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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. November 2008; 19:53
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USA/Wahlen/Glosse:

> Kreisky, Ederer und Obama

Obama ist kein Afroamerikaner. Ja, er hat einen afrikanischen Vater,
ja, er ist gebuertiger Amerikaner -- sonst haette er schon rein aus
formalen Gruenden nicht Praesident werden koennen. Aber ein
Afroamerikaner ist er nicht. Denn dieser Begriff ist ja wohl
reserviert fuer die Abkoemmlinge der Sklaven, fuer die Kindeskinder
der Geschundenen und Getretenen. Und wiewohl auch Obama Rassismus
persoenlich erlebt haben duerfte, so ist er nunmal nicht von jenem
kollektiven Unbewussten des Sklaventums gepraegt und vor allem nicht
aus der sozialen Gefesseltheit der meisten Schwarzen in den USA
emporgekommen. Das kann natuerlich von Vorteil sein, da bei ihm die
Gefahr des "Onkel Tom"-Syndroms dadurch deutlich geringer ist als zum
Beispiel bei Colin Powell. Aber es ist symptomatisch fuer das
US-Establishment, dass der erste dunkelhaeutige Praesident der USA
eben kein Abkoemmling von Sklaven ist.

Man hat des oefteren den Vergleich strapaziert, Obama als
US-Praesident waere so wie ein oesterreichischer Bundeskanzler, dessen
Eltern aus der Tuerkei stammten. Der Vergleich waere wohl eher
richtig, zu sagen, wenn der Bundeskanzler das Kind eines gefluechteten
tuerkischen Intellektuellen und einer oesterreichischen
Universitaetsdozentin waere -- ein solcher Bundeskanzler ist auch bei
uns vorstellbar. Das Kind der Kassiererin im tuerkischen Supermarkt
bei mir um die Ecke in der Ottakringerstrasse aber wird wohl nicht in
solch ein Staatsamt aufruecken -- da braucht es noch ein paar
Generationen.

In Oesterreich gab es aber schon einmal einen Bundeskanzler, der einer
Minderheit angehoerte. Bruno Kreisky, war zu einer Zeit Bundeskanzler,
als Antisemitismus noch alles andere als verpoent war. Kreisky war vom
Judentum schon sehr entfernt und wenn man ihm auch viel zu Gute halten
kann: Gegen den Antisemitismus hat er nichts getan. Doch dieser
Bundeskanzler hat es dreimal hintereinander geschafft, der SPOe eine
absolute Mehrheit zu verschaffen. Kreisky, als eher religionsferner
Intellektueller, hatte wohl auch kein grosses Interesse am Judentum --
aber vor allem war es dem gewieften Taktiker sehr genehm, auch alte
Nazis fuer seine Sache einsetzen zu koennen. Er hat sie benutzt und
dann weggeworfen, als er sie nicht mehr brauchte -- keine politisch
korrekte, aber fuer seine Zwecke eine sehr brauchbare und letztendlich
fuer die oesterreichische Gesellschaft aeusserst wohltuende Art, mit
dem leider nicht wegzudiskutierenden rechtsradikalen Bodensatz
umzugehen.

Ist Obama ein Kreisky? Sie haben einiges gemeinsam: Gute Redner,
herausstechender Intellekt, weltmaennisches Auftreten, soziales
Engagement, aber eben auch Angehoerige von ungeliebten Minderheiten.
Kreisky, wenn auch Intellektueller, entstammt einer Tradition der
Arbeiterbewegung. Von Obama, einem Uniprofessor, wird soziales
Engagement berichtet. Aber kann Obama die Schwarzen vertreten? Als
Angehoeriger des Establishment? So wenig, wie Kreisky fuer die
Aufarbeitung des Holocausts tun konnte, kann Obama die soziale Misere
der Afroamerikaner lindern. Im Gegenteil: Er ist ein Symbol dafuer,
dass auch ein Dunkelhaeutiger Praesident werden kann. Er symbolisiert
die Aufhebung der Rassenschranken. Dennoch existieren diese weiter --
die weissen US-Gutmenschen koennen sich ueber Obamas Wahl freuen, den
Schwarzen nutzt das gar nichts.

Mich erinnert Obama auch an die Role-Modells der Frauenbewegung. Auch
hier stellt sich die Frage: Was nuetzen Konzernchefinnen,
Uni-Rektorinnen oder britische Premierministerinnen der Putzfrau und
der Billa-Kassiererin? Wenn Gitti Ederer Generaldirektorin von Siemens
Oesterreich werden konnte, was heisst das? Dass auch Frauen manchmal
herrschen duerfen? Was aendert das an der Herrschaft an sich? Gar
nichts!

Man koennte boese formulieren: All das ist kontraproduktiv. Hier wird
vorgegaukelt, dass es diese Schranken nicht mehr gibt. Man braucht
sich also gar nicht mehr um die Gleichberechtigung zu kuemmern, denn
Rassen-, Herkunfts- oder Geschlechterschranken existieren nicht mehr.
Obama ist die Personifizierung des amerikanischen Traums. Er war zwar
nie Tellerwaescher, aber er stammt auch nicht aus reichen
Verhaeltnissen und wurde doch Praesident. Die Botschaft ist: Du musst
nicht den reichen Cliquen angehoeren und eine rosa Hautfarbe haben, um
es zu schaffen. Und: Herrschaft an sich ist eh super, Hauptsache,
deren Protagonisten gehoeren nicht nur einer Bevoelkerungsgruppe an.

Dabbelju Bush war ein guter Feind. Gegen den zu sein war einfach. Bei
Barack Hussein Obama, quasi einem Multikulti-Praesidenten, werden sich
die Underdogs der USA, aber auch der restlichen Welt, viel schwerer
tun. Und doch wird er nichts anderes sein als der maechtigste
Politiker jener Welt, die sich "frei" nennt.
*Bernhard Redl*




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