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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 21. Oktober 2008; 17:40
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Glosse:

> Der schleichende Putsch

Der Haider ist gegangen, die Haider sind geblieben. Die grossen
verwitterten Ideologieparteien Sozialdemokraten und Christlichsoziale
haben laengst auf der europaeischen Ebene Abkommen zur Zusammenarbeit
mit uebelsten Parteien abgeschlossen, so der MHP, der tuerkischen
"Partei der Nationalistischen Bewegung", die regelmaessig in der der
Gemeinde Wien nahestehenden Kurhalle Oberlaa tagt. Die "S"POe hat ein
administratives Foerder-Abkommen mit einer rechtsradikalen Partei,
deren Jugendorganisation die Grauen Woelfe sind, geschlossen und kann
daher als Foerderin des Faschismus bezeichnet werden.

Der Zufallstod Haiders muss als Anlass wahrgenommen werden, um darauf
hinzuweisen, dass das Problem des Rechtsradikalismus und Faschismus
nicht auf den oesterreichischen oder deutschen Rahmen beschraenkt ist,
und auch nicht ausschliesslich auf den europaeischen Bereich. Wer
heute die tuerkischen far-rights nicht mitreflektiert, der sollte beim
Antifaschismus nicht mitreden. Laengst morden die Grauen Woelfe auch
in Europa, und es ist nur eine Frage der Zeit, wann der naechste
politische Mord in Wien, Linz oder Vorarlberg erfolgen wird. Die
tuerkischen Nationalisten haben, wie in Frankreich vor 2 Jahren,
bereits europaeische linke Mobilisierungen mit Gewalt angegriffen,
mischen sich also bereits in die rein europaeische Politik.
Faschistische Moerderkommandos werden in einiger Zeit vom einen Land
ins andere disloziert werden; wie die Schnellen Eingreifstruppen von
EU und NATO.

In der Linken gibt es Leute, die meinen, die Faschisten seien laengst
nicht mehr gefaehrlich, gefaehrlich sei, zwar nicht allein, aber doch
in erster Linie, die Sozialdemokratie. Es wird die Meinung vertreten,
die Faschisten waeren ein antiquierter, ungefaehrlicher Neben-Gegner.
Diese verbohrte Position wird von der "Antiimperialistischen
Koordination" (AIK) betrieben. Es sind dies Leute, die sich
richtigerweise gegen den Moslemhass einsetzen. Da muss man sich
fragen: Haben sie denn nicht verstanden, was fuer eine bestimmende
faschistische Hass-Kraft gegen die Moslems speziell von dieser FPOe --
deren Fuehrer Haider war und deren historischer Fuehrer Haider immer
noch ist --, aber auch vom BZOe und seinem Kaernten ausgeht? Wollen
sie die Moslems vor dem masslosen Fanatismus der Rechtsradikalen
schuetzen? Dann koennen sie doch nicht die Bedeutung von FPOe und BZOe
dermassen herunterspielen!

Aber von der unversoehnlichen Position der AIK gegenueber der
verrotteten Sozialdemokratie kann man nur lernen. Gleichermassen
gefaehrlich sind beide: die Rechtsradikalen und die braungefaerbten
Sozialdemokraten. Falsch ist es und zeugt von inlaendischer
Verdumpfung, als einzigen politischen Feind sich "Haider" und
"Strache" hinzustellen und zu vergessen, dass ganz Wien uebersaeht ist
von rechtsislamistischen, also staatsislamistischen Moscheen und
Verbaenden (die von den Behoerden der Tuerkei kontrolliert werden) und
von kemalistischen, chauvinistischen und faschistischen Gruppierungen.
Zu denen pflegen die oesterreichischen Behoerden und Parteien eher
Freundschaft zu halten. Gegen die muessen wir aber unsere Freunde von
der kommunistischen Linken aus der Tuerkei schuetzen. Wir muessen aber
auch diejenigen echten und unabhaengigen Moslems und "Islamisten"
schuetzen, die ihre islamische Identitaet mit einem politischen
Befreiungskonzept verbinden. Wer gegen "Haider" kaempfen will, der
muss gegen den (tuerkischen und iranischen) Staatsislamismus kaempfen,
den aergsten Feind des Befreiungsislamismus, den aergsten Feind des
Kommunismus. Zwischen Staatsislamismus und Befreiungsislamismus ist
ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht. Der Antifaschismus muss
eine neue internationale Orientierung bekommen.

Der faschistische Feind aus der Tuerkei wird in Vorarlberg, Linz und
Wien in einigen Jahren vielleicht genau so gefaehrlich wie Haider und
Strache und Teil des "hiesigen" Faschismus geworden sein.

"Haider" ist da schon uebernationaler: er hatte enge Verbindungen zu
rechts-rassistischen, der Lega Nord nahestehenden Gruppierungen im
Veneto. Unsere italienischen Genossen von den "disubbidienti" in Padua
und Mestre haben mehrfach gegen Haiders Praesenz im Veneto
mobilisiert. Da gab´s eine Phalanx aus Plastikschilden und erprobte
Strassenkampftaktiken seitens der italienischen GenossInnen, die dann
entsprechend von der italienischen Polizei behandelt wurden. Um diesen
sehr hohen Grad von Mobilisierung und Konfliktualitaet, auf
europaeischer Ebene, hat sich kein Schwein in der Wiener Linken
gekuemmert. Als sie ihren Prozess bekamen, hat sich keine Drecksau
hier solidarisch geaeussert. Wiederum ein Zeichen fuer patriotische
Dumpfheit. Patrioten sind Idioten, und wer, wie die SLP, als einzige
Feinde Haider und Strache auserkoren hat, ist patriotisch beschraenkt.

Wir sehen also schoen langsam, mit Hilfe dieser unbeholfenen
Erwaegungen, dass der Tod Haiders nur ein Epiphaenomen ist. Einer mehr
oder weniger an den Pfosten geknallt - die Kontinuitaet der
sozialpopulistischen Rechten wird dadurch nicht destabilisiert. Im
Gegenteil. Sein Tod ist fuer alle Rechtsradikalen und Sozialdemokraten
nur sehr nuetzlich. Sein Tod ist ein Aufbruch. Es wird, angesichts des
Banken-Krachs, Volksgemeinschaft erzeugt. Was sich am
SPOe-Boulevard-Parade-Blatt "Oesterreich" beweist: es ist ein einziges
Weihefestspiel zu Ehren des Fuehrers. Mit diesem von Sozialdemokraten
mitbewerkstelligten Spektakel der Gegenaufklaerung wurde die Wirkung
Haiders in den Volksmassen befestigt und sie wird weiterwirken bis zur
naechsten Diktatur.

Es wird Konsens fuer den akzelerierenden schleichenden Staatsstreich
gewonnen. Kaernten ist bereits wie ein Land nach einem Putsch, einem
ideologischen und einem der Institutionen, der militaerische steht
noch bevor.

Zusaetzlich zum schleichenden Staatsstreich, der Entmuendigung von
Justiz, Zeitungen, der Oeffentlichkeit, der Universitaeten, also eines
grossen Teils des nicht-militaerischen Herrschaftsapparates der
Bourgeoisie, den Gramsci unter "Zivilgesellschaft" zusammenfasst,
haben wir nun einen richtig punktuellen Putsch, einen wirtschaftlichen
Staatstreich der Finanzaristokratie, von dem wir nicht wissen, wie er
ausgehen wird. Alle Banken sollen aus Mitteln der Bevoelkerung
entschaedigt werden und deren Einlagen (darunter die von
Grossfinanciers und der 4 italienischen Mafien).

Hier geht es um eine Enteignung der unteren Schichten und der
Mittelschichten, die moeglicherweise venezolanische Ausmasse annehmen
wird. Eine Umverteilung nach oben in Form eines grossen Raubzugs. Fuer
die Kultur dieser Raeuber ist Joerg Haider mit jedem Detail seiner
parasitaeren Alltagskultur gestanden.

Und alle stehen hinter diesem Raubzug der Banken, Sozialdemokraten und
Rechte.
*Aug und Ohr*

(Stark gekuerzt und wegen rechtlicher Bedenken bearbeitet. Wer den
Originaltext haben moechte, wende sich bitte an die Redaktion)



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