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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 7. Oktober 2008; 18:13
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Im Wahlkampf war wieder einmal viel die Rede von Kriminalitaet. Aber 
was ist das eigentlich? Nachfolgender Artikel, der, wie alle 
namentlich gekennzeichneten Texte natuerlich nicht unbedingt der 
Meinung der Redaktion entspricht, stammt von der Antifaschistischen 
Linken resp. RSO. Wir bieten ihn als Diskussionsgrundlage an:
> Zum Verhaeltnis von Marxismus und Kriminalitaet
"Immer mehr Wohnungseinbrueche" ... "Wien versinkt im Drogensumpf" ... 
Seit einiger Zeit ueberschlagen sich Kronen-Zeitung und Co mit 
Horror-Meldungen ueber die in den letzten Jahren angeblich so stark 
angestiegene Kriminalitaet. Doch was ist ueberhaupt Kriminalitaet? Mit 
diesem Artikel wollen wir, beginnend mit konkreten Fragen und 
uebergehend zu grundsaetzlicher Rechtsphilosophie, den Versuch einer 
marxistischen Analyse der Kriminalitaet starten.
Der Begriff Kriminalitaet leitet sich vom lateinischen "crimen" ab, 
was fuer Beschuldigung, Anklage bzw. Verbrechen steht. Voraussetzung 
fuer Kriminalitaet sind Strafgesetze - denn erst diese machen ein 
abweichendes Verhalten zu einem verbotenen Verhalten. Daraus folgt, 
dass Kriminalitaet natuerlich keine "Wirklichkeit fuer sich" 
darstellt, sondern ein soziales Konstrukt, welches davon abhaengig 
ist, welchen Stellenwert eine Gesellschaft z.B. dem Privateigentum, 
dem Menschenleben oder der Rolle der Frau einraeumt.
Statistiken
Grundsaetzlich sind saemtliche Kriminalitaetsstatistiken mit Vorsicht 
zu geniessen. Gerichtliche Statistiken etwa messen nur die 
Verurteilungen, waehrend polizeiliche Statistiken die Anzahl der 
registrierten Straftaten angeben. Weiters gibt es noch 
Opferbefragungen oder Dunkelfeldforschung. Klar ist, dass eine 
erhoehte Ermittlungstaetigkeit der Polizei, etwa im Drogenmilieu, 
automatisch eine "hoehere" Kriminalitaet zu Tage bringt. Dies 
rechtfertigt dann oft die Forderung nach mehr PolizistInnen, die 
schliesslich noch "mehr" Kriminalitaet aufdecken - es kommt zu einer 
Aufwaertsspirale.
Wenn nun die buergerlichen Medien von einem Anstieg der Kriminalitaet 
sprechen, so erzaehlen sie uns nicht wirklich etwas Neues. Die zweite 
Haelfte des 20. Jahrhunderts brachte einen weltweiten Anstieg der 
Kriminalitaetsraten. In den westeuropaeischen Laendern duerfte dieser 
zwischen 1950 und 1990 etwa 4% pro Jahr ausgemacht haben.(1) Dieser 
doch betraechtliche Anstieg hat natuerlich mehrere, teils recht 
einfache Gruende: z.B. ist die Anzeigewahrscheinlichkeit bei vielen 
Delikten, etwa Missbrauchsfaellen, heute hoeher als frueher, wo noch 
viel mehr vertuscht wurde. (Auch heute ist die Dunkelziffer jedoch 
noch extrem hoch!). Ausserdem wurden viele Delikte erst im Laufe der 
Zeit moeglich. Der Ladendiebstahl wurde erst zu einem relevanten 
Phaenomen, als sich Supermaerkte durchsetzten. KFZ-Einbrueche wurden 
haeufiger, als Autos zu einem Massenprodukt wurden.
Allerdings spielen auch andere Faktoren mit. Studien haben ergeben, 
dass Kriminalitaet und Arbeitslosigkeit zusammenhaengen, dass also 
eine hoehere Arbeitslosenrate mit einer gestiegenen Kriminalitaetsrate 
einhergeht.(2) (Und die Arbeitslosenquote ist seit den 50ern in allen 
OECD-Laendern tendenziell stark angestiegen.) Zudem ist auffallend, 
dass Vermoegensdelikte in der Zeit des Ausbaus des "Sozialstaats" von 
Mitte der 50er bis Mitte der 70er Jahre deutlich seltener begangen 
wurden, als ab der neoliberalen Wende von Beginn der 80er Jahre bis 
heute.
