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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 4. November 2008; 18:53
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Nord-Süd:
> Marschiert die EU im Kongo ein?
Die EU koennte im Kongo einmarschieren. Zumindest schliesst das der 
britische Aussenminister David Miliband gegenueber Medien nicht aus. 
Die europaeischen Truppen koennten - alleine oder als Verstaerkung der 
ueberforderten UN-Blauhelme - die Fluechtlinge in der rohstoffreichen 
Provinz Nord-Kivu schuetzen, so die offizielle Darstellung.
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Zwoelf UN-Fahrzeuge randvoll mit medizinischem Material und nichts zu 
essen -- die Bilanz des ersten humanitaeren Einsatzes der 
Weltgemeinschaft in dem Buergerkriegsgebiet seit einer Woche. Auch 
wenn nach aktuellen Informationen die Rebellen die einseitige 
Waffenruhe einhalten, ist sich offenbar nicht mehr ausgegangen. Der 
Konflikt bleibt brutal, ob geschossen wird oder nicht. 250.000 
Menschen sind in der seit langem umkaempften Provinz Nord-Kivu im 
Osten des Kongo auf der Flucht. Sie kaempfen ums Ueberleben. 
"Gotterbaermlich" nennt am Montag ein Caritas-Mitarbeiter ihre 
Situation. Sie haben das Noetigste retten koennen aus einer Zone, in 
der sich Regierungstruppen und die Tutsi-Rebellen beschossen hatten. 
Inzwischen setzt die Regenzeit ein, Seuchen brechen in den 
Fluechtlingslagern aus. Die UNO bleibt, abgesehen von dem Hilfskonvoi 
vom Montag, unsichtbar. 850 Blauhelme sind in der Provinz stationiert, 
17.000 sind es im gesamten Kongo. Sie tun nichts oder zumindest zu 
wenig, um die Fluechtlinge zu schuetzen, kritisieren internationale 
Hilfsorganisationen seit laengerem.
Das UNO-Kontingent soll aufgestockt werden, sind sich im wesentlichen 
UN und EU einig. Ob ueber eine eigenstaendige EU-Truppe oder 
zusaetzliche Kontingente fuer die Blauhelme bleibt offen. Die 
EU-Regierungen werden das nach der naechsten Sitzung des 
Sicherheitsrats entscheiden.
Eine politisch brisante Entscheidung. Eine der ersten Regierungen, die 
eine eigene EU-Truppe geforderten hatten, war die Belgiens. Der Kongo 
war jahrzehntelang Privatbesitz der belgischen Krone gewesen. Das 
Kolonialsystem war eines der brutalsten einer europaeischen Macht in 
Afrika, die Gewinne fuer das belgische Koenigshaus astronomisch. Seit 
der Unabhaengigkeit 1960 wechseln Buergerkrieg, Diktaturen und 
halblegale Regierungen einander ab. Und fast immer sind europaeische 
Regierungen oder die USA im Spiel, direkt oder indirekt. Patrice 
Lumumba, der Unabhaengigkeitsheld des Kongo, war bei einem von der CIA 
unterstuetzten Putsch abgesetzt und ermordet worden. Zu gross sei 
seine Naehe zur UdSSR gewesen, hiess es damals gar nicht so 
inoffiziell. Die USA hatten lebhaftes Interesse daran, eines von 
damals nur zwei nennenswerten Kobaltfoerdergebieten der Welt unter 
ihre Kontrolle zu bringen. Ohne Kobalt konnte man weder Raketen noch 
Duesenantriebe bauen. Das zweite groessere Foerdergebiet lag in der 
UdSSR. Lumumbas gute Beziehungen zur Sowjetunion wurden in den USA als 
Bedrohung gesehen, ein Putsch als die effizienteste Loesung.
Auch der Konflikt in Nord-Kivu, fuer den sich die EU so brennend 
interessiert, duerfte mit Rohstoffen zusammenhaengen. Die Provinz hat 
reiche Gold- und Diamantenminen - und dort lebt eine groessere Gruppe 
Tutsis. Das Nachbarland Ruanda verfuegt ueber keine nennenswerten 
Bodenschaetze - aber dort haben Tutsis nach dem Voelkermord wieder 
einflussreiche Positionen erobern koennen. Ruanda unterstuetzt die 
Tutsis im Kongo, angeblich auch mit Waffen, frueher auch schon mal per 
Militaerintervention. Ein Zusammenhang mit den Bodenschaetzen wurde 
offiziell stets bestritten. Es gehe um den Schutz von Minderheiten und 
offiziell unterstuetzt die ruandesische Regierung die Rebellen von 
Laurent Nkunda nicht. Inoffiziell duerfte Ruanda mehrfach versucht 
haben, sich Nord-Tivus Bodenschaetze per illegalem Abbau anzueignen. 
Und dann gibt es noch den kongolesischen Praesidenten Joseph Kabila, 
dessen Vater sich vor zehn Jahren in einem Buergerkrieg an die Macht 
geputscht hatte. Die Regierungen der europaeischen Union stehen in 
unterschiedlichen Verhaeltnissen zu den verantwortlichen Akteuren. 
Belgien etwa fuehlt sich als Schutzmacht, belgische und franzoesische 
Unternehmen haben grosses Interesse an den kongolesischen 
Bodenschaetzen, die natuerlich auch die Briten interessieren. Die 
waren die Kolonialherren in Uganda, einem Nachbarland des Kongo. 
Uganda soll ebenfalls Milizen im Kongo sponsern. Deutschland wiederum 
soll enger diplomatischer Verbuendeter Ruandas sein.
Die unuebersichtlichen und wechselnden Interessen und Abhaengigkeiten 
zerreissen das Land seit fast 50 Jahren. Wie stabil das Land ist, 
haengt davon ab, wie gut die oekonomischen und ethnischen Bruchlinien 
ueberdeckt oder meist eher gewaltsam zusammengehalten werden. Nach 
Jahren des latenten bzw. offenen Buergerkriegs scheint die 
internationale Gemeinschaft wieder Stabilitaet im Kongo zu wollen. 
Bleibt die Frage, ob ausgerechnet ein europaeischer Militaereinsatz 
das gewaehrleisten kann. Wie die Kongolesen auf belgische 
Friedens/Besatzungssoldaten reagieren wuerden, ist schwer 
abzuschaetzen. Aber vielleicht geht es bei dem Einsatz nicht um die 
Fluechtlinge sondern wieder um die Bodenschaetze.
*Viktor Englisch*
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