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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 14. Oktober 2008; 20:35
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Medien/Glosse:
> Der Uebermensch vom Baerental
Die Massenmedien haben ihren Lieblingspolitiker verloren und feierten 
ihn noch ein letztes Mal ausgiebig.
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Das Oe1-Mittagsjournal am Montag bemuehte sich im Themenueberblick 
anzumerken, dass die Berichterstattung ueber die Finanzkrise ein 
"ebenso wichtiger" Schwerpunkt wie die Haider-Berichterstattung 
darstellen wuerde -- was dann doch nicht ganz so war. Die 
Montagsausgaben der Tageszeitungen versuchten gar nicht erst, diesen 
Eindruck zu erwecken: Die "Salzburger Nachrichten" lieferten 7 Seiten 
ueber das Ableben des Groessten Freiheitlichen aller Zeiten ab, "Die 
Presse" und "Der Standard" gar 8 Seiten.
Wie geht man mit dem Tod eines solchen Menschen um? Faktum ist, dass 
sein Tod medial abgehandelt wurde, als ob ein hoeheres Wesen und nicht 
ein Mensch gleich Milliarden anderer Menschen gestorben waere. Selbst 
der Bundespraesident musste seinen Senf dazu abgeben und das wurde 
auch gleich bruehwarm reportiert. Es geht mir nicht darum, dass Haider 
ein Politiker war, der -- wie der Euphemismus dieser Tage es 
formulierte -- "polarisierte", und man deswegen seinen Angehoerigen 
nicht das Beileid aussprechen duerfte. Nein, natuerlich war er eben 
auch nur ein Mensch, dessen Tod fuer die, die ihn liebten, tragisch 
ist. Aber wieviele Menschen sterben tagtaeglich in Oesterreich oder 
auf der Welt oder auch nur im Strassenverkehr in Oesterreich, ohne 
dass der Bundespraesident salbungsvolle Worte von sich gibt, die wir 
dann auch noch im Radio hoeren. Deren Angehoerige haetten sich 
genausoviel Anteilnahme verdient -- aber fuer diese Nobodys gibt es 
hoechstens eine Notiz im Chronikteil der Regionalausgabe des "Kurier".
Wenn also nicht das hoehere Wesen, der Promi, der Gottseibeiuns der 
oesterreichischen Innenpolitik, sondern nur der Mensch gewuerdigt 
werden soll, warum dann dieser Riesenaufwand? Warum muessen die 
Tageszeitungen uns jetzt auch noch der Laenge mal der Breite 
schildern, wer Joerg Haider war -- alles von seinen Nazieltern bis zu 
seinem Rasertod? Hatte nicht schon zu seinen Lebzeiten jeder Furz von 
ihm die Spalten der Blaetter fuellen geholfen? Wir wissen, wer er 
war -- leider! Wieviele Menschen sterben tagtaeglich? Allein in 
Oesterreich werden es wohl 200 bis 300 sein -- viele von Ihnen wohl 
mit einer moralisch hoeheren Integritaet als der Joergi. Da sagen uns 
die Massenmedien aber nicht einmal im nachhinein, was fuer Menschen 
sie waren und was sie in ihrem Leben geleistet haben.
Ein Blick in die Online-Ausgaben der Medien, wo sie sich nicht durch 
bedruckbare Flaeche oder Sendezeit beschraenken lassen muessen, zeigte 
am Samstag und Sonntag noch ein viel schlimmeres Bild: 
Haider-Berichterstattung ohne Ende. Der Online-Kurier machte am 
Sonntag sogar mit einem Bild auf, dass Haider in einer ausgesprochenen 
Messias-Pose zeigte: Haider in weissem Anzug, die Arme ausgebreitet, 
mit siegesbewusstem Blick in die Ferne und hinter ihm die Strahlen 
einer untergehenden Sonne.
Im Online-Standard unter vielen Texten aber auch einer, der einem das 
Gruseln lehrt. Zwei Reporterinnen hatten in Kaernten erste Stimmen zu 
Haiders Tod eingefangen und viele davon liessen sich vernehmen: Haider 
ist umgebracht worden -- schliesslich ist diese Strasse ja 
schnurgerade und ausserdem ist doch der 10.Oktober der hoechste 
Kaerntner Landesfeiertag: Jahrestag der Volksabstimmung von 1920! Ob 
das nicht vielleicht doch die Slowenen gewesen sind ...?
Die Mythenbildung hat eingesetzt. Obgenannter Bericht erschien nicht 
in der Druckausgabe des Standard. Wollte man die Kaerntner nicht 
blossstellen oder nicht auch noch diesen neuen Volksmythos bestaerken? 
Unabhaengig von der Berichterstattung: Es steht zu befuerchten, dass 
sich auch trotz der Erkenntnisse der Unfallexperten der Glaube an 
einen Anschlag in Kaernten und in der rechten Szene Oesterreichs noch 
lange halten wird.
Die Sonne des BZOe ist herabgestuerzt. Der Mensch Joerg Haider ist 
tot. Das BZOe wird aber versuchen, das Idol weiterleben zu lassen, um 
selbst politisch noch ein bisschen Haiders physischen Tod ueberleben 
zu koennen. Wollen wir hoffen, dass die Massenmedien sie in diesem 
ihrem Bestreben nicht noch weiter unterstuetzen werden. Denn Haider 
war nicht zuletzt ein Medienprodukt: Die Kronen-Zeitung hofierte ihn 
zeitweise geradezu. Auch News und profil pushten ihn enorm -- sie 
kritisierten in zwar heftig, dafuer bekam er aber auch haeufig ein 
Cover-Photo. Sein Konterfei zierte sogar die Titelseiten von 
Time-Magazin und Newsweek -- mit geradezu daemonischen Attributen: 
"Soll sich Europa vor diesem Mann fuerchten?" dichtete Time. 
"Schlechte Presse" gab es fuer Haider nicht. Nur keine Presse waere 
fuer ihn eine schlechte Presse gewesen. Doch die hatte er in den 
letzten 22 Jahren nie.
*Bernhard Redl*
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