Sozialstruktur
Der Anstieg von Ueberfaellen, Einbruechen und Diebstaehlen hat also 
sicherlich auch etwas mit der wachsenden Deklassierung von Teilen der 
europaeischen ArbeiterInnenklasse, v.a. jener aus den ehemaligen 
stalinistischen Staaten (UdSSR, Polen, Rumaenien, etc.) zu tun. Nach 
dem Fall des Stalinismus wurden diese Laender zu neoliberalen 
Experimentierfeldern und breite Bevoelkerungsschichten wurden in 
Arbeitslosigkeit und Armut gestuerzt. Fuer viele junge Menschen in 
einem Land wie Moldawien, wo das Durchschnittseinkommen 30 Euro/Monat 
und die Arbeitslosenrate in manchen Doerfern 100% betraegt, ist es 
sehr nachvollziehbar, kriminellen Verlockungen nachzugeben.
Kriminalitaetsquoten sind sozialstrukturell unterschiedlich. 
Unterschichten weisen hoehere Raten auf als Mittel- und Oberschichten. 
Kein Wunder, wenn Zeitungen und TV staendig die Botschaft 
transportieren, dass Reichtum, Prestige und Erfolg die einzig 
wuenschenswerten Ziele im Leben sind, die Mittel diese Ziele zu 
erreichen aber der ArbeiterInnenklasse und den deklassierten Schichten 
nicht zugaenglich sind. Dabei ist Kriminalitaet oft nicht einmal ein 
Mittel zur Beschaffung von Guetern, sondern bloss ein Abbau von 
Frustration - etwa im Fall von jugendlichem "Vandalismus". Friedrich 
Engels nannte das Verbrechen daher einmal die "erste, rohe und 
unfruchtbare Form der Empoerung" und die "ungebildetste, 
bewusstloseste Form der Protestaktion".(3) (Natuerlich bezog er sich 
dabei hauptsaechlich auf Eigentumsdelikte).
Waehrend des Aufbluehens der deutschsprachigen ArbeiterInnenbewegung 
vor dem Ersten Weltkrieg gab es eine Vielzahl von integrierenden 
ArbeiterInnen-Organisationen, die den Unterschichten der 
ArbeiterInnenklasse eine Perspektive des kollektiven Widerstands gegen 
das System boten. Die Kriminalitaetsrate war zu dieser Zeit - v.a. in 
Wien - signifikant ruecklaeufig.(4) Andererseits duerfte der Anstieg 
der Kriminalitaet in Oesterreich und Deutschland nach dem Zweiten 
Weltkrieg auch etwas mit dem allmaehlichen Verlust der spezifischen 
Kultur und der Staerke der ArbeiterInnenbewegung zu tun haben. Ein 
weiterer Aspekt ist allerdings auch die steigende Anonymitaet grosser 
Staedte, bedingt vor allem durch hoehere Mobilitaet, womit informelle 
Sozialkontrolle abnimmt.
Moeglicherweise werden SkeptikerInnen an dieser Stelle den 
berechtigten Einwand der "organisierten Kriminalitaet" machen, deren 
DrahtzieherInnen sich wohl kaum aus deklassierten Schichten am Rand 
der Gesellschaft zusammensetzen. Diese Kriminalitaet - beispielsweise 
Steuerhinterziehung, Faelschung, Versicherungsbetrug oder 
Waffenhandel - ist allerdings deutlich weniger sichtbar und sozial 
auffaellig. In diesem Bereich mafioeser Verbrechen, dem sogenannten 
"white collar crime", verschwimmt zumeist auch die Grenze zwischen 
Legalitaet und Illegalitaet, je weiter es nach "oben" geht, desto 
intensiver sind die Spitzen der Gesellschaft eingebunden.
Bekaempfung
Die Verbrechensbekaempfung des buergerlichen Staats ist der mitunter 
verzweifelte Kampf gegen Symptome, gegen Auswirkungen des 
kapitalistischen Wahnsinns. Neuerdings sollen beispielsweise mehr 
PolizistInnen in den oeffentlichen Verkehrsmitteln Wiens eingesetzt 
werden, um TaschendiebInnen, BettlerInnen, Schwarzfahrer-Innen und 
Obdachlose (!) - also wahrhaftige "SchwerverbrecherInnen" - zu 
vertreiben. Mit der Fokussierung auf diese Elemente wird im Uebrigen 
von den wahren VerbrecherInnen dieser Gesellschaft abgelenkt. Denn die 
sitzen ganz woanders ... Bert Brecht beschrieb es treffend: "Was ist 
ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen 
die Gruendung einer Bank?"(5)
Mit Argumenten wie "damit sich Frauen am Abend beim alleine nach Hause 
gehen nicht mehr fuerchten muessen" wird dieses zusaetzliche 
Polizeiaufgebot gerechtfertigt. Dummerweise muessen sich die meisten 
betroffenen Frauen aber erst fuerchten, wenn sie bereits zu Hause 
sind, denn Gewalt gegen Frauen findet - das zeigen saemtliche 
Studien - grossteils innerhalb der eigenen vier Waende statt. Laut 
einer Studie des Sozialministeriums werden nur 6 - 15% der betroffenen 
Maedchen von ihnen unbekannten Maennern missbraucht.(6) Das skizzierte 
Bild in den Medien ist aber trotzdem der fremde schwarze Mann, der 
spaet nachts in einer dunklen Gasse auf ein x-beliebiges Opfer wartet. 
Videoueberwachung, Law & Order-Politik und Co. nuetzen hier nichts.
Definitonssache
Wir wollen nun einen Schritt weiter gehen und die brisante Frage nach 
der Definition von Kriminalitaet stellen. Wie eingangs bereits 
erwaehnt, gibt die Natur nicht vor, welches Verhalten richtig bzw. 
falsch ist. Was als "kriminell" gilt, ist von Epoche zu Epoche und von 
Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich. Viele Delikte, die 
frueher einmal legal waren, sind heute verboten, z.B. das Halten von 
SklavInnen, das Schlagen von Kindern oder das Rauchen von 
Hanfprodukten. Andererseits gibt es zahlreiche Dinge, die zu frueheren 
Zeiten untersagt waren und heute (zumindestens in weiten Teilen 
Europas) erlaubt sind. Dazu gehoert u.a. Homosexualitaet, 
Schwangerschaftsabbruch oder "Gotteslaesterung". Eine Feststellung, 
die uns einen Schritt naeher an den Kern des Problems bringt.
Im europaeischen Mittelalter fusste die gesamte Weltordnung auf dem 
Glauben an Gott. Auch der "weltliche" Herrscher (Koenig, Kaiser, etc.) 
war schliesslich "von Gottes Gnaden bestimmt". An der Existenz des 
Schoepfers zu zweifeln oder ihn gar laecherlich zu machen, bedeutete 
daher in Folge die komplette Legitimation des Feudalsystems in Frage 
zu stellen und wurde hart bestraft.
Die Definition von Verbrechen ist also ein juristischer Ausdruck der 
jeweiligen Machtverhaeltnisse einer Gesellschaft. Diese 
Machtverhaeltnisse wiederum basieren auf den oekonomischen Grundlagen, 
die wir MarxistInnen unter dem Begriff "Produktionsverhaeltnisse" 
zusammenfassen. Bis vor wenigen Jahrhunderten waren die 
Produktionsverhaeltnisse in Europa im Grossen und Ganzen feudal. Die 
Masse der Bevoelkerung waren unfreie Bauern/Baeuerinnen, die auf 
aristokratischem oder kirchlichem Grundbesitz schuften mussten. 
Landerwerb und freie Berufswahl waren nicht moeglich.
