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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. September 2008; 16:49
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Italien/Polizei:
> Brutalitaet gegen Anti-NATO-Bewegung
Mit ausserordentlicher Brutalitaet ist die Polizei in Vicenza am 
Samstag, den 6. September gegen AktivistInnen vorgegangen, die gegen 
die geplante Erweiterung des US-Stuetzpunktes in der Stadt (s.a. akin 
23/2007) demonstrierten. Leute, die im Rahmen einer groesseren 
Kundgebung einen Sitzstreik durchfuehrten, wurden geschlagen, mehrere 
Frauen wurden an den Haaren am Boden entlanggeschleift, alte Menschen 
wurden verpruegelt, eine Frau im Rollstuhl wurde mit Schilden und 
Polizeistiefeln so sehr gestossen, dass sie mitsamt ihrem Rollstuhl 
umfiel. Ueber einen Demonstranten fielen 5 Polizisten gleichzeitig 
her, einem anderen Demonstranten wurde von einem Polizisten der 
Autoschluessel aus der Hose gezerrt: auf einem Video sieht man, wie 
ihn sich der Ordnungshueter in die Brusttasche steckt. Dann wurde Jagd 
auf den Fotografen gemacht, der die Szene aufgenommen hatte. Ein 
Freiraum fuer Schlaeger. Einem aelteren Demonstranten gegenueber hiess 
es: "Ich bring dich um, du dreckiger Pazifist!" Es gab ueber 20 
Verletzte, 6 Leute wurden festgenommen.
Vicenza ist derzeit der Hauptbrennpunkt der italienischen Bewegung 
gegen Militaerbasen und gegen die NATO; in Vicenza existiert seit zwei 
Jahren eine Massenbewegung, die Bewegung No dal Molin, die sich auf 
breiteste Teile der Bevoelkerung stuetzen kann. Italien ist das Land 
in Europa, in dem seit mehr als dreissig Jahren, mit Unterbrechungen 
und wechselnden Akteuren, Kaempfe gegen NATO- und US-Stuetzpunkte 
gefuehrt werden. Die Bewegung, die sich in Vicenza kristallisiert, ist 
die einer neuen Generation, an deren Kampf aber die politisch 
bewusssten Schichten der aelteren Generationen aktiv teilnehmen.
Bisher bestand im Brennpunkt Vicenza eine Art ruhiggestellter Krieg, 
ein implizites Stillhalteabkommen zwischen Polizei, Carabinieri und 
den politischen Institutionen des Kapitals auf der einen Seite und der 
sehr breiten Bewegung, die mit einer Sprache zu sprechen versteht, und 
die von der gesamten Bevoelkerung verstanden wird. Mit dem Ueberfall 
vom 6.9. wurde die bisherige Stillhaltepolitik jaeh aufgekuendigt. Ein 
solches Verhalten gegenueber einer Bewegung, die sich selbst mit 
aeusserster Striktheit an Gewaltfreiheit haelt, war bisher undenkbar 
gewesen.
Auch fallen fuer die offizielle Politik die letzten Barrieren, sich 
zum historischen Faschismus zu bekennen. Der neue italienische 
Verteidigungsminister Ignazio La Russa (Alleanza Nazionale) lobte am 
Jahrestag der Befreiung Roms ausdruecklich die Soldaten des von 
Mussolini im Jahre 1943 in Norditalien neugegruendeten faschistischen 
Regimes, der Republik von Salò, deutete deren Option fuer den 
Faschismus in patriotischen Widerstand um und stellte sie dem 
Widerstand der Partisanen gleich.
Neofaschistische Bandentaetigkeit, offene Apologie des Faschismus 
durch Regierungsangehoerige und die verstaerkte Kriegspartnerschaft 
mit den US-Amerikanern: in diesem Rahmen ist der Vorstoss der Polizei 
in Vicenza eindeutig als Vorzeichen einer "Chilenisierung" Italiens zu 
sehen, wie es in politischen Reden oft heisst.
Berlusconi hatte beim Buergermeister von Vincenza gruenes Licht 
gegeben fuer die Polizeioperationen im Stile Genuas. In einem 
Schreiben an den Buergermeister Vicenzas, Achille Variati, nahm er 
ganz offen auf die lokale Politik Einfluss. Dies geschah einen Tag vor 
den Polizeiuebergriffen.
Variati, der der Demokratischen Partei angehoert, stellt sich hinter 
eine Volksbefragung zum Thema Dal Molin, die in Vicenza am 5. Oktober 
stattfinden wird. Die Volksbefragung ist seit langem eingeleitet und 
abgsprochen. Berlusconi versucht, diese zu verhindern: "Ich moechte 
Sie noch einmal daran erinnern, dass die Volksbefragung, die Sie 
eingeleitet haben, ein falsches Mittel am falschen Ort ist." heisst es 
im Jargon der italienischen Amtssprache.Schliesslich sei das 
Grundstueck ja den Amerikanern ueberantwortet worden.
Vicenza als derzeit staerkstes Mobilisierungszentrum steht fuer den 
Widerstand gegen NATO, USA und Krieg ueberhaupt. Nachdem sich im 
vergangenen Jahr die kommunistische Partei Rifondazione nicht gegen 
den Afghanistan-Einsatz Italiens ausgesprochen hat, haben sich grosse 
Teile der Basis- und Bewegungslinken definitiv von jeglicher 
Zusammenarbeit mit Rifondazione getrennt. Damit existieren keine 
Parteien mehr, die Traeger einer antimilitaristischen Politik sind - 
es bleiben nur mehr die Bewegungen selbst uebrig.
(Aug und Ohr/gek.)
Solidaritaetsadressen aus Anlass der Repression an: 
nodalmolin{AT}libero.it
Volltext: http://at.indymedia.org/node/11276
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