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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 30. September 2008; 17:22
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Wahl/Glosse:
> Linker Weltschmerz nicht notwendig
Die Schuessel-Behauptung, nach der die FP durch die Einbeziehung in 
die Regierung gezaehmt und verkleinert wurde, hat sich als Legende im 
Interesse des Machtstrebens erwiesen. Andere, wie Ex-Innenminister 
Schloegl, sind ja auch mit diesem Argument herumgegangen, und sie 
begruenden damit ihre Rechtsverbinder-Rolle. Die Wirklichkeit zeigt es 
jetzt klar: Genau die Schuessel-Strategie hat menschenverachtende 
Positionen erst salonfaehig gemacht
Warum Deja-vu mit 1999?
Irgendwie ein Deja-vu, also aehnlich wie 1999, aber schlimmer: erstens 
ist Strache ein viel strammerer, sprich bewusst strategisch denkender 
Rechter, als der selbstverliebte Haider, fuer den das Rechte irgendwie 
auch beliebig und eben ein opportunistischer Weg war. Die 
Moeglichkeit, dass unter Strache eine wirklich starke rechtsradikale 
Bewegung heranwaechst, ist nicht zu unterschaetzen. Wir haben zwei 
rechtsrechte Parteien, die sich gegenseitig aufschaukeln, und die -- 
wie vor der Wahl ersichtlich -- jeweils doppelte Moeglichkeiten in den 
Medien hatten.
Die rechtsrechten Parteien sind auch von SP und VP gerade juengst 
wieder voellig aufgewertet worden. Andererseits sollte die Kirche im 
Dorf gelassen werden: wenn Strache gerade etwa unter Jugendlichen 
teilweise sehr populaer ist, so liegt es einfach daran, dass diese 
einerseits die duerftigen Ergebnisse der Regierungsparteien sehen, 
andererseits die "goscherten" Antworten von Strache und Co hoeren und 
in sich aufnehmen .
Gruene schaumgebremste Ansagen auf eine Regierungsbeteiligung kommen 
da nicht an. Das Desaster mit den Rechtsrechten in der Regierung ist 
da offenbar nicht mehr wichtig. Und linke Antworten, geschweige denn 
linke Persoenlichkeiten kommen ueber die Medien eben nicht oder kaum 
bzw. sind nur ueber gewisse raeumlich sehr beschraenkte Kreise 
zugaenglich.
Es waere eine fatale Fehleinschaetzung, dass alle WaehlerInnen von 
BZOe und FPOe "rechts liegen gelassen" werden koennen. Im Gegenteil: 
Teile davon sind gewinnbar, und das ist auch notwendig.
Warum haben wir das Deja-vu von 1999? Die zeitweise Selbstdemontage 
der Rechtsrechten und ihr Rueckgang bei den Wahlen taeuschte darueber 
hinweg, dass diese Geisteshaltung im Grunde im Anteil gleich blieb, 
aber voruebergehend staerker von SP und VP vereinnahmt wurde.
Wer angegriffen wird -- und einem grossen Teil der Leute wird einfach 
seit vielen Jahren was weggenommen (oder sie verlieren zumindest 
relativ) -- sucht Loesungen und dafuer Verantwortliche. Wenn 
tagein-tagaus von der auflagenstaerksten Zeitung die Auslaender als 
Schuldige praesentiert werden, und auch von "Grossparteien" hier 
laufend Zugestaendnisse gemacht werden, wen wundert es, dass es ist, 
wie es ist.
Promille-Weltschmerz?
Linker Weltschmerz ist aber nicht wirklich begruendet: Dass die KP 
jetzt von knapp ueber 1 % auf knapp unter 1 % gefallen ist, und dass 
eine "Linke"-Kandidatur, die nur einen kleinen Teil der Linken 
umfasste und kurzfristigst organisiert wurde, im Promillebereich 
blieb, ist real jenseits der der Wahrnehmbarkeit. Denn alles waere 
nicht viel anders, wenn KP und "Linke" einige Promille mehr gehabt 
haetten.
Und es soll nicht die Sicht darauf verstellen, dass ein 
betraechtliches Potential da ist, das fuer linke Politik ansprechbar 
ist. Die laufende Umverteilung nach ganz oben zu den Meinls, Treichls, 
Swarowskis usw. laeuft weiter; aber noch nie war nach meiner 
Erinnerung das Gerechtigkeitsthema so wichtig bei einer Wahl in 
Oesterreich.
Selbst die VP definierte als Ziel: "Kaempfen um jeden Arbeitsplatz". 
Machen tun sie - siehe z.B. Glanzstofffabrik in St. Poelten, genau das 
Gegenteil, aber sie muessen dieses Thema zumindest vorgeben.
Die Fragen und Themen, auch im Bereich von Umwelt und Klima, sind da; 
und werden sich in ihrer Brisanz wahrscheinlich verstaerken. Wir 
koennen Antworten geben, und sollten schauen, wie diese 
Loesungsvorschlaege an die Leute kommen.
Der Vergleich mit Deutschland
Die KP in der Steiermark ist insofern vorbildhaft, als wir uns auch 
auf die realen Probleme breiter Kreise konzentrieren sollen, und dabei 
eine verstaendliche Ausdrucksweise pflegen sollten.
Insgesamt haben wir Linke fast alle seit 1999 kaum Fortschritte 
gemacht, ja Chancen vertan, auch besonders als der Rechtsblock sich 
selbst beschaedigte ("Knittelfeld") und auch die SP sich krisenhaft 
entwickelte. All das ist aber nicht wirklich neu.
Linke Schrebergaerten, gegenseitige Schadenfreude, manchmal ein 
unsaeglicher Stil und die Abwertung jeweils anderer Gruppen als 
voellig unbedeutend -- all das ist nicht angebracht. Diskussionen 
muessen gefuehrt werden. Es waere gut, wenn wir uns einig sind, 
worueber wir nicht einig sind. Gegenseitige Verletzungen aus frueheren 
Zeiten sollten dabei nicht fortgesetzt werden. Allerdings ist der Stil 
insgesamt schon besser geworden, nur geht es halt langsam.
Der Vergleich mit Deutschland zeigt das auf, wie Wilfried Hanser-Mantl 
bemerkt hat: Im benachbarten Bayern mit aehnlichen Strukturen wurde am 
Sonntag auch gewaehlt. Die Linke ist zwar dort knapp nicht in den 
Landtag gekommen, aber hat fast 5 % gemacht und ist weiter ein realer 
Faktor.
Und nochmals Wilfried Hanser-Mantl: "Oeffnen wir unsere engen 
Begrenzungen, rufen wir -- mit anderen konstruktiven Kraeften -- zu 
einer breiten Konferenz ueber die Zukunft der sozialen, demokratischen 
und linken Kraefte auf und organisieren wir diese sorgfaeltig. 
Eroeffnen wir nicht nur die Diskussion, sondern beginnen wir mit einer 
praktischen kontinuierlichen und von gegenseitigem Respekt getragenen 
Zusammenarbeit."
Kleine Schritte auf einem sicher noch weiten Weg sind notwendig. 
Entscheidend erscheint mir vor allem:
1. die Notwendigkeit des Aufbaus von deutlich wahrnehmbaren linken 
Medien, sowie verstaerkte Internetnutzung (kostet nicht viel, kann 
aktuell sein, kann interaktiv gestaltet werden).
2. Vorbereitung einer breiten Konferenz der Linken in Oesterreich.
3. Aufbau eines linken bzw. sozialoekologischen Netzwerks, aus dem 
heraus auch vernuenftige Wahlbewegungen organisierbar sind.
Es ist viel zu tun!
*Josef Baum (stark gek.)*
Volltext: http://baum.puon.at/blog/baum.php?itemid=125
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