"Gleichheit"
Die buergerlichen Revolutionen des 17., 18. und 19. Jahrhunderts 
machten Schluss mit dem ueberholten Feudalismus. Fuer die Ausbreitung 
der kapitalistischen Produktionsweise war es notwendig, dass die 
feudalen Besitztuemer enteignet und die Bauern/Baeuerinnen aus ihrer 
Leibeigenenschaft befreit werden - um in den Manufakturen und Fabriken 
als formell freie (aber wirtschaftlich natuerlich von Lohnarbeit 
abhaengige) ArbeiterInnen werken zu koennen. Juristisches Produkt der 
kapitalistischen Marktwirtschaft, in der auf dem "freien" Markt Waren 
(wie etwa auch die Ware Arbeitskraft) ausgetauscht werden, war das 
moderne buergerliche Recht mit seiner formellen "Gleichheit vor dem 
Gesetz".Der franzoesische Schriftsteller Anatol France mokierte sich 
einmal zurecht ueber die "majestaetische Gleichheit der Gesetze, die 
den Armen wie den Reichen verbietet, unter Bruecken zu schlafen, auf 
den Strassen zu betteln und Brot zu stehlen."(7)
In der Tat ist die Abstraktion des buergerlichen Rechts absurd, da 
unterschiedliche Klassen und Schichten niemals dieselben 
Voraussetzungen haben koennen. Einer, der deutlich aussprach, dass 
sich viele Gesetze de facto nur gegen die unteren Klassen der 
Gesellschaft richten, war Karl Marx in seinen Kommentaren ueber die 
Debatte zum Holzdiebstahlsgesetz im Rheinischen Landtag. Es ging um 
die Entnahme von "Raffholz", das in den Waeldern abgestorben am Boden 
liegt, was als Diebstahl verboten werden sollte. Und genauso, wie es 
damals keineN FabrikbesitzerIn interessierte, ob er/sie auf der Erde 
liegendes Holz mitnehmen durfte oder nicht, kuemmert es heute keineN 
ManagerIn, wie hoch die Strafen fuer "Schwarzfahren" sind.
Vorhin wurde bereits erwaehnt, dass Kriminalitaet sozialstrukturell 
unterschiedlich ist. Aber nicht nur das, auch die Toleranzgrenzen fuer 
kriminelles Verhalten sind unterschiedlich, je nachdem, welcher 
sozialen Herkunft einE TaeterIn ist. Gegen "illegale" MigrantInnen 
und/oder aufmuepfige Jugendliche in einem ArbeiterInnenviertel geht 
die Polizei ganz anders vor als gegen KapitalistInnen, die in ihren 
Fabriken die Gesundheitsvorschriften nicht einhalten. Auch werden 
Personen aus unteren Schichten viel schneller verdaechtigt und viel 
wahrscheinlicher angezeigt als VertreterInnen des Establishments (und 
koennen sich bei Kleindelikten, etwa jugendlichem Ladendiebstahl, auch 
nicht freikaufen). Die hoehere Kriminalitaetsrate der 
ArbeiterInnenklasse ist also auch ein Resultat der selektiven 
Anwendung buergerlicher Gesetze.
Vor Gericht kommt es dann haeufig zu Formen offenkundiger 
"Klassenjustiz": Etwa die einseitige Auslegung von Gesetzen durch 
RichterInnen, die nicht von der Bevoelkerung gewaehlt sondern von oben 
aus dem Staatsapparat ernannt werden und zumeist selbst nicht aus den 
Reihen der ArbeiterInnenklasse kommen. Angeklagte aus der herrschenden 
Klasse koennen sich vor Gericht viel besser behaupten und muessen sich 
auch nicht mit PflichtverteidigerInnen begnuegen. Der Herr Doktor 
hinter dem Richterpult, der Herr Doktor am Tisch des Staatsanwalts und 
der Herr Doktor auf der Anklagebank verstehen sich gemeinhin besser 
als die Staatsgewalt und einE HilfsarbeiterIn.
Privateigentum
Die heiligste aller kapitalistischen Goetzen ist neben dem Geld das 
Privateigentum. Obwohl historisch gesehen in vielen Gesellschaften 
gaenzlich unbekannt, wird es uns von Kindheit an als "naturgegeben" 
vermittelt. Klar, schliesslich funktioniert Kapitalismus 
folgendermassen: Die Produktion ist gesellschaftlich (oft sind 
hunderte oder tausende Menschen an der Herstellung eines Produkts 
beteiligt), die Aneignung der geschaffenen Werte ist jedoch privat. 
