlsieg gratulieren, gehoert zu
den internationalen diplomatischen Gepflogenheiten. Allenfalls tun das
auch noch Aussenminister. Ob alle Gratulationen von dem oder der
Beglueckwuenschten gelesen werden, darf bezweifelt werden. Dass die
netten Briefe auch von Parteichefs kommen, die weder Regierung,
Aussenministerium oder Staat repraesentieren, ist eher ungewoehnlich.
Was die Chefs aller Parlamentsparteien und diverse Bereichssprecher in
Oesterreich nicht abgehalten hat, dem neuen Praesidenten der USA
ueberschwaenglich zu gratulieren und in ihren Schreiben
Gemeinsamkeiten zu entdecken. Die Schreiben sind weniger fuer Obama
bestimmt, mehr fuer die Oeffentlichkeit. Und das eigene
Mitteilungsbeduerfnis. Die Presseaussendungen, die am Vormittag des 5.
November ueber den Nachrichtenticker kamen, fallen grossteils eher in
den Bereich publizistischer Selbstbefriedigung. Die heimischen
Journalisten haben den Aussendungen die Bedeutung verliehen, die sie
haben. Sie haben sie ignoriert. Wie die meisten Aussendungen. Das
wissen deren Verfasser auch. Dennoch: In der Spiegelfechterei, die
sich innenpolitisches Tagesgeschaeft nennt, wird das Austauschen von
Befindlichkeiten ueber die Austria Presseagentur als unverzichtbar
empfunden. So wie die Glueckwunsschreiben an Obama. In ihnen versucht
die heimische politische Klasse ein bisschen von Obamas Ruhm fuer sich
zu reklamieren. Etwas gemeinsam haben mit einem Sieg, den um die 80
Prozent der Oesterreicher begruessen, koennte ja im guenstigsten Fall
positiv sein. Ob es jemand liest oder nicht.

Bald-Bundeskanzler Werner Faymann von der SPOe etwa sieht in der Wahl
Obamas ein Zeichen des Wechsels, fuer sozial gerechtere Politik. Eine
nicht ganz falsche Analyse, aber irgendwie wird man das Gefuehl nicht
los, Faymann habe den kleinen Obama in sich entdeckt und wolle das
oeffentlich dokumentieren. Sozial gerechtere Politik kommt einem
irgendwie bekannt vor. Vielleicht hat es Faymann auch beeindruckt,
dass man gleichzeitig Erster werden kann und mehr Stimmen gewinnt als
der Vorgaenger beim letzten Mal. Ein von der heimischen
Sozialdemokratie nicht uebermaessig beherrschtes Kunststueck. Noch
dazu hat er eine Absolute bekommen. Was zugegebenermassen durch die
Tatsache vereinfacht wurde, dass nur zwei Kandidaten ernsthaft
kandidierten. Die anderen zwei bekamen zusammen etwa so viele Stimmen
wie das BZOe ohne Haider. Auch Parteikollege und Noch-Bundeskanzler
Alfred Gusenbauer gratuliert Obama ueberschwaenglich. Am 20. Jaenner,
wenn Obama als neuer Praesident angelobt wird, wird Gusenbauer
wahrscheinlich ueber viel Tagesfreizeit verfuegen. Nach dem Schreiben
wird ihn Obama zweifellos zu einem seiner Berater machen.
Spezialthema: Was meine Wahlversprechen wert sind.

Bald-Parteichef und -Vizekanzler Josef Proell reagiert ebenfalls
erfreut auf die Wahl Obamas. Ihn beeindruckt offenkundig, dass
Schwarze irgendwo Wahlen gewinnen koennen und von den eigenen Leuten
gewaehlt werden. Geht es nach ihm, sollte man diese Sitte auch hier
wieder einfuehren. Und wer ist schon schwaerzer als Josef Proell? Da
stoert es auch nicht so, dass der neue Praesident in den USA fuer das
Recht auf Abtreibung ist und kein Katholik. Das darf man nicht so eng
sehen.

FPOe-Chef Heinz-Christian Strache zeigt sich beeindruckt, dass die USA
mehrheitlich blau gewaehlt haben. Ob er weiss, dass Blau die Farbe der
US-Demokraten ist und die FPOe dort nicht angetreten ist, ist unklar.
Der Mann haelt sich mitunter auch fuer den oesterreichischen Che
Guevara. Vielleicht gibt's auch in der FPOe eine
Schwarz-Blau-Nostalgie. Unbekannt ist, ob Strache der leise
Widerspruch zur allgemeinen Parteilinie auffaellt, wenn er einem
Schwarzen zur Wahl gratuliert. Noch dazu einem Sohn eines
Kurzzeit-Einwanderers, der obendrein den Mittelnamen Hussein traegt.
Auf der anderen Seite: Muetterlicherseits hat Obama deutsche
Vorfahren. Das muss man immer im Einzelfall beurteilen, aus Heydrich
ist bekanntermassen auch etwas geworden.

Aehnlich die Ausgangslage fuer Stefan Petzner, Moechtegern-Parteichef
des BZOe. Sich ueber ein Zuwandererkind im Praesidentenamt zu freuen
und Asylwerber auf die Saualm abschieben wollen, das draengt sich
nicht fuer jeden Beobachter als logisch zusammenhaengend auf. Damit
das nicht als kuenftige Wahlempfehlung fuer einen heimischen
Kandidaten mit Migrationshintergrund verstanden werden kann, ergaenzt
Petzner spaeter: Das BZOe hat am meisten mit Barack Obama gemeinsam.
Gut, der Mann schreibt an einer Diplomarbeit mit dem Titel "Die Macht
der Musik am Beispiel von Udo Juergens" und bezeichnet Joerg Haider
als seinen Lebensmenschen. Nachdem Obama das Glueckwunschschreiben
gelesen hat, wird er sicher schwer beeindruckt auf e-Bay
Haider-Devotionalien ersteigern und sich den verstorbenen Politiker
als Beispiel nehmen, will er wiedergewaehlt werden. Es kann gar nicht
anders sein, denkt sich Petzner. Seine Diplomarbeit heisst wirklich
so.

Neo-Gruenensprecherin Eva Glawischnig imponiert, dass Obama auf
Klimapolitik setzt. Wenn das Schule macht, geht's auch in Oesterreich
bergauf, denkt sie sich vermutlich. Und wenn sie als Gruene einem
Schwarzen zur Wahl gratuliert, koennte das ein guenstiges Klima fuer
oesterreichische Koalitionsverhandlungen schaffen, was weiss man? Auch
Ulrike Lunacek gratuliert Obama. Ob der designierte US-Praesident das
Schreiben der aussenpolitischen Sprecherin Oesterreichs
fuenftgroesster Partei gelesen hat, ist nicht ueberliefert. Auf der
anderen Seite: Wenn man die Schreibwuetigkeit der heimischen
Politikerinnen und Politiker bedenkt, geht man davon aus, dass Obama
erst an seinen eigenen Wahlsieg glaubt, wenn er die Briefe aus Wien in
der Hand haelt. Man darf auf Antwortschreiben gespannt sein. Es wird
sich niemand entgehen lassen, die auf der Homepage zu
veroeffentlichen. Und den kleinen Obama in sich wieder herauszukehren.
*Viktor Englisch*


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