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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 7. Oktober 2008; 18:12
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Glosse:

> Gruene Hofuebergabe

Irgendwie war die Zeit natuerlich reif. Bei den letzten Wahlplakaten
der Partei musste man ja wirklich den Eindruck gewinnen, dass statt
der Gruenen eine Liste namens "vdb" kandidiert. Der Herr Professor
geht in Pension -- tatsaechlich erreicht er ja Anfang naechsten Jahres
das gesetzliche Pensionsalter. In einer Partei, die den Juvenilismus
auf ihre Fahnen geschrieben hat, ist so jemand natuerlich nicht mehr
tragbar.

Van der Bellen wird wohl schon laenger ueberlegt haben, vom
Parteivorsitz zurueckzutreten. Denn das Wahlergebnis der Gruenen war
nicht so katastrophal, dass ein Ruecktritt die logische Konsequenz
gewesen waere -- beim Endstand der Stimmenauszaehlung kommt heraus,
dass die Gruenen ihren Anteil trotz der LiF-Kandidatur beinahe
gehalten haben: Minus 0,9 Prozentpunkte sind nun wirklich innerhalb
der Schwankungstoleranz. VdB wollte wohl schon vor dem Wahltag nicht
mehr, nur erstens bleiben Obleute kurz vor einer Wahl trotz Unwillens
auch weiterhin im Amt, um ihre Partei vor zu Schaden zu bewahren, und
zweitens geht sich nunmehr Schwarzgruen nicht aus, was ansonsten den
Professor vielleicht noch zum Bleiben bewogen haette.

Jetzt ist also die Hofuebergabe passiert. Und niemand findet etwas
daran, dass VdB die Partei einfach so an Eva Glawischnig uebergeben
hat. Schliesslich war sie schon seit vielen Jahren als Nachfolgerin
aufgebaut worden. Haette Van der Bellen gesagt, er trete zurueck und
am naechsten Bundeskongress moege die Parteibasis ueber seine
Nachfolge befinden, haetten sich alle Beobachter sehr gewundert -- so
selbstverstaendlich ist die demokratische Verluderung dieser Partei
schon.

Glawischnig steht fuer einen anderen Stil im Auftreten. Vox Populi hat
sich schon im "Standard"-Forum dazu geaeussert. Binnen 6 Stunden nach
Bekanntgabe des Ruecktritts waren dort schon ueber tausend Postings
nachzulesen, davon viele, die Glawischnig als die
"Vorzeige-Bobo-Tussi" aus der Seitenblickegesellschaft sehen -- also
eher ein Rueckschritt gegenueber dem betont bedaechtigen Professor mit
dem ironischen Laecheln.

Die oeffentliche Darstellung VdBs hat aber nur bedingt etwas mit
seinem realen Verhalten zu tun. Parteiintern war VdB eher als
Diskussionsverweigerer und als sehr autoritaer bekannt. Wenn es um
oeffentliche Auftritte ging, hatte er schon bisher lieber seine
Stellvertreterin vorgeschickt, anstatt sich selbst zu stellen.
Glawischnig hat eine groessere Kommunikationsbereitschaft nach aussen
hin -- allerdings ist sie genausowenig wie Van der Bellen dafuer
bekannt, dass sie sich linker Kritik je gestellt haette. In der Partei
herrscht dafuer ja auch kein Bedarf mehr: Mit dem Antritt Van der
Bellens wurden interne Debatten im Sinne der Parteiraeson de facto
untersagt. Als man damit auch noch Wahlen gewann, waren Kritiker
sowieso abgemeldet.

Die Verfestigung des autoritaeren Stils wird mit Glawischnig
weitergehen. "Der Standard" machte seine Wochenendausgabe mit der
Schlagzeile: "Glawischnig will gruene Partei umkrempeln" auf und
widmete sich auf den Seiten 2 und 3 ausschliesslich dem gruenen
Fuehrungswechsel. Dort wird aber nicht Glawischnig zitiert, sondern
bezeichnenderweise vor allem Bundesgeschaeftsfuehrerin Michaela
Sburny, die schon seit langem eine straffere Parteiorganisation
anstrebt. Sburny meint schoenfaerberisch: "Es geht nicht um mehr
Macht, sondern um mehr Moeglichkeiten" und spricht von
"Zusammenfuehrung von Verantwortung und Rechten" bei der Spitze. Rudi
Anschober, der ja auf Landesebene vorgemacht hat, was schwarzgruen
heissen kann, kommt auch zu Wort: "Wir brauchen eine grundlegende
Reform" wird er zitiert. Wie das zu verstehen ist, macht der Tenor der
kompletten Standard-Berichterstattung klar: Die Parteifuehrung muesse
auch bei den Gruenen die Partei tatsaechlich fuehren koennen -- zum
Beispiel bei der Aufstellung von Kandidatenlisten.

Mit dem Uebergang vom Patriarchen zur Oeko-Bobo wird sich also nicht
viel aendern, die Verbuergerlichung der Gruenen wird fortgesetzt.
Sburny spricht von "Parteioeffnung", neue Waehlergruppen muesse man
ansprechen. Soll heissen man moechte noch mehr bei den Stammwaehlern
der OeVP wildern gehen.

Das Ziel der Gruenen wird weiterhin sein, nach einer
Regierungsbeteiligung zu gieren. Die Frage, was man denn eigentlich in
diesem Land erreichen moechte (einmal abgesehen von der Umstellung von
Heizoel auf Holzpellets), wird auch in Zukunft sekundaer bleiben --
eine Taktik, die nicht nur Gesinnungslumperei darstellt, sondern in
Zeiten des politischen Umbruchs auch unter der Praemisse der
Stimmenoptimierung unklug ist.

Van der Bellen war reif fuer eine Abloese. Aber um die Gruenen vor
sich selbst zu schuetzen, muesste die gesamte Nomenklatura
ausgetauscht werden, zumindest aber Glawischnig, Sburny, Anschober und
der "Parteistratege" Dieter Brosz. Das waere eine echte Reform -- aber
dazu ist die gruene Parteibasis nicht mehr in der Lage. Die Partei
wird Glawischnig am Bundeskongress mit mindestens 90% Zustimmung
waehlen und damit das "Wir-streiten-nicht"-Dogma zementieren. Den
Beweis, dass sie doch die bessere Sozialdemokratie ist, wird die
Gruene Partei damit wohl ein weiteres Mal eindruecklich erbracht
haben.
*Bernhard Redl*


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