Der von Millionen Menschen tagtaeglich produzierte Reichtum faellt zu 
grossen Teilen in die Haende einer kleinen Minderheit von 
Superreichen. Kein Wunder, dass sich der Grossteil der buergerlichen 
Gesetze mit dem Schutz von Eigentum beschaeftigt. Marx bezeichnete 
Juristen deshalb auch als "Ideologen des Privateigentums".
Es ist allgemein bekannt, dass es ein Ungleichgewicht zwischen Strafen 
auf Eigentumsdelikte und Strafen auf psychische oder Koerperverletzung 
gibt. So betraegt etwa der Strafrahmen fuer "sexuellen Missbrauch an 
Unmuendigen" 1 bis 10 Jahre (§ 206 StGB), jener fuer Raub 5 bis 15 
Jahre Haft (§ 142 und 143). Noch tragischer wird dieses 
Ungleichgewicht bei den tatsaechlich verhaengten Strafen - 
Vergewaltiger kommen zumeist mit 1 bis 2 Jahren davon, wohingegen 6 
Jahre fuer einen bewaffneten Bankraub keine Seltenheit sind. Mit 
diesen Beispielen wollen wir nicht auf Forderungen nach besonders 
harten Strafen hinaus, sondern sie sollen nur den Wert des Eigentums 
im buergerlichen Recht verdeutlichen.
Bestrafung
Womit wir beim naechsten Thema waeren: Der Bestrafung von verbotenen 
Handlungen. Mit dem Uebergang vom Feudalsystem zum Kapitalismus 
aenderte sich nicht nur das Recht, sondern auch die Form der Sanktion 
von als kriminell bezeichneten Handlungen. So waren im Mittelalter 
koerperliche Strafen absolut dominierend. Folter und oeffentliche 
Hinrichtungen, bei denen die Verurteilten auf grauenvolle Art und 
Weise zugerichtet wurden und dadurch nicht sofort sterben sondern 
"tausend Tode erleiden" sollten. Zweck war die Abschreckung und die 
Demonstration der - durch die Straftat angekratzten - Autoritaet des 
Herrschenden.
Mit dem Uebergang zur kapitalistischen Produktionsweise aenderte sich 
auch der Strafvollzug. Das Gefaengnis, das urspruenglich nur der 
kurzfristigen Sicherstellung von Verurteilten bis zur Ausfuehrung der 
Strafe diente, wurde zur Straf- und Disziplinierungsanstalt. 
Verurteilte sollten nun nicht mehr gepeinigt und umgebracht, sondern 
diszipliniert und zu funktionierenden "Arbeitsmaschinen" umerzogen 
werden. Nicht zufaellig orientierten sich die neuen Gefaengnisse an 
den Arbeitshaeusern, die im fruehkapitalistischen England errichtet 
wurden, um BettlerInnen, Behinderte, LandstreicherInnen, Waisenkinder 
und andere Randgruppen "zur Arbeit zu erziehen".
Sozialismus
Wie wuerde nun aber eine sozialistische Gesellschaft mit Kriminalitaet 
umgehen? Kriminell - das kann im Sozialismus nur bedeuten, dass eine 
Person anderen Menschen oder dem Allgemeinwohl bewusst Schaden 
zufuegt. Ziel muss es sein, jene, die die Regeln der Gesellschaft 
missachten nicht zu peinigen, zu disziplinieren oder wegzusperren, 
sondern sie zu freien Menschen zu machen, die einen respektvollen 
Umgang mit anderen Menschen pflegen.
Tatsache ist, dass Eigentumsdelikte einen Grossteil der Straftaten 
ausmachen. Sie werden in einer sozialistischen Gesellschaft, einer 
Gesellschaft, wo niemand mehr in Armut leben muss, damit andere in 
Saus und Braus leben koennen, stark abnehmen. Auch Gewaltdelikte 
entstehen oft indirekt durch die Auswirkungen des kapitalistischen 
Wahnsinns auf den/die EinzelneN und werden wahrscheinlich seltener 
vorkommen. Ein sofortiges Ende aller dieser Taten, auch der 
Eigentumsdelikte, ist jedoch eine vulgaermarxistische Illusion und 
fuehrt zu einem Rechtsnihilismus (also zu einer Ablehnung saemtlicher 
Gesetze), wie ihn die meisten AnarchistInnen vertreten.
