**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 7. Oktober 2008; 18:12
**********************************************************
Glosse:
> Gruene Hofuebergabe
Irgendwie war die Zeit natuerlich reif. Bei den letzten Wahlplakaten 
der Partei musste man ja wirklich den Eindruck gewinnen, dass statt 
der Gruenen eine Liste namens "vdb" kandidiert. Der Herr Professor 
geht in Pension -- tatsaechlich erreicht er ja Anfang naechsten Jahres 
das gesetzliche Pensionsalter. In einer Partei, die den Juvenilismus 
auf ihre Fahnen geschrieben hat, ist so jemand natuerlich nicht mehr 
tragbar.
Van der Bellen wird wohl schon laenger ueberlegt haben, vom 
Parteivorsitz zurueckzutreten. Denn das Wahlergebnis der Gruenen war 
nicht so katastrophal, dass ein Ruecktritt die logische Konsequenz 
gewesen waere -- beim Endstand der Stimmenauszaehlung kommt heraus, 
dass die Gruenen ihren Anteil trotz der LiF-Kandidatur beinahe 
gehalten haben: Minus 0,9 Prozentpunkte sind nun wirklich innerhalb 
der Schwankungstoleranz. VdB wollte wohl schon vor dem Wahltag nicht 
mehr, nur erstens bleiben Obleute kurz vor einer Wahl trotz Unwillens 
auch weiterhin im Amt, um ihre Partei vor zu Schaden zu bewahren, und 
zweitens geht sich nunmehr Schwarzgruen nicht aus, was ansonsten den 
Professor vielleicht noch zum Bleiben bewogen haette.
Jetzt ist also die Hofuebergabe passiert. Und niemand findet etwas 
daran, dass VdB die Partei einfach so an Eva Glawischnig uebergeben 
hat. Schliesslich war sie schon seit vielen Jahren als Nachfolgerin 
aufgebaut worden. Haette Van der Bellen gesagt, er trete zurueck und 
am naechsten Bundeskongress moege die Parteibasis ueber seine 
Nachfolge befinden, haetten sich alle Beobachter sehr gewundert -- so 
selbstverstaendlich ist die demokratische Verluderung dieser Partei 
schon.
Glawischnig steht fuer einen anderen Stil im Auftreten. Vox Populi hat 
sich schon im "Standard"-Forum dazu geaeussert. Binnen 6 Stunden nach 
Bekanntgabe des Ruecktritts waren dort schon ueber tausend Postings 
nachzulesen, davon viele, die Glawischnig als die 
"Vorzeige-Bobo-Tussi" aus der Seitenblickegesellschaft sehen -- also 
eher ein Rueckschritt gegenueber dem betont bedaechtigen Professor mit 
dem ironischen Laecheln.
Die oeffentliche Darstellung VdBs hat aber nur bedingt etwas mit 
seinem realen Verhalten zu tun. Parteiintern war VdB eher als 
Diskussionsverweigerer und als sehr autoritaer bekannt. Wenn es um 
oeffentliche Auftritte ging, hatte er schon bisher lieber seine 
Stellvertreterin vorgeschickt, anstatt sich selbst zu stellen. 
Glawischnig hat eine groessere Kommunikationsbereitschaft nach aussen 
hin -- allerdings ist sie genausowenig wie Van der Bellen dafuer 
bekannt, dass sie sich linker Kritik je gestellt haette. In der Partei 
herrscht dafuer ja auch kein Bedarf mehr: Mit dem Antritt Van der 
Bellens wurden interne Debatten im Sinne der Parteiraeson de facto 
untersagt. Als man damit auch noch Wahlen gewann, waren Kritiker 
sowieso abgemeldet.
Die Verfestigung des autoritaeren Stils wird mit Glawischnig 
weitergehen. "Der Standard" machte seine Wochenendausgabe mit der 
Schlagzeile: "Glawischnig will gruene Partei umkrempeln" auf und 
widmete sich auf den Seiten 2 und 3 ausschliesslich dem gruenen 
Fuehrungswechsel. Dort wird aber nicht Glawischnig zitiert, sondern 
bezeichnenderweise vor allem Bundesgeschaeftsfuehrerin Michaela 
Sburny, die schon seit langem eine straffere Parteiorganisation 
anstrebt. Sburny meint schoenfaerberisch: "Es geht nicht um mehr 
Macht, sondern um mehr Moeglichkeiten" und spricht von 
"Zusammenfuehrung von Verantwortung und Rechten" bei der Spitze. Rudi 
Anschober, der ja auf Landesebene vorgemacht hat, was schwarzgruen 
heissen kann, kommt auch zu Wort: "Wir brauchen eine grundlegende 
Reform" wird er zitiert. Wie das zu verstehen ist, macht der Tenor der 
kompletten Standard-Berichterstattung klar: Die Parteifuehrung muesse 
auch bei den Gruenen die Partei tatsaechlich fuehren koennen -- zum 
Beispiel bei der Aufstellung von Kandidatenlisten.
Mit dem Uebergang vom Patriarchen zur Oeko-Bobo wird sich also nicht 
viel aendern, die Verbuergerlichung der Gruenen wird fortgesetzt. 
Sburny spricht von "Parteioeffnung", neue Waehlergruppen muesse man 
ansprechen. Soll heissen man moechte noch mehr bei den Stammwaehlern 
der OeVP wildern gehen.
Das Ziel der Gruenen wird weiterhin sein, nach einer 
Regierungsbeteiligung zu gieren. Die Frage, was man denn eigentlich in 
diesem Land erreichen moechte (einmal abgesehen von der Umstellung von 
Heizoel auf Holzpellets), wird auch in Zukunft sekundaer bleiben --  
eine Taktik, die nicht nur Gesinnungslumperei darstellt, sondern in 
Zeiten des politischen Umbruchs auch unter der Praemisse der 
Stimmenoptimierung unklug ist.
Van der Bellen war reif fuer eine Abloese. Aber um die Gruenen vor 
sich selbst zu schuetzen, muesste die gesamte Nomenklatura 
ausgetauscht werden, zumindest aber Glawischnig, Sburny, Anschober und 
der "Parteistratege" Dieter Brosz. Das waere eine echte Reform -- aber 
dazu ist die gruene Parteibasis nicht mehr in der Lage. Die Partei 
wird Glawischnig am Bundeskongress mit mindestens 90% Zustimmung 
waehlen und damit das "Wir-streiten-nicht"-Dogma zementieren. Den 
Beweis, dass sie doch die bessere Sozialdemokratie ist, wird die 
Gruene Partei damit wohl ein weiteres Mal eindruecklich erbracht 
haben.
*Bernhard Redl*
***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der 
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd 
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe 
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit 
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der 
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem 
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige 
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement 
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den 
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.
*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin