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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 4. November 2008; 18:58
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Papua-Neuguinea:
> Das blutige Gold von Borgera
Ein zweites Bougainville?
Vor einigen Wochen rief mich meine alte Freundin Rosemarie Waratah 
Gillespie an: "Du musst mit diesem Jethro Tulin unbedingt reden. Sehr 
wichtig! Es ist eine Sache wie Bougainville!"
Ich seufzte und errinerte mich an einen aehnlichen Anruf vor sechzehn 
Jahren - damals hatte Rosemarie versucht, mich in den Bougainville- 
Krieg hineingzuziehen. Sie wollte, dass ich sie durch die sehr 
gefaehrliche Blockade zu dieser fast unbekannten Kriegsinsel begleite:
"Du wirst der einzige Journalist sein, der von innen ueber dieses 
geheime australische Vietnam berichten kann." Ich habe, aus 
Klugheits-, Alters- und vor allem Feigheitsgruenden dieses lockende 
Angebot abgelehnt, ihr aber versprochen dass ich, falls sie ihre Reise 
nach Bougainville doch ueberlebt und einen Radiosender dort findet, 
ihre Sendungen direkt vom Kampfgebiet empfangen und darueber schreiben 
werde.
Das tat ich auch und machte jede Menge Erfahrungen mit der angeblich 
nicht-existierenden australischen Zensur, die Meldungen ueber diesen 
geheimen Krieg absolut totschweigen wollte, waehrend australische 
Piloten, Offiziere, Hubschrauber und Patrouillenboote einen langen, 
komplizierten, Kampf gegen Bougainville fuehrten, den sie verloren. 
Ich versuchte, darueber zu berichten, und verdarb mir dabei meine 
guten Beziehungen mit den Chefs der etablierten Medien. 15.000 
Bougainvillier hatten bei dem Krieg ihr Leben verloren. Der Hauptgrund 
des Krieges, die riesige Kupfergrube Panguna, ist heute nicht mehr im 
Besitz Rio Tinto-Konzerns -- sie ist inzwischen stillgelegt und 
befindet sich im Besitz der Einwohner. Die Bougainvillier hatten die 
Umweltvergiftung durch die Abfaelle Pangunas satt.
In der Zwischenzeit bin ich aelter geworden und war mir keineswegs 
sicher dass ich noch einmal in so eine "Geschichte" einsteigen wollte.
Nach einigen Tagen rief mich dieser Jethro Tulin an und wir trafen 
uns. Er ist ein vierzig Jahre alter, staemmiger schwarzer Mann, der 
den rechten Unterarm in Gips hatte. "Den haben mir die Schlaeger von 
der Barrick Porgera Grube gebrochen, sie ziehlten auf meinen Kopf und 
sagten ´Du wirst nicht wieder nach Kanada fahren.´"
Ich hoerte zu. Die sehr grosse Porgera Gold Grube liegt in der Mitte 
des neuguineischen Hochlands. Sie war 1989 eroeffnet worden und 
gehoert seit ein paar Jahren der Barrick Gold Company, der 
weltgroesste Goldgruben- Gesellschaft, die in vielen Laendern Gold 
foerdert. Das Hauptquartier befindet sich in Toronto, Kanada.
Jethro stammt aus dem Grubengebiet. Sein Vater hatte bis 1938 nie 
einen weissen Mann gesehen. Sie wussten nichts von der "Aussenwelt". 
Er, wie das ganze Ipali-Volk, arbeitete bis dahin mit Steinwerkzeugen 
und betrieben Jagd und einen hochproduktiven Gartenbau. Sie wussten, 
dass viel Gold in ihren Baechen und Fluessen lag, betrachteten es aber 
als nutzlos und liessen es liegen. Nachdem die Australier kamen, 
aenderte sich diese Welt schnell, besonders im Jahr 1989. 
Papua-Neuguinea (PNG), seit 1975 von Australien unabhaengig, verlor in 
diesen Jahr seine groesste Devisenquelle, eben die Kupfergrube Panguna 
auf Bougainville. Um die Dollarnot zu lindern, schloss die 
PNG-Regierung, von Canberra gesteuert, schnellstens einen 
Sondervertrag, um die neue Goldgrube Porgera in Gang zu bringen. Den 
dortigen Ipali Volk wurden allerhand Versprechen gemacht und Vertraege 
geschlossen; man wollte ein zweites Bougainville vermeiden.
Der Aufbau der Grube, die Anlagen wurden auch zum Teil von 
gewerkschaftlich organisierten lokalen Arbeitern durchgefuehrt. Der 
damals noch ganz junge Jethro Tulin war der Gewerkschaftsgruender 
und -fuehrer.
Spaeter schickten ihn die papua-neuguinesischen und die australischen 
Gewerkschaften zur Ausbildung ins Ruskin College nach Oxford.
Was spaeter in Porgera passierte, sahen Tulin und andere Ipali als 
Vertragsbruch an. Das Ackerland, die Gaerten, die Fluesse wurden von 
den Grubenabfaellen vergiftet. Jedoch wuchs die Grube ueber ihre 
Anfangsgroesse hinaus - es gab mehr Gold als erwartet. Gut fuer die 
Gesellschaft. Die kanadische Barrick Gold Companie hatte um 2005 fast 
alle Anteile von den Australiern gekauft, ihre Aktien und Profite 
stiegen. Auch wurde es "notwendig", viele Einwohner zu erschiessen, 
sie hatten - als sie in eigener Regie Gold schuerften, angeblich die 
Grubenarbeit gestoert. Eine schwer bewaffnete 500 Mann starke 
Grubenpolizei soll dies in Zukunft verhindern. Dass diese Polizisten 
einige der dort wohnenden Frauen vergewaltigten, heizte weiter die 
Stimmung gegen sie an.
Jethro Tulin nahm im Mai 2008 an einer Allgemeine 
Aktionaers-versammlung der Barrick Gold Co. in Toronto teil. Freunde 
hatten ihm eine Aktie geliehen. Er sprach dort oeffentlich ueber die 
Umstaende in Porgera und machte sich bei der Firmenfuehrung sehr 
unbeliebt.
Als er in sein Dorf heimkehrte, wurde er von drei Maennern mit 
Macheten angegriffen und schwer verwundet. Gewerkschafter brachten 
Tulin ins Spital in Sydney, wo ein "grosser Chirurg" ihn "pro bono" 
behandelte und ihm eine Stahlstange zum Ersatz des zertruemmerten 
Unterarmknochen einsetzte.
Er fragte, ob ich ihm mit Oeffentlichkeitsarbeit helfen koennte, und 
als ich ihm vom Rechtsstreit berichtete, den die Bougainvillier seit 
10 Jahren gegen Rio Tinto wegen Umweltzerstoerung und Genozid in den 
USA fuehren, wollte er wissen, ob das auch eine Moeglichkeit fuer sein 
Volk, fuer Porgera sein koennte. Wir versuchen das jetzt, und ich 
werde weiter darueber berichten.
*Max Watts, Annandale (AUS)*
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