Errungenschaften der Oktoberrevolution
Doch auch unmittelbar nach einer siegreichen Revolution koennen 
sofortige Verbesserungen umgesetzt werden. So brachte auch die 
russische Oktoberrevolution von 1917 enorme Errungenschaften im 
Bereich des Rechts. Beispielsweise wurde ein liberales Scheidungsrecht 
eingefuehrt, das Abtreibungsverbot aufgehoben, die maximalen 
Freiheitsstrafen deutlich reduziert oder das Verbot von 
Homosexualitaet abgeschafft - eine fuer diese Zeit gigantische 
Errungenschaft. (In kapitalistischen Laendern wie Deutschland stand 
sie unter Strafe). Der Stalinismus, der sich ab Mitte der 20er Jahren 
aufgrund der Isolation des jungen Sowjetstaats und der dramatischen 
Auswirkungen des BuergerInnenkriegs (1918-21) durchsetzen konnte, 
machte nach und nach Schluss mit vielen dieser Reformen. 1934 wurde 
die Strafbarkeit mann-maennlicher Sexualitaet in der Sowjetunion 
wiedereingefuehrt, 1936 die Abtreibung verboten.
Eine wirklich sozialistische Gesellschaft hingegen wird 
selbstverstaendlich sogenannte "Verbrechen ohne Opfer", also Delikte 
wie den Konsum von Marihuana, homosexuellen Sex oder sonstige 
Taetigkeiten, die nur jene, die sich freiwillig dafuer entscheiden, 
etwas angehen, legalisieren. Sicher wird sie - im Fall von 
Gewaltdelikten - Therapie an die Stelle von Bestrafung setzen. 
Unerwuenschtes Verhalten wird leider nicht in jedem Fall ueber 
Info-Kampagnen, Diskussionen oder Therapien vermieden werden koennen. 
In diesen Faellen werden die Betroffenen unter groesstmoeglichem 
Komfort vom Rest der Gesellschaft getrennt werden. Klar bleibt aber, 
dass Verbote oft ein Zeichen von Hilflosigkeit sind. Das Ziel 
jedenfalls ist die Abschaffung saemtlicher Gefaengnisse, Anstalten und 
sonstigen buergerlichen Drangsalierungsinstitutionen.
Festzuhalten bleibt abschliessend, dass die gesamte buergerliche 
Kriminalitaetsdebatte aeusserst verlogen ist. Ueber Drogenverkauf, 
Kleinkriminalitaet oder Vandalismus vermoegen sich die buergerlichen 
Parteien und ihre Zeitungen stundenlang auszulassen. Doch das 
Verbrechen der Zerstoerung der Umwelt, von Kriegen, sozialem Elend, 
verhungernden Menschen und vielem mehr hat einen Namen: Kapitalismus - 
und dieser ist noch immer die schlimmste organisierte Kriminalitaet 
auf diesem Planeten ...
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Fussnoten:
1) Albrecht, Hans-Joerg: Kriminalitaetstrends 
http://www.bisdro.uni-bremen.de/FSQUENSEL/festschrift_index.htm
2) http://www.tu-dresden.de/wwvwlfw/media/PDF/WP/dm_mg_crime.pdf
3) Engels, Friedrich: Die Lage der arbeitenden Klasse in England, 
MEW.Bd.2, S. 431 ff.
4) Rusche, Georg; Kirchheimer, Otto: Sozialstruktur und Strafvollzug. 
Frankfurt/M., Koeln 1974
5) Brecht, Berthold: Die Dreigroschenoper, Druckfassung 1931, Szene 9
6) BMSG: (K)ein sicherer Ort. Sexuelle Gewalt an Kindern. Wien 2002
7) Anatol France, zit. n. Wesel, Uwe: Geschichte des Rechts, Von den 
Fruehformen bis zum Vertrag von Maastricht, 1. Auflage, Muenchen 1997
Textquelle: http://www.sozialismus.net/content/view/628/